Professor Zamorra 1229 - Alte Seelen
Professor Zamorra - Der Orden der Tausend
(Amulette-Zyklus, von Adrian Doyle)
1229 Alte Seelen
wir lernen die Familie Bouchard kennen, Vater Eugène, Mutter Chloé und Sohnemann Thierry, gerade 10 Jahre alt. der Kleine kann seit Monaten nicht schlafen, und will sich auch nicht mit den Schulkameraden abgeben, lieber liest er im Baumhaus, das ihm sein Vater gezimmert hat, Sachbücher verschlingt er geradezu, von Gruselromane liegen offenbar keine auf seinem SUB.
Schwenk ins mittelalterliche Frankreich, wir sind im Jahre 1270. der Junge Ote trifft das Mädchen Melisende, sie sind beide 13, und stehen vor einer altehrwürdigen Abtei. sie haben einen Ruf verspürt, den Ruf, an einem Kreuzzug teilzunehmen, und sich gemeinsam mit vielen anderen Jugendlichen auf den Weg gemacht. nun betreten sie euphorisiert die Abtei.
nochmal Schwenk, ins heutige Frankreich, zu Zammy und dem Mönch Gyungo Tensöng. gemeinsam untersuchen sie die Truhe, in der die 333 Amulette gefangen waren, und die dereinst fast das ganze Dorf St. Cyriac ausgerottet hätten. der Mönch spürt, das etwas in Leonardos Truhe um Erlösung fleht, als würden noch Fragmente der 333 Seelen an ihr haften. der Lama wird von dem Ansturm überwältigt und muss sich geschwächt zurückziehen. bei all dem sieht ihnen unbemerkt Kelan über die Schulter, der ja in einer Parallelwelt? -dimension? ebenfalls auch Château Montagne residiert. er kann nämlich mittels seines Amuletts in die andere Wirklichkeit schauen und sogar körperlich überwechseln.
zurück zum Jungen Thierry, der kann diese andere Dimension erkennen, wie ein doppelt belichtetes Foto erscheint ihm das Schloss, aus dem nun in der Nacht glitzernder Nebel ins Dorf fließt, auch in sein Haus, und dort Besitz von seinen Eltern ergreift. der Junge muss erleben, wie der Vater seine Mutter mit einem Küchenmesser abschlachtet, und sich dieses Messer dann selbst in den Hals rammt, was ihn aber nicht endgültig umbringt. Thierry kann entkommen, sein untoter Vater Eugène verschont ihn, aus Gründen.
als sich anderntags die Schloßköchin Madame Claire zum Schloß begibt, findet sie den Lama bewusstlos vor dem Schloß auf, und greift obendrein den herumschleichenden und blutverschmierten Thierry auf. Zamorra fährt zum Haus der Bouchards und trifft dort alles vor, wie es der Junge beschrieben hat - die Mutter tot, der Vater untot, letzterer übergießt im Garten sich mit Rasenmäherbenzin, und bevor er sich selbst immoliert, ruft er noch aus, dass die Blutlinie unterbrochen werden muss. Zamorra erlöst ihn mit seinem Amulett und kehrt zum Schloß zurück. dort trifft er den Lama im Zauberzimmer, Leonardos Truhe aber ist verschwunden. Gyungo Tensöng ist wieder topfit, es kommt heraus, dass sich die Seelenfragmente offenbar in ihm eingenistet hatten und so aus dem Schloß gelangten. entsetzt entdecken unsere Franzosen, dass Kelan offenbar zum Verschließen der Truhe bereits 333 Seelen geopfert hatte - und alles Kinder...
das ist das Stichwort für Herrn Weinland, wieder zu unseren Teenies im Mittelalter umzublenden. Ote und Melisende betreten Hand in Hand die Abtei, doch je weiter sie vorangehen, umso dunkler wird es, und letztlich treffen sie auf ihr Schicksal in Form von Kelan, dessen Amulett die grausige Szenerie silbern erleuchtet. der Meister des Ordens der Tausend schlachtet ein Kind nach dem anderen ab, um ihnen die Seele zu entreißen, und so enden auch die Leben unseres Pärchens hier.
zurück in der Gegenwart haben die Seelensplitter von den Dorfbewohnern Besitz ergriffen, sie fordern von Zamorra die Herausgabe des Jungen Thierry, um ihn letztlich ebenfalls zu ermorden. Nicole setzt ihren Dhyarra ein, sie hält die Herzen der Dörfler an, sodass diese tot umfallen, die Seelenfragmente entweichen den Leichen und werden von Zamorras Amulett reihum erledigt, ähm erlöst. zu guter Letzt setzt Nicole mit ihrem Zauberkristall die Herzen der Dorfbewohner wieder in Gang, sie laufen verwirrt aber lebendig wieder zurück. Ende gut, alles gut? nicht ganz. unser Meister des Übersinnlichen muss einen Rückschlag hinnehmen, denn Thierry ist plötzlich spurlos verschwunden - Kelan hat ihn zu sich geholt, denn schließlich ist der ja sein Urahn...
Herr Weinland geht es gemächlich an, zeigt uns Eitel Wonne Waschtrog, nur um uns langsam aber stet in den Abgrund zu ziehen. in Wahrheit lese ich da einen spannenden Kriminalroman, die Frage ist jedoch nicht who dunnit sondern who da fuck sind diese Seelenfragmente, was wollen sie, wie gelangen sie trotz M-Abwehr in die freie Wildbahn, und warum gehen sie auf die Bouchards los.
mit sparsam aber gezielt gesetzten und vor allem unerwarteten Gore-Szenen zerreißt der Autor die Idyllen, die er vorher noch aufgebaut hat. insbesondere der Tod der beiden Kinder hat mich wahrlich nicht kalt gelassen. gerade hier versteht es der Autor, in ganz wenigen Sätzen Bilder des absoluten Grauens zu zeichnen.
und es gibt am Ende des Romans wieder eine kleine Enthüllung, damit der Spannungsbogen bis zum nächsten mal hält.
sprachlich wieder ein echter Weinland - unaufgeregter Erzählstil mit wohl konstruierten Schachtelsätzen, gewürzt mit schön gedrechselten Formulierungen.
nicht verstanden habe ich, wieso der Junge von den wütenden Kinderseelen in seinem Elternhaus zunächst verschont wird, der Vater hätte ihn ganz leicht aus der Welt schaffen können... aber ok, dann wäre die Geschichte auch schon wieder aus gewesen.
mit dem Superkristall also known as Dhyarra habe ich auch so meine Probleme. nicht nur, dass mich der Name an eine Verdauungsstörung erinnert, ist mir das Ding einfach zu mächtig. Nicole knipst hier damit eben mal das halbe Dorf aus und wieder an.
manche Einlage dürfte Fanservice sein, wenn sich die Köchin Madame Claire künstlich aufregt, dass ihr die Zauberschülerin Lucia die Speisekammer umräumt. die Geschichte bringen solche Einlagen nicht voran, aber so manche/r Stammleser/in hat dabei wahrscheinlich ein wohliges Gefühl.
Bromance-Alarm: der Lama nennt Zammy "Yishi Norbu", wunscherfüllendes Juwel, der Meister wiederum spricht den Mönch mit "Freund der Freunde" an...
ich alte Bergziege meckere da wieder auf hohem Niveau, in Summe war das einfach ein sehr guter Roman, dem ich direkt 5 von 6 möglichen Gruselroman-Forum Punkten gebe.
das Titelbild von Kiselev Andrey Valerevich heißt "portrait of a roaring muscular man with burlap on his face, expressing rage and suffering", und zur Abwechslung kommt diese Szene tatsächlich im Roman vor, der untote Vater von Thierry steht halbnackt im Garten, tränkt ein Tuch seiner Frau mit Rasenmäherbenzin und legt es sich genauso über die Augen - bevor er es entzündet...



