Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Tomten - das Gedicht von Viktor Rydberg

Abraham Viktor RydbergTomten - Midvinternattens köld är hård
von Viktor Rydberg

Das Gedicht um den Wichtel, der Nachts auf dem Hof der Familie nach dem Rechten sieht, erschien erstmals in der Ny Illustrerad Tidning (dt. Neue Illustrierte Zeitung), einer schwedischen Wochenzeitung aus Stockholm... 

... und zwar nicht etwa an Weihnachten, sondern am 19. Februar 1881.

Dabei ist Rydbergs Gedicht beileibe nicht das erste über den sagenhaften Tomte.

Tomte von Viktor Rydberg1870 beispielsweise erschien in der Ny Illustrerad Tidning ein Gedicht mit dem Titel "Jultomten", bei dem es sich auch um einen Hauswichtel handelte, in dem Fall sogar ausdrücklich um einen Weihnachtswichtel, der mit dem ihm zustehenden Julgröt (dem Weihnachtshaferbrei) den Weihnachtsabend beendet. Der Tomte war der gute "Hausgeist" (nicht unähnlich den Laren im antiken Rom), der auf Haus und Hof, Mensch und Vieh achtet, und im Gegenzug Wertschätzung und ein gewisses Maß an Opfergabe erwartet. 

Der Jultomten war nicht unbedingt mit dem "gemeinen" Hauswichtel gleichzusetzen, sondern konnte, je nach Wohlstand des Hofes, ein Wichtel sein, der allein die Aufgabe hatte, an dem besonders bedeutungsvollen Weihnachten auf den Hof zu achten, wie es bei besonders wohlhabenden Höfen auch jeweils unterschiedliche Tomtes für den Stall, das Haus, das Vieh oder den Getreidespeicher geben konnte.

Der Weg vom (Jul)Tomte zum Santa Claus, der heute vielfach als Bringer der Weihnachtsgeschenke gilt, hat viel mit der Vermischung von Tomten und Nikolaus zu tun, bis hin zu dem dicken Mann mit der roten Mütze, der heute mit Rentieren (ursprünglich durchaus auch mal mit Ziegen) über den Himmel zieht.

Eine unglaublich schöne Version des Gedichts in Schwedisch mit engl Untertiteln habe ich hier gefunden.

Wunderschön sind die Illustrationen von Harald Wiberg (1908-1986), die auch das Gedicht von Astrid Lindgren verschönern. Diese findest du hier mit dem schwedischen Originaltext

Anders als in der "entschärften" Variante von Astrid Lindgren, ist im Gedicht von Rydberg, das in seiner Gesamtheit als nicht unbedingt kindergeeignet erachtet wurde, jener Teil enthalten, in dem der Tomte über den Sinn des Lebens und die Quelle des Lebens nachsinnt. Dies ist es, was diese Menschen, die der Tomte seit Generationen begleitet - anders als er selbst - von ihm unterscheidet.

"[er] grübelt obwohl es nichts bringt,
über ein wunderliche Rätsel.
(...)
"Nein, dieses Rätsel ist viel zu schwer,
nein, das kann ich nicht raten" -
dann, wie gewohnt innerhalb kurzer Zeit,
schüttelt er die plagenden Gedanken ab,
geht, um seiner Arbeit nachzugehen,
geht zu den anliegenden Aufgaben.

(...)

So hat er sie gesehen,
Vater und Sohn,
durch viele Generationen
als Kinder schlummern; aber von wo
kommen sie wohl hier herunter?
Ahnen folgen Ahnen bald,
blühten, altern, gingen - jedoch wohin?
Das Rätsel, das sich nicht
erraten lässt, kam so zurück!"

Tomte von Viktor RydbergIn der Tat verbindet Rydberg, und das unterscheidet ihn und sein Gedicht da von vielen klassischen Weihnachtsgedichten, dieses Gefühl, dass man auf dem Hof nicht der alleinige Eigentümer ist, sondern es diesen Generationen alten Wichtel gibt, der (mit dem Menschen) die Aufgabe der Sorge für den Hof wahrnimmt, mit der christlichen Frage, woher der Mensch kommt und wohin sie gehen.

Der Tomte weiß jedoch durch die vielen Jahre seines Nachsinnens, dass er wohl Generation um Generation begleiten und beobachten kann, doch auch von den Schwalben, die im kommenden Frühjahr wieder zurückkehren, keine Antwort erhalten kann.

"(...) Tomte grübelt und denkt.

Still sind Wald und Umgebung alle,
das Leben dort draußen ist gefroren,
nur von fern vom Wasserfall
hört man ganz sachte das Brausen.
Tomte lauscht und halb im Traum
glaubt er den Strom des Lebens zu hören,
wundert sich wohin dieser geht,
wundert sich wo die Quelle wohl ist.
Die Kälte der Mitwinternacht ist hart,
die Sterne glitzern und glänzen.
Alle schlafen im einsamen Hof
gut bis zur Morgenstunde.
Der Mond senkt seine stille Bahn,
der Schnee leuchtet weiß auf Fichte und Tanne,
der Schnee leuchtet weiß auf den Dächern.
Nur Tomte ist wach."

In diesem Sinn von allen Mitarbeitern des Zauberspiegels an alle Leser, Freunde, Gönner und Kritiker die besten Weihnachtswünsche und einen Besuch von einem wohlmeinenden Jultomte (den Julgröt nicht vergessen!)

Kommentare  

#1 Erlkönig 2019-12-26 20:57
den Julgröt nicht vergessen

Geht auch Eierlikör? :-)
#2 Bettina.v.A. 2019-12-27 16:51
nein, Julgrt muss sein, sonst wird der Tomte ja bekanntlich leicht böse. Ich fand es sehr spannend mal bewusst in einem Artikel zu lesen, wie der Weihnachtsmann mit seiner roten Mütze und seinen Rentieren die Geschenke bringt, und im ergleich dazu den Jultomte mit seinen Julböcken und dem Anspruch darauf, Julgröt zu bekommen.
Interessanter Wandel :-).
Aber Eierlikör geht gar nicht, nur Glögg :-)
#3 Erlkönig 2019-12-27 21:19
Hatte ich irgendwie schon befürchtet. :-) Trotzdem gefällt mir der putzige Wichtel außerordentlich gut.
Danke fürs vorstellen.

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.