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Paranormal Activity

Paranormal Activity
Gespoilerte Aktivitäten:
Paranormal Activity

Der Film ist der Versuch einer Rekonstruktion von Ereignissen, die sich im Haus von Katie und Micah ereignet haben. Das Paar hatte beschlossen, stets eine laufende Videokamera mit sich zu führen, um eventuell eintretende paranormale Aktivitäten sofort festhalten zu können, von denen sie scheinbar schon im Vorfeld heimgesucht wurden. Die Kamera war über Nacht auch im Dauerbetrieb an den Computer angeschlossen, um im Nachtsichtmodus lückenlos das Schlafzimmer zu überwachen.

Katie und Micah wollten dieses Material dann an den jeweils darauffolgenden Tagen auswerten.

Der Produzent dieses fertigen Films bedankt sich bei den Familien von Katie Featherston und Micah Sloat für die Bereitstellung der Filmdokumente, die den Verlauf der paranormalen Aktivitäten in ihrem Haus dokumentieren.

Oren Peli hat diesen Film gemacht. Man könnte sagen im Alleingang. Natürlich entsteht ein Film nicht im Alleingang, doch er war es, der sich mit dämonischer Inbrunst diesem seinem Werk verschrieben hatte. In wochenlanger Arbeit brachte er sein Haus soweit auf Vordermann, so dass nur natürliche Lichtquellen beim Dreh gebraucht wurden. Zudem mussten die Darsteller so viel Bewegungsfreiheit haben, dass die von den Schauspielern selbst geführte Kamera bei jeder Einstellung möglichst viel vom Wohnraum einfängt.

Der Dreh mit Katie Featherston und Micah Sloat fand über sieben Tage meist nachts statt. Herausgekommen sind dabei 70 Stunden Rohmaterial, das der Initiator Peli über ein komplettes Jahr hinweg bearbeitet hat. 2007 war das Werk vollendet. So glaubte zumindest Oren Peli. Der eigentliche Horror sollte für ihn erst kommen, und der nannte sich Hollywood.

Dass der Film 35.000 Dollar gekostet haben soll, beruht allenfalls auf einer Schätzung von Peli selbst, der über die zwei Jahre Produktionszeit so manche Zahl aus den Augen verloren hat. Sicher ist, dass DreamWorks für die Rechte 350.000 Dollar bezahlte. Paramount sollte aus PARANORMAL ACTIVITY sofort ein Remake machen, ohne eine vorherige Veröffentlichung des eigentlichen Films. Man hatte sogar schon beschlossen, dass das Original als Bonus auf die DVD des Remakes gepackt werden sollte.

Auf dem American Film Market 2008 schließlich, wo sich sonst nur Verleiher und Kinobetreiber tummeln, steckte man zu den interessierten Käufern noch ein ausgewähltes Publikum von 300 Teenagern in PARANORMALs Vorführung. Paramount hatte keine Ahnung, wie man sonst mit dem Film für eine internationale Verwertung umgehen sollte. Der Aktionismus durch Ratlosigkeit ging auf, als sich der Film innerhalb von 48 Stunden in alle Welt verkaufte. Ein Novum.

Die große Stärke von Orin Pelis Film liegt zweifelsfrei bei den Darstellern. Die über ein gewöhnliches Casting angeheuerten Featherston und Sloat müssen sich, dank ihrer unglaublichen Natürlichkeit, immer wieder eine Beziehung auch im wirklichen Leben nachsagen lassen. Sie nur leicht übergewichtig, er manchmal ein ignoranter Trottel, geben das perfekte All-American-Couple. Sie sind miteinander vertraut und sie lachen viel, betrachte manchmal auch ihre gemeinsamen Erlebnisse mit einem hilflosen Schmunzeln. Und wenn dann unscheinbare Worte plötzlich einen heftigen Streit auslösen, dann besitzt das eine erschreckende Ehrlichkeit. Die Schauspieler lassen den Zuschauer die unglaubliche Anspannung, die tief in ihren Figuren brodelt, richtiggehend spüren.

SzenenfotoDas macht einen wirklich guten Film aus. Solche Darsteller. Und die Dunkelheit. Dunkelheit ist ein starker Verbündeter der Angst. Was Peli mit seinen Zuschauern macht, ist so simpel, dass sein Glaube an die Durchführbarkeit dieses Projekts schon an ein Wunder grenzt. Es ist die Dunkelheit, in der nicht nur die Protagonisten ihren Alptraum erleben. Es sind die Szenen, die das Publikum packen. Immer und immer wieder. Die Einstellungen mit der im Schlafzimmer fest installierten Kamera, beschwören das Unheil herauf. Der Zuschauer darf sich erst bei den Tag-Szenen wieder von seiner Anspannung lösen. Es entsteht ein Rhythmus, der in der ersten halben Stunde sehr gemächlich wirkt.

Orin Peli erhöht erst unmerklich, dann mit sadistischer Freude immer expliziter die Taktzahl. Die Nacht ist sein Verbündeter. Ob männlich oder weiblich, ob jung oder alt, der Respekt vor der Dunkelheit ist bei jedem vorhanden. Dieses schutzlos schlafend im Bett liegen. Häuser und Wohnungen mit ihren eigenen spezifischen Geräuschen. Oder könnte es etwas Bedrohliches sein? Das nächtliche Knacken in den abkühlenden Heizungsrohren, sind das am Ende gar nicht die Heizungsrohre?

Das Massenerlebnis wird zur Massenhysterie. Seit langem wieder ein Film, der im Kino gesehen werden muss, nicht seiner Größe wegen, sondern wegen der kollektiven Angst. Kein wohliger, kein erwartungsvoller Schauer, der einen überkommt. Es ist entnervtes Stöhnen, wenn wieder eine Aufnahme im Nachtsichtmodus beginnt. Was jetzt schon wieder? Die Abstände von Tag- zu Nachtszenen werden immer kürzer. Und in jeder Nacht steigern sich die Geschehnisse. Reiner, unverfälschter Horror.

Ein Film wie dieser polarisiert natürlich. Wo dem einen schlaflose Nächte beschert werden, beschweren sich andere über den Mangel an Gehalt. Wie auch immer man diesen Gehalt definieren möchte. Und das ist auch in Ordnung, wer sollte sich darüber beschweren. Paramount am wenigsten, schließlich hatten die den Film ganz in die Hände der Fans gelegt. Und der Fan des gestandenen Horrors ist ja bekanntlich nicht leicht zufriedenzustellen. Aber es können noch so viele Freunde abgetrennter Körperteile den ausgebliebenen Blutfluss als langweilig bezeichnen, PARANORMAL ACTIVITY ist in seiner Eigenschaft als gemeinschaftliche Erfahrung effizient genug, um über allen gerecht- oder ungerechtfertigten Vorwürfen zu stehen. Und wer bereit ist, sich dieser Erfahrung zu stellen, dem Erlebnis offen gegenüber zu sitzen, der sollte gewarnt sein.

Paramount hat seinen Weg gefunden, in dem mit PARANORMAL sehr tief gestapelt wurde. Dreizehn amerikanische Universitätsstädte, nur die Mitternachtsvorstellungen. Die nachttriebigen Studenten standen Schlange. Und die meisten wünschten, sie hätten das nicht getan. Die gewöhnliche Werbung blieb aus. Twitter, Facebook und Nachtsicht-Aufnahmen des reagierenden Publikums auf YouTube besorgten den Rest. Durch die Unbeholfenheit der Vermarktungskünstler, generierte sich in kürzester Zeit ein Phänomen. Das Phänomen beschrieb sich nicht nur durch das Genre des Films, sondern hauptsächlich durch das Gemeinschaftserlebnis. Die Mitternachtsvorstellungen waren immer ausverkauft. Keiner der bestens bezahlten Analysten von Hollywood hätte gewagt eine derart hohe Ausbeute trotz so weniger Standorte auch nur zu erträumen.

Nun hat der Amerikaner ein besonderes Händchen, Mundpropaganda zu betreiben. Der Amerikaner sagt: „You gotta see this. That shit scared the hell outta me”. Und das war es dann auch. So funktioniert schließlich auch ein Film, über den man am besten überhaupt nichts weiß und noch weniger vermutet. Der Deutsche verspürt ja eher den Drang zu sagen: „Hast Du diesen Film gesehen, wo sie so tun, als wäre es eine Dokumentation?“ Bumm, der Saft ist raus. Ein nicht zu verharmlosendes Problem, das einem Film außerhalb Amerikas widerfahren könnte. Doch damit begeben sich die Feuilletons in eine missliche Lage. Das ignorieren einer kulturellen Kuriosität wäre fast schon als fahrlässig zu bezeichnen, noch dazu, wenn man diese zu fördern gedenkt. Man sollte sich damit trösten, dass anderweitig schon zu Tode diskutiert wurde, was längst jede Unvoreingenommenheit im Keim erstickt hat.

BLAIR WITCH PROJECT war eines dieser Phänomene, das sich durch den Erfolg selbst demontiert hatte. Dadurch und durch das deutsche Unvermögen, Filme angemessen synchronisieren zu können. Beide Filme verbindet eine identische Geschichte. In erster Linie behandeln sie unsere Ur-Ängste. Sie sind mit unglaublich geringem Budget gedreht. Die Figuren tragen die realen Namen ihrer Darsteller. Das Internet hatte sich zum perfekten Werbeträger novelliert. Und beide sind zu ihrer Zeit die profitabelsten Filme der Geschichte geworden. Unumstößliches Vertrauen in das eigene Projekt macht sich manchmal eben doch im wortwörtlichen Sinne bezahlt.

Am Ende dieser Zeilen hat sich die Schlange natürlich selbst in den Schwanz gebissen. Doch es mag vielleicht auch sehr tröstlich sein, dadurch den einen oder die andere vom Besuch dieses Films abgebracht zu haben. Denn PARANORMAL ACTIVITY ist kein Film für Menschen, die bei Anbruch der Dunkelheit in jedem Zimmer, in das sie gehen, das Licht anmachen. Und keinesfalls ist er für Leute, die vor ihrer neuen Liebe nur den strammen Max raus kehren möchten, weil sie spätestens dann alles bitter bereuen werden, wenn sie alleine ins heimische Bett kriechen müssen. Ja, ja, es gibt die Zuschauer dort draußen, die vorgeben, gelangweilt gewesen zu sein. Oder solche, die einfach nur unbeeindruckt sein werden. Aber die meisten, das darf als später nicht nachprüfbares Versprechen gelten, die meisten werden sagen, was tausende andere schon meinten, „this shit scared the hell outta me“.
 
PARANORMAL ACTIVITY
Mitwirkende: Katie Featherston, Micah Sloat, Marc Fredrichs, Amber Armstrong, Tim Piper, Randy McDowell
Regie, Buch und Schnitt: Oren Peli - Kamera: Featherston, Sloat
USA / 2008 - 96 Minuten (Slamdance Filmfest) / 87 Minuten (aktuelle Veröffentlichung)

Kommentare  

#1 Laurin 2009-11-18 15:36
Hört sich durchaus interessant an und Horror beginnt ja nicht da, wo Leichenteile gestapelt und Blut in Literflaschen verkauft wird. Horror beginnt im Kopf immer dann, wenn Ängste nicht nur angesprochen sondern auch bis auf die Spitze getrieben werden!
#2 Mainstream 2009-11-18 21:56
-
Wenn Du auf Horror stehst, der im Kopf passiert, dann
seh' zu das Du ins Kino kommst. Ich kann es nicht oft
genug wiederholen: Es ist DAS Gemeinschaftserlebnis!
#3 Andrew P. Wolz 2009-11-20 11:27
Du schreibst im Kleingedruckten von zwei verschiedenen Laufzeiten. Die aktuelle Version ist die kürzere. Wurde da wegen der Altersfreigabe geschnitten oder um die Spannung zu erhöhen?

Und generell: Eigentlich hab ich jetzt fast zu viel Schiss, mir den Film anzuschauen...
#4 Mainstream 2009-11-21 07:44
-
Die erste Fassung des Films betrug 96 Minuten. Als sich
DreamWorks /Paramount entschlossen haben den Film
nicht neu zu verfilmen, wurde der Film um fast 10 Minuten
gestrafft und bekam mit einem Nachdreh ein neues Ende.

Das war dann die Kopie für Testvorführungen in 2008.
Für die endgültige Kinofassung wurde dann nochmals
für das Ende nachgedreht. Das wäre dann die aktuelle
Fassung mit 87 Minuten.

Angeblich hätte Steven Spielberg die gemachten Änderungen
vorgeschlagen. Die Gerüchte sagen aber auch, das Spielberg
den Film dank des Gruselfaktors gar nicht zu Ende sehen konnte
und vorzeitig aus dem Kino verschwand. Und das letzte
Gerüchte besagt, das er eine DVD-Kopie zuhause angesehen
hätte und diese dann in einer Mülltüte zurück ins Büro brachte.

Man kann sich aussuchen, welches Geschichte für einen
persönlich am schönsten klingt.
Im Übrigen kann man das Original-, also das erste Ende auf
diversen Plattformen ansehen.
ABER ERST NACHDEM MAN IM KINO WAR, gell.
#5 Andrew P. Wolz 2009-11-22 21:01
Jetzt bin ich aber erst recht neugierig geworden, obwohl ich noch nicht im Kino war: War das originale Ende nicht so gut, oder warum hat man ein neues gedreht? Kann man das spoilerfrei erklären?
#6 horror1966 2010-06-06 14:48
Sorry, aber das ist so ziemlich der langweiligste Film, den ich je gesehen habe, ich finde den sogar noch schlimmer als The Blairwitch Project. Im Normalfall liebe ich Filme, bei denen sich langsam Spannung und Atmosphäre entwickelt, doch war hier leider nichts davon spürbar.
#7 Laurin 2010-06-06 16:02
Jepp, hatte ihn gesehen als er bei uns im Nachbarstädtchen im Kino lief, aber so richtig gezündet hatte er bei mir auch nicht. Andererseits fand ich THE BLAIRWITCH PROJECT langweiliger!
Und um dies mal hier zu sagen, den zweite Teil von THE BLAIRWITCH PROJECT fand ich sogar besser und hatte ihn mir auch per DVD zugelegt (also nicht der Hammer, aber ich fand ihn doch unterhaltend).

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