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Geld von einem Unbekannten - »Geheimnisvolle Erbschaft«

Geheimnisvolle ErbschaftGeld von einem Unbekannten
»Geheimnisvolle Erbschaft«

Vielleicht mögen „Oliver Twist“ und „Eine Weihnachtsgeschichte“ zu den populärsten Werken von Charles Dickens gehören, doch 2015 haben es vier andere seiner Romane auf die Liste der bedeutendsten britischen Romane geschafft: „David Copperfield“, „Bleak House“, „Dombey und Sohn“ sowie der 1860 und 1861 erstmals als Fortsetzungsroman erschienene „Große Erwartungen“, der im Jahr 1946 von keinem Geringeren als Sir David Lean kongenial als „Geheimnisvolle Erbschaft“ verfilmt wurde.

Geheimnisvolle ErbschaftDavid Lean (1908-1991) hat man heutzutage in erster Linie aufgrund seiner monumentalen, die Leinwände sprengenden Breitbildepen in Erinnerung, zu denen „Lawrence von Arabien“, „Doktor Schiwago“ oder „Die Reise nach Indien“ zählen. Der zweimal mit dem Oscar prämierte Regisseur, Produzent, Autor und Editor begann seine inszenatorische Laufbahn in den 1940er Jahren aber mit vergleichsweise bescheidenen, typisch englischen Filmen, die nichtsdestotrotz bereits sein enormes Talent offenbaren und ihrerseits zu Klassikern geworden sind. „Geisterkomödie“ ist Leans kongeniale Adaption von Sir Noël Cowards Bühnenstück „Blithe Spirit“, gefolgt vom romantischen Drama „Begegnung“, abermals auf einer Vorlage Cowards basierend. In beiden Fällen hatte Lean dabei schon eng mit Ronald Neame („Sein größter Bluff“) und Anthony Havelock-Allan („Ryans Tochter“) zusammengearbeitet, die nun mit Lean zusammen auch die Adaption von Charles Dickens‘ wegweisendem Gesellschaftsroman „Große Erwartungen“ besorgten. In ihren ersten Filmrollen sind darin sowohl Anthony Wager („Charles Dickens – Eine Weihnachtsgeschichte“) als auch Jean Simmons („Spartacus“) zu sehen, denen danach noch lange Karrieren in Film und Fernsehen beschieden waren.

Geheimnisvolle ErbschaftPips (Anthony Wager) Eltern sind bereits beide verstorben, weswegen der Junge nun bei seiner missliebigen, deutlich älteren Schwester (Freda Jackson) und deren gutherzigem Mann, dem Schmied Joe Gargery (Sir Bernard Miles), aufwächst. Bei einem Besuch am Grab seiner Eltern trifft Pip auf einen entflohenen Sträfling (Finlay Currie), den er mit Essen, Schnaps und einer Feile versorgt, damit sich dieser seiner Ketten entledigen kann. Magwitch wird trotzdem kurz danach wieder geschnappt und in Gewahrsam genommen. Einige Zeit später äußert die exzentrische Nachbarin Miss Havisham (Martita Hunt) den Wunsch, Pip möge bei ihr im Schloss spielen. Gerne kommt der Junge diesem Wunsch nach, und macht vor Ort die Bekanntschaft mit der liebreizenden Estella (Jean Simmons), die ihm aber die kalte Schulter zeigt. Jahre gehen ins Land. Pip (nun Sir John Mills) ist erwachsen geworden und erhält vom Londoner Anwalt Mr. Jaggers (Francis L. Sullivan) die Mitteilung, dass er von einem ungenannt bleiben wollenden Wohltäter ein stattliches Einkommen gezahlt und eine Wohnung in London gestellt bekommt. Dort logiert Pip schließlich gemeinsam mit Herbert Pocket (Sir Alec Guinness). Die beiden jungen Männer sollen sich zu Gentlemen entwickeln, legen aber sehr dekadente Verhaltensweisen an den Tag, die sie vielmehr als Snobs klassifizieren. Pip begegnet auch Estella (nun Valerie Hobson) wieder, die aber gerade im Begriff ist, sich mit dem hochnäsigen Bentley Drummle (Torin Thatcher) zu vermählen. Zeit für Pip, sein bisheriges Verhalten einmal zu überdenken.

Geheimnisvolle Erbschaft„Geheimnisvolle Erbschaft“ ist ein in wunderbaren Schwarz-Weiß-Bildern (Oscars für Guy Greens Kameraführung und John Bryans Ausstattung!) eingefangenes Aufsteigermärchen, das die für Charles Dickens übliche moralische Läuterung subtil in die Handlung einflicht. Das Setting ist gleichwohl ein anderes als bei Dickens‘ anderen, klassischen Waisenjungen-Geschichten. Durch die mysteriösen Hintergründe baut sich auch eine ordentliche Portion Spannung auf, die den knapp zweistündigen Film kurzweilig voranbringt. Zum Gelingen tragen nicht zuletzt auch die grandiosen Darsteller bei, die bis in die Nebenrollen hinein vortrefflich besetzt sind und die Dickens-Figuren glaubwürdig Gestalt annehmen lassen. Ein zeitloses Sozialdrama klassischen Zuschnitts, das man kaum überzeugender hätte umsetzen können. Die DVD-Wiederveröffentlichung in der Reihe „Pidax Film-Klassiker“ erfolgt als remasterte Ausgabe mit sehr gutem Bild (im Vollbildformat 1,37:1) und nicht zu beanstandendem Ton (Deutsch und Englisch in Dolby Digital 2.0). Die deutsche Synchronfassung ist aus dem Jahr 1971 und wurde für die Fernsehausstrahlung im ZDF erstellt, da die zeitgenössische Kinosynchronisation des Jahres 1947 als verschollen gilt. Das Bonusmaterial umfasst den englischsprachigen Original-Kinotrailer, eine größere animierte Bildergalerie, die auch seltene Setfotos und Aufnahmen des deutschsprachigen Publikums vor Kinoeingängen enthält, sowie den verkleinerten Nachdruck der „Film-Bühne“ (Nr. 53) als vierseitiges Booklet mit etlichen Fotos, Stab-, Besetzungs- und Inhaltsangaben.

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