Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Comic-Report: DC Vertigo – Die Anfänge

Comic-Report:
DC Vertigo – Die Anfänge

Vertigo steht wie kein anderes Imprint bei DC für Comics, das sich an ein erwachsenes Publikum richtet. 2020 wird das Label eingestellt und seitdem erscheinen eher halbherzig Comics vergleichbarer Art unter der Bezeichnung „Black Label“. Nun haben DC ein Einsehen und reaktivieren Vertigo ab dem Jahr 2025, das dem Leser in der Vergangenheit fantastische Stoffe wie Sandman, Preacher oder Hellblazer gebracht hat. Das ist eine gute Gelegenheit, um einen Blick auf die Entstehung dieses besonderen Labels zu werfen.

Ältere Leser werden die alte Diskussion unter Comiclesern noch kennen: Was ist besser? Marvel oder DC? Für Marvel spricht, dass die Charaktere geerdeter sind und Probleme mit sich herumtragen, die die Figuren hinter den Masken interessanter gestalten. DC hingegen hat die Big Guns im Gepäck. Gegen Superman oder Batman anzugehen scheint lange Zeit unmöglich. Mit den Jahren passen sich beide Verlage an die Vorzüge der Konkurrenz an, so dass diese Argumente im Laufe der Zeit verflüssigen. Ein weiterer Vorzug von DC ist allerdings dessen Vielfältigkeit. Vor allem unter dem Imprint Vertigo erscheinen Stoffe, die sich so gar nicht dem üblichen Superheldcomicgeschäft zuordnen lassen. Allerdings dauert es auch einige Zeit, bis die Leser für erwachsenere Themen bereit sind und die Verlage dies auch erkennen.

Bis in die späten 70er Jahre hinein sind Comics ein beliebter Zeitvertreib vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Die Superhelden-Titel erfreuen sich großer Beliebtheit. Ikonen, wie Spider-Man und Batman, sind allseits bekannt und die Verlage verkaufen ihre Ausgaben zu Hunderttausenden. Verglichen zu den Verkäufen jener Zeit, setzen die Verlage gegenwärtig nur noch einen Bruchteil ihrer einstigen Auflage ab. Längst haben die großen Superheldencharaktere das Medium gewechselt und haben sich ins Kino oder auf die Streamingkanäle verlagert.

Zum Ende der 70er Jahre ist ein Einbruch der Verkaufszahlen zu verzeichnen. Jugendliche verlieren das Interesse an den kostümierten Helden in ihren bunten Heftchen. Das aufkommende Privatfernsehen und sein umfangreiches Angebot verlagern das Freizeitverhalten vor den Bildschirm. Zu Beginn der 80er werden die ersten Spielekonsolen auf den Markt gebracht, die das Interesse der Kunden noch weiter von Printprodukten hin zu den Bildschirmen verlagern.

Viele jüngere Leser der 60er und 70er bleiben dem Medium Comic treu. Mit dem Alter steigt das Interesse an erwachseneren Stoffen, denn die Geschichten der klassischen Superhelden drehen sich bereits zu dieser Zeit im Kreis. Vereinzelte interessante Geschichten erscheinen immer wieder, im Kern aber sind die Storys der großen Helden auserzählt und beginnen sich zu wiederholen.

Ab dem Jahr 1972 veröffentlichen Len Wein und Bernie Wrightson die Horrorserie „The Saga of the Swamp Thing“. Zu Beginn der 80er Jahre bricht der Verkauf der Serie ein und Len Wein übergibt die Redaktion der Serie an die ehemalige Kunststudentin Karen Berger. Autor von Swamp Thing wird der unbekannte junge Brite Alan Moore, der sich wie viele seiner Landsleute bei dem englischen Magazin 2000 AD seine ersten Sporen verdient.

DC hatten schon vorher begonnen, die Ausgaben von Swamp Thing nicht mehr der „Comic Code Authority“ vorzulegen, einer Behörde, die in den 50er Jahren von der Comicindustrie selbst geschaffen wurde, um der Einstellung einiger bekannter Titel vorzubeugen.

Mit Swamp Thing wollen DC neue Wege beschreiten und Comics für Erwachsene machen. Die Geschichten sollen gewalttätiger sein und die Storybögen eine größere Komplexität haben, um den Ansprüchen der erwachsener werdenden Leserschaft zu genügen. Mit der Nummer 21 der zweiten Serie von „The Saga of the Swamp Thing“ erscheint die erste von Alan Moore geschriebene Episode „The Anatomy Lesson“. Er legt mit Zeichner Stephen Bissette eine grauenerregende Geschichte vor, die durchaus als eine Vorstufe zum anstehenden Vertigo-Imprint bezeichnet werden kann.

In den folgenden Jahren bemühen sich die amerikanischen Comicverlage darum, weitere britische Autoren in die USA zu locken. Vor allem DC platzieren einige Serien am Markt, die die Comiclandschaft nachhaltig verändern werden. Eine wichtige Rolle spielt hierbei Karen Berger, die den Kontakt nach Europa ausbaut und den neuen Autoren ermöglicht, ihre Geschichten abseits gewöhnlicher Comicmuster zu erzählen. Die Geschichten sind gewalttätiger, haben einen ausufernden Alkohol- und Drogenkonsum, beinhalten Schimpfwörter und zeigen die Protagonisten auch mal nackt. Damit heben sie sich von den üblichen Superheldengeschichten ab.

Es ist vor allem Berger zu verdanken, dass spätere namenhafte Autoren wie Neil Gaiman, Jamie Delano oder Grant Morrison ihren Weg zu DC finden. Neben Swamp Thing entwickelt sie mit den Autoren weitere Serien, die im Jahr 1993 zur Gründung des Vertige-Imorints führen werden.

Alan Moore und Steve Bissette führen in Swamp Thing in der Nummer 25 im Juni 1984 den okkulten Detektiv John Constantine ins DC Universum ein. Die Ambivalenz des Charakters findet schnell Anklang bei der Leserschaft und so erhält der kettenrauchende, trinkende und zynische Combatmagier seine eigene Serie „Hellblazer“ die im Januar 1988 das Licht der Welt erblickt. Autor der Serie ist Jamie Delano. Er gibt dem Charakter eine völlig neue Richtung. Ursprünglich im Superheldenuniversum platziert, muss sich John noch etwas mäßigen. In seiner eigenen Serie entwickelt er sich zu dem zwielichtigen Charakter, den die Leser mit den Jahren zu schätzen wissen.

1986 erscheint die sechsteilige Miniserie „Watchmen“, die von Alan Moore verfasst ist. Moore lässt die in Comics übliche, deutliche Teilung zwischen Gut und Böse hinter sich und hinterfragt das Handeln von Superhelden, die keiner Kontrollinstanz unterliegen. Erwachsene Themen beginnen auch in den klassischen Superheldenbereich hinüber zu schwappen. Mitte der 80er Jahre brechen die Verkäufe bei den Batman-Titeln ein und Redakteur Dick Giordano entwickelt zusammen mit Frank Miller die vierteilige Miniserie „The Dark Knight Returns“, die einen alternden Batman zeigt, der mitunter zu fragwürdigen Methoden greift. Miller kann bereits bei Marvels Daredevil erste Erfolge als Autor und Zeichner feiern und in der Serie erwachsenere Themen platzieren. Die beiden Miniserien werden große Erfolge und gelten bis heute als Meilensteine der Comicgeschichte.

Karen Berger platziert weitere Serien im DC Universum, die die Konventionen des klassischen Superheldencomics sprengen. Neben Swamp Thing und Hellblazer erscheinen in der Folge Doom Patrol, Animal und Shade. Zudem wird im November 1989 der erste Band der Serie „Sandman“ erscheinen, die wie keine andere Serie für Vertigo steht. Neil Gaiman soll eine zunächst 8-teilige Miniserie kreieren, in dem er einen alten Helden aus den 1940er Jahren wiederbelebt. Gaiman gibt der Serie eine völlig neue Richtung und erzählt die Geschichte des Traumkönigs Morpheus, der gegen seinen Willen über Jahrzehnte festgehalten wird.

Sandman wirkt wie eine Analogie zu den erwachseneren Comics der 80er Jahre. Die Geschichten sind in der normalen Kontinuität des DC Universums verankert und tragen lediglich auf dem Cover den Hinweis „Für erwachsene Leser empfohlen“. In den ersten 8 Ausgaben von Sandman ist die Nähe zu Superhelden noch spürbar und sogar die Justice League hat einen Auftritt. Gaiman wird sich von den kostümierten Helden lösen und erzählt in den 75 Ausgaben Geschichten, die bis heute nichts von ihrer wunderbaren Wirkung verloren haben.

Im Jahr 1992 schält sich immer mehr heraus, dass die Leser nach erwachseneren Stoffen verlangen. Karen Berger erhält von den Verlegern und der Chefredaktion den Auftrag, die Serien und unter einem Imprint zusammenzufassen und neue Stoffe am Markt zu positionieren. Das Vertigo-Imprint ist geboren und ab dem März 1993 erscheint die dreiteilige Miniserie „Death: The high cost of living, einem Spinoff von Sandman, erstmals unter dem neuen Vertigo-Banner.


Fortsetzung im nächsten Artikel


12/2024

 

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles