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Lupin: Im Schatten von Arsene

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-Kolumne»Lupin«:
Im Schatten von Arsene

Vom Gentleman-Gauner Lupin haben vermutlich eher die Anime-Fans gehört. Also zumindest von Lupin III., der schusselig-genial extravagante Raubzüge in Japan vollführt. In gewisser Weise kennen wir Dupin aber alle, denn auch wenn die deutschen Disney-Macher beim Namen eher Fantomas im Auge hatten, ist das, was der historische Vorfahr von Donald Duck tat eher dem Vorbild von Arsene nachempfunden als dem des grausamen Verbrechers.

Schließlich vermag auch Arsene in allerlei Verkleidungen und Masken zu schlüpfen. Zudem: Er ist auch ein Gentleman, während der Fantomas in den Vorlagen ein kaltherziger, ehrgeiziger und teilweise wahnsinniger Schurke ist. Da schlägt unser Herz doch ehe für den Gentleman. Und dann ist der Erfolg der Neftlix-Serie, deren erster Teil jetzt online ist, eigentlich gar nicht erstaunlich.

Schließlich stimmen hier alle Zutaten: Ein brillanter Schauspielcast, wunderbar in Szene gesetzte Drehorte, spannende Raubzüge und darüberhinaus eine Geschichte, die in den fünf aktuellen Folgen auf Netflix momentan mit einem Cliffhanger endet … Moment. Wer genauer hinschaut, hat natürlich schon gesehen, dass Neflix hier TEIL EINS über das Ganze gesetzt hat. Warum und wieso eigentlich? Corona mal wieder? Oder war man sich einfach nicht sicher, dass die französische Serie auch über die Landesgrenzen hinaus Erfolg haben würde? Unwahrscheinlich eigentlich … Aber Netflix schafft es ja auch teilweise, ganze Serien und Filme einfach mal so online zu stellen ohne sie große zu bewerben. Jedenfalls ist ziemlich wahrscheinlich, dass alle Folgen der Staffel schon abgedreht sind und Netflix die restlichen Folgen nachreichen wird.

Zurück zur Serie und der Frage, wie originell diese ist. Im Grunde eigentlich - nun - also - es ist mal wieder eine Rachegeschichte. Ja, ich weiß. Schon dutzende Male gesehen. Der Vater von Assane Diop wird verdächtigt, ein kostbares Halsband von seinem Arbeitgeber, Pellegrini, geklaut zu haben. Pellegrini, ein mächtiger Mogul im aktuellem Paris, scheint nicht nur ein wenig, sondern viel Dreck am Stecken zu haben - irgendetwas ist da faul. Nachdem Assanes Vater in seiner Zelle Selbstmord begeht, ist Assane um so entschlossener herauszufinden, wer seinen unschuldigen Vater hereingelegt hat. Die Verbindung zu Lupin? Vor seinem Tod schenkte Assanes Vater ihm einen Band mit dessen Geschichten. Lupin wird für den weiteren Werdegang von Assane zum Vorbild. Die Serie erzählt dabei einerseits seine Vergangenheit in Rückblenden - andererseits aber auch immer den Kampf gegen Pellegrini. Warum Assanes Vater damals als Sündenbock herhalten musste? Das werden wir vorerst nicht erfahren.

Wie gesagt: Die Rachegeschichte haben wir so oder ähnlich schon einige Male gesehen. Allerdings: Assane wird von Omar Syr aus „Wirklich beste Freunde“ verkörpert. Ebenfalls ist der Schauspielercast bis in die Nebenrollen exzellent besetzt. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Assane und Capitaine Romain Laugier - Vincent Lodez - entwickelt sich über die fünf Folgen hin von einem amüsanten Geplänkel zu etwas Ernsterem. Es ist klar, dass es auch den korrupten Polizisten in diesem Spiel geben muss und es ist genauso klar, dass alle Versuche Pellegrini zu erledigen erstmal ins Leere laufen. Je mehr Assane herausfindet, desto mehr Fragen bleiben offen. Zudem muss Assane auch noch sein Privatleben mit dem des Gangsters in Balance halten. Hoffen wir mal, dass sich diese ganzen Handlungsstränge in den restlichen Folgen klären werden. Es sieht allerdings nicht so aus, als ob die Erfinder der Serie sich in LOST-Schleifen gefangen hätten.

Allerdings ist die Serie nicht nur spannende Krimiunterhaltung. In der ersten Folge stellt Assane fest: „Sie sehen uns nicht. Die da oben sehen uns hier unten nicht.“ Und das ist in zweierlei Art und Weise richtig. Zum Einen: Wer schenkt einer Putzfrau, einer Putzkolonne, dem Müllmann, all jenen, die die Drecksarbeit für uns tun eigentlich Beachtung? Für die Gesellschaft sind sie nicht vorhanden. Sie existieren, aber sie sind unwichtig für die Mächtigen. Die, die im Schatten sind, die sieht man nicht, das wußte schon Brecht. Rein als Putzmann, raus aus Millionär. Darin liegt zum Einen die Macht von Lupin trotz des Zeitalters der digitalen Kameras. Wer in die Kluft eines Hausmeisters schlüpft, wer Chauffeur ist oder für andere Leute putzt, der ist schlicht und einfach unsichtbar und wird nicht gesehen. Das zum Einen.

Zum Anderen stammt Assanes Familie aus dem Senegal. Er ist also ein schwarzer Einwanderer. Er erlebt den Rassismus der französischen Gesellschaft. Auch hier ist er wieder einer Derjenigen, die übersehen werden, an die Seite gestellt, unbeachtet sind. Das merkt Assane, als er an einer höheren Schule - dank eines Sponsors - angenommen wird. Das wird allerdings auch verdeutlicht, als Assane einfach mit einem schwarzen Gefangenen die Rollen tauschen kann, weil „wir ja eh alle gleich aussehen“, wie sein Gegenüber sarkastisch bemerkt. Wer in den Schatten lebt, der hat auch längst alle Moralvorstellungen von sich abgestriffen - jedoch passiert das Assane nicht unbedingt. Denn Arsene Lupin ist zwar Gauner - und ein gewiefter dazu - aber auf seine Art und Weise auch ein Gentleman. Wie gesagt, Disneys Fantomas hat weit mehr von ihm als man meint.

Allerdings: Diese kritischen Töne sind verschwindend wenig zu hören in den bisherigen Folgen. Es ist, als wollten die Macher durchaus darauf hinweisen, aber in erster Linie eine spannende und mitreissende Gauner-Rachegeschichte erzählen. Was ihnen bislang auch gelungen ist. Vor allem ist es ihnen gelungen, die Figur des Lupin in das 21. Jahrhundert zu stellen. Nicht mehr Monokel und Zylinder sind en vogue, Drohnen und Computer sind an deren Stelle getreten. Was wäre wohl, denn Cumberbatchs Holmes auf Syrs Arsene treffen würde? Zumindest in den Romanen sind sich ein gewisser Herlock Sholmes und der Meisterdieb schon begegnet.

Kommentare  

#1 Cartwing 2021-01-15 06:16
Die Serie befindet sich bereits in meiner Liste.
Nach diesem Artikel ist sie weiter nach oben gerutscht.

Wenn nur die Warterei auf die fehlenden Folgen nicht wäre...
#2 Ingo Löchel 2021-01-15 09:12
Die Serie "Lupin" ist für eine Netflix- bzw. Streamingidenst-Serie überraschend unterhaltsam,
obwohl ich die Modernisierungsversuche und Veränderung bekannter Themen sowie Romanfiguren etc. nicht sehr mag.
#3 Mainstream 2021-01-15 09:38
-
- Die Schauspieler sind exzellent. Der Hammer sind allerdings die Besetzungen der Figuren in jungen Jahren, die ihren älteren Versionen wie aus dem Gesicht geschnitten sind.

- Gerade wegen des lockeren Tones und der gelösten Atmosphäre, sind die Beziehungen der Charaktere untereinander sehr realistisch und glaubwürdig.

- Die Coups sind sehr spannend umgesetzt, nachvollziehbar, und ergeben in der verzwickten Ausführung auch Sinn.

- Die soziopolitischen Ausführungen in Bezug auf Gesellschaftsschichten und Immigration sind stimmig und auf den Punkt, ohne zu überfrachten oder moralisierend zu werden.

- Die zwei Cliffhanger sind eine psychologische Folter.

- Die Dreharbeiten mussten wegen der weltweiten Krise ausgesetzt werden, sind aber bereits wieder aufgenommen. Fertigstellung und Sendung aber für Sommer anvisiert.
#4 Cartwing 2021-01-15 17:18
Zitat:
Die Serie "Lupin" ist für eine Netflix- bzw. Streamingidenst-Serie überraschend unterhaltsam,
Warum überraschend? Es gib bei Netflix einige sehr gute, unterhaltsame Serien.

"Better call Saul", "Anne with an E" oder auch "Stranger Things" sind für mich schon das Geld wert, um jetzt mal nur Eigenproduktionen zu nennen.
#5 Ingo Löchel 2021-01-15 17:29
Bei Netflix gibt es aber auch sehr viel Schrott
#6 Cartwing 2021-01-15 18:58
Das stimmt natürlich, aber wo gibt es den nicht?
Man muss sich halt rauspicken, was einem gefällt.

Wenn ich die ganzen japanischen Filme und Serien und den ganzen Horror - Schrott weglasse, bleiben immer noch mehr gute (je nach Geschmack natürlich) und überdurchschnittliche Filme und Serien, als ich mir bis zu meinem Lebensende anschauen kann. :-)

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