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Produktionstagebuch Toxic Lullaby - August 2009

Spiel mir ein ... Toxic LullabyProduktionstagebuch Toxic Lullaby
August 2009

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16. August 2009
Im Moment bin ich noch beim Feinschnitt. Da ist wie Puzzeln. Langwierig. Inklusive der Szenen aus den letzten Dreharbeiten, die ich gleichzeitigvorbereite, wird TOXIC LULLABY tatsächlich über 90 Minuten lang sein. Aber ich komme der Endfassung näher

Aber im Produktionstagebuch befinde ich mich noch im März. Da fanden im still gelegten Straßenbahntunnel am Kasseler Hauptbahnhof Dreharbeiten statt. Eine der letzten Kolonien der Menschheit (FRANCIS) fand hier eine ideale Heimat. - Aber nun zu meinen Erinnerungen an den Dreharbeiten...

08.03.2009 – 16. Drehtag
...und früh wieder im Tunnel.  Der letzte Tunneltag beginnt mit einem Anschlussdreh von Freitag und muss (mal wieder Zeitdruck) bis 13 Uhr im Kasten sein. Zum Glück hat Udo die Choreografie mit den Darstellern gut eingeprobt und wir schaffen das, mal wieder. Wink

Dann geht es los. Es kommen wieder um die 50 Leute für den folgenden Dreh und Andrea und die anderen haben alle Hände voll zu tun mit Schminken, einkleiden und so weiter. Wir anderen bereiten den Drehort vor und platzieren allerlei blutiges Zeugs auf den Bahnsteigen.

Eine anstrengende Woche liegt hinter mir und es ist klasse das so viele Leute voll motiviert an dem Dreh teilnehmen. Noah und Carla sind so fit, dass wir anderen nur staunen können. Die beiden sind für keinen Take zu müde und spornen selbst mich noch an. Viele Leute von Parkour Kassel sind heute dabei und es macht großen Spaß denen beim klettern und springen von Bahn zu Bahn mit der Kamera zuschauen zu dürfen. Wir arbeiten wieder bis spät abends und dann ist es geschafft. „Francis“ ist abgedreht.

Jetzt müssen wir nur noch aufräumen und putzen. Montag...

09.03.2009
...und los. Stephan und ein paar Helfer fangen schon früh an. Wir kriegen alles soweit fertig. Vor dem Tunnel türmt sich ein Berg Schrott, Möbel, Teppiche und was noch alles. Und, ja und eine große Wassertonne mit Knochen und...Gedärm vom Schwein. Alles wird für Dienstag zum Abtransport vorbereitet.

10.03.2009
Abtransport. Stephan hat schon drei Fahrten zum Recyclinghof hinter sich als ich dazu stoße. Wir fahren die restlichen Sachen zu mir und ich weiß, dass Zeugs wird ewig bei mir rum fliegen...
Dann packen wir die Tonne mit den Därmen, der Milz, der Leber und den Knochen, die wir ja nun gar nicht gebraucht haben, da unsere Brotteigschlauchverband-Därme ausgereicht - und, vor allem, weniger gestunken haben, in Stephans Auto. Er hat alle Fenster auf, denn der Geruch der Verwesung strömt aus der Tonne und das obwohl Andy einen festen Verschluss aufgesetzt hatte. Im übrigen war er der einzige, der sich bereit erklärt hatte das fiese Zeug, was nicht einmal die Katzen und Ratten angerührt hatten, in die Tonne zu kloppen.

Am Schlachthof Kassel in der Falderbaumstraße fahren wir einen finsteren Weg hinab und unsere Nasen weißen uns den Weg. Angekommen sind wir froh, dass wir aussteigen können. Wir gehen in das Gebäude und fragen einen jungen Mitarbeiter, der sehr blass ist, wo wir die Sachen ausschütten können. Stephan wird auch immer blasser, dass scheint an dem Geruch zu liegen. Zum Glück ist es Winter, sonst würde das, was uns jetzt erwartet kein totes Gewebe sein. Nein es wäre in gewisser weise wieder zu Leben erwacht, nicht unbedingt untot aber... Na, bloß nicht drüber nach denken. Aber noch weiß ich ja gar nicht was mich erwartet. Also, immer der Reihe nach. Der junge blasse Mitarbeitet öffnet uns ein Rolltor. Dahinter steht ein großer Container in den wir den Inhalt unserer Tonne kippen sollen. Dann verschwindet er auch schon und Stephan und ich stehen vor dem Container aus dem irgendeine rotgelbe Suppe rausläuft die, na ja, zum Himmel stinkt. Wir holen selten Luft und wenn dann nur durch den Mund. Das muss der Geruch sein, den Eloise gerochen hat als sie von Bretoria gefunden wurde. Das ist der Geruch von „Toxic Lullaby“. Plötzlich bin ich froh, dass wir nur einen Film machen. Einen fiktiven Film über eine Zukunft die schlimmer nicht riechen könnte.

Mutig packen wir unsere Tonne und hieven sie hoch. Das Ding ist ganz schön schwer. Wir können gerade so den Rand erreichen und legen sie mit der Öffnung darauf. Irgendwie wird sie nicht leichter und wir rütteln und schütteln, dass der Inhalt endlich in den Container rutscht. Hinten noch etwas höher, sage ich und spüre im nächsten Moment, dass war ein fataler Fehler. Die Tonne entgleitet meinen Fingern und leider geht es Stephan ebenso. Mit einem widerlichen Pflatsch landet die ganze Tonne mit dem ganzen faulem Gedärm in dem Container. Stephan ist leichenblass. Ich sehe sicher nicht anders aus, muss aber trotzdem Lachen...sind wir Deppen...Noch heute (und es ist mittlerweile August, wo ich diese Zeilen schreibe) muss ich über diese Aktion lachen, und es kam noch besser.

Wir haben uns jedenfalls scheinbar völlig entsetzt angesehen, denn der junge blasse Mitarbeiter kam sofort zu uns rüber. Und das gerade als ich das Rolltor schließen wollte, scheiß auf die Tonne.

Wir beichten ihm also das unsere Tonne über den Rand gekippt ist. Das ist schlecht, sagt er. Eine Plastiktüte ist nicht schlimm aber bei einer Tonne machen Die Ärger, sagt er. Wer auch immer Die sind, die Tonne muss raus. Stephan wird’s scheinbar noch schlechter, falls das überhaupt möglich ist.

Der junge blasse Mitarbeiter verschwindet kurz und kommt dann mit einem Fleischerhaken wieder. Er klettert auf den Container und fischt mit dem Fleischerhaken nach unserer Tonne. Jetzt neulich sei mal ein Mensch in den Container gefallen, dass war schlimmer, sagt er. Irgendwie kriegt er die Tonne nicht zu fassen und zerrt daran rum. Dann rutscht er ab und schlägt sich den Fleischerhaken voll auf die Lippe. Er taumelt und ich sehe ihn in den Container fallen. > Jetzt neulich ist mal ein Mensch in den Container gefallen, dass war schlimmer < geht es mir durch den Kopf. Er hält sich die Lippe und macht dann verbissen weiter. Doch der Fleischerhacken rutscht aus seiner Hand und fällt ebenfalls in den Container.

Ich komme mir irgendwie so komisch vor. So als wäre ich gar nicht hier. Irgendwie ist das ganze so eine groteske Situation und Stephan kann nichts tun außer, ich würde sagen mittlerweile weiß im Gesicht, mich entsetzt anzusehen. Was nun? Muss jetzt einer von uns in den Container klettern und den Fleischerhacken und die Tonne rausholen? Der junge blasse Mitarbeiter vom Schlachthof hat Gummistiefel an und so eine Lederschürze. Ich hoffe inbrünstig er weiß was zu tun ist. Weiß er aber nicht. Ich denke mir, da muss ich jetzt durch und hole eine Leiter, die in der Ecke steht. An der Leiter kleben alte angetrocknete Fleischbrocken und ganz tief im inneren weiß ich, ich will nicht in den Container sehen. Ein Blick zum schneeweißen Stephan sagt mir, ich muss in den Container sehen. Soll ich helfen? frage ich den jungen blassen Mitarbeiter. Und er sagt, dass wäre nicht schlecht. Also stelle ich die Leiter an den Container und steige die Sprossen hoch. Irgendwie ist alles glitschig und verschmiert und so ein bisschen habe ich Angst, dass ich derjenige sein könnte, der da gleich rein fällt. Ich sehe also in den Container und die blaue Tonne leuchtet mir entgegen. Auch den Fleischerhacken kann ich sehen. Er liegt direkt vor mir. Wenn ich mich anstrenge müsste ich ihn eigentlich erreichen können. Ich packe mit meiner linken Hand den Rand des Containers und kralle mich fest. Dann packe ich hinein und fingere den Fleischerhacken heraus. Als ich ihn hoch hebe beginnt der gesamte Inhalt des Containers zu wabbern. Die Därme wogen leicht auf und ab, als wären sie sanfte Wellen im Meer bei ruhiger See. Sind sie aber nicht. Es sind prall gefüllte Därme voller Kuh - und Schweinescheiße. Leicht kommt es mir hoch, aber irgendwie geht es dann doch und jetzt wird mir klar, im Sommer wäre der Container voller Maden und Fliegen. Ich bin unendlich froh, dass wir den Film im Winter machen. Mit vereinten Kräften schaffe ich mit dem jungen blassen Mitarbeiter vom Schlachthof die Tonne zu entleeren. Ich hebe sie heraus und gebe sie dem weißen Stephan. Dann runter von der Leiter und die Tonne mit einem Wasserdruckstrahl gereinigt. Meine Jacke hat einige Flecken und ein getrocknetes Stückchen Fleisch klebt daran. Stephans Farbe kommt langsam zurück. Ich bringe den jungen blassen Schlachthofmitarbeiter noch ein kleines Trinkgeld für seine Mühe, die wahrlich mit uns hatte und dann verschwinden wir.

Zuhause ziehe ich sofort alle Sachen aus und springe unter die Dusche. Die Klamotten landen gleich in der Kochwäsche und irgendwie muss ich immer noch schmunzeln über die Aktion mit der blauen Tonne.

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