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„Viva la Diva“ - bisschen cringe, bisschen Statement

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-Kolumne»Viva la Diva«
Bisschen cringe, bisschen Statement

Über die Diversitätswoche bei Bertelsmann hatte ich schon geschrieben. Auch, dass ich einigermaßen skeptisch war, was das Format „Viva la Diva“ anbelangte. Die Skepsis hat sich etwas gelegt, aber der ganz große Wurf ist die Sendung halt nicht. Das liegt am Moderator Tim Mälzer, das liegt teilweise am Schnitt und der Inszenierung. Teilweise auch, weil dauernd ständig betont wurde, wie sehr dieses Format doch für Offenheit und Diversität stehen würde.

Im normalen Leben würde ich Eins, der so permanent das betont ein nicht gesundes Selbstbewusstsein attestieren.

Tim Mälzer also als Moderator ist … nun, er ist halt. Er hält sich an den Moderationskarten fest, als wären sie Rettungsanker. Seine Stimme hat genau einen einzigen Tonfall. Da ist keine Modulation, keine Begeisterung, keine Charme. Er kündigt die teilnehmenden Prominenten an als wären sie der Daueraufschnitt im Sonderangebot. Er gibt zwar sein Bestes, das ist aber leider für eine Unterhaltungssendung nicht gut genug. Er sieht noch nicht einmal dann interessiert aus, wenn der die Prominenten nach ihren Gründen für die Teilnahme befragt. Unverständlich, warum Olivia Jones in der Jury sitzt anstatt Moderatorin zu sein. Nicht nur, dass Olivia durchaus amüsant und schlagfertig sein kann, sie wäre auch noch vom Fach. Seufz.

Ja, ich weiß, aber „RuPauls Dragrace“ ist halt DIE Größe, an der sich solche Formate messen lassen müssen. Dass auch RuPauls Format nicht unbedingt perfekt ist, sei dahingestellt. Vergleicht man den Schnitt und die Inszenierung von „Viva la Diva“ und „RuPauls Dragrace“ dann fällt auf, dass man bei „Viva la Diva“ kaum irgendwie Zeit zum Atmen bekommt. Selbst bei den Auftritten der Prominenten ist der Schnitt hektisch, wird gerne mal - vor allem, warum eigentlich immer besonders beim Team Olivia? - der Gesprächston der Jury mitgenommen. Was dann dazu führt dass ein „Also, wer kann das nur sein“ den Auftritt der Diva an sich komplett von der Stimmung her ruiniert. Klar, das Format von RuPaul ist ein Anderes, da gehören die Kommentare der Jury-Mitglieder dazu, wenn die DragQueens mit ihren Kreationen zu einem Thema über den Laufsteg gleiten. Aber bei „Viva la Diva“ ist das Einblenden vom Orignal-Jury-Ton während der Auftritte einfach unnötig und lenkt ab.

Überhaupt: Das ist schon eine sehr hohe Taktung an sich. Kaum ist der Lipsync-Battle vorbei, wird die Siegerin nach hinten geschickt, die Enthüllung abgespult - plus einige wirklich kurze Szenen hinter den Kulissen - und zack, fertig, die Nächste bitte. Dabei wäre gerade der Blick hinter die Kulissen interessant, wenn er denn länger wäre. Er zeigt nämlich, dass eine DragQueen zwar Kunst ist, aber auch hart erarbeitete Kunst. Zudem: So nett auch die Statements der Prominenten sind, warum sie denn teilnehmen - ja, ja, ich habe das schon verstanden, es geht um Diversität, es ist ja die WOCHE der Diversität, das habt ihr ja auch schon so angekündigt - es gibt keinen politischen Unterton. Jetzt kann man sagen: Das muss auch nicht der Fall sein, es ist ja Unterhaltung, es ist bunt, schrillt und … ja. Es ist bunt und schrill. Genügt es denn einfach nur bunt und schrill zu sein?

Das ist „DragRace“ bisweilen auch - allerdings hat RuPaul nun Dragqueens aus dem realen Leben im Wettbewerb und hinter den Kulissen blitzt auch auf, dass nicht alles lustiges Drag-Folklore-Fasching ist. So sehr auch immer betont wird, man stehe für Toleranz und Diversität - für RTL geradezu progressiv übrigens - bleibt es eigentlich ein Unerhaltungsspektakel. Echtes Einsetzen für Diversität und für Gleichbehandlung erschöpft sich nicht darin, sich einmal für eine Sendung auf High-Heels zu stellen und zu bekannten Songs der Bewegung zu performen. Und so sehr es hilft, dass bekannte Prominente sich „verkleiden“ - ich bin mir nicht sicher, ob ein Micky Krause wirklich ein Botschafter im Alltag für Diversität ist. Solange man halt im Gespräch bleibt, ist halt alles total okay. Ob die Werte dann auch gelebt werden, fraglich. Auch wiederum ein Unterschied zu RuPaul.

Immerhin: Diese Sendung versucht es. Das muss man RTL also Bertelsmann schon anrechnen. Dass die Sendung nicht perfekt ist - das war „DragRace“ in der ersten Staffel auch nicht. Würde RTL das Format regelmäßig durchführen, wäre das sicherlich ein guter Weg hin zur mehr Akzeptanz. Wobei natürlich Menschen mit Homophobie sowieso nicht einschalten werden. Und ja, der Gewinner … hmmm. Die Sendung ist wohl vor den ganzen Vorwürfen gedreht worden, da kann dann RTL nichts für. Kurz und schlicht: Das Format hat Luft nach oben. Ich bin mir ziemlich sicher: Würde man Tim Mälzer als Moderator ersetzen, wäre das Format um die Hälfte besser. Wie geschrieben: Warum ist Olivia Jones in der Jury? Oder warum hat man keine von den DragQueen-Jurorinnen genommen? Seufz.

Kommentare  

#1 Cartwing 2022-06-24 21:03
Zitat:
Tim Mälzer also als Moderator ist … nun, er ist halt. Er hält sich an den Moderationskarten fest, als wären sie Rettungsanker. Seine Stimme hat genau einen einzigen Tonfall. Da ist keine Modulation, keine Begeisterung, keine Charme.
"Nun, er ist halt..."
das ließe sich fortsetzen... :-*

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