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Das historische Kalenderblatt - 19. April 1713 - Das Hausgesetz von Karl VI.

Das historische Kalenderblatt19. April 1713 -
Das Hausgesetz von Karl VI.
 
Am 19. April, einem Mittwoch, erließ Kaiser Karl VI. jenes Hausgesetz, bekannt auch als "Pragmatische Sanktion", das die Erbfolge für die habsburgischen Erblande regeln sollte. Karl VI., seines Zeichens desginierter König von Spanien, römisch-deutscher Kaiser,  Erzherzog von Österreich und Souverän über die weiteren habsburgischen Erblande, des Weiteren König von Ungarn und Kroatien, König von Böhmen, stellenweise auch König von Sardinien, war der letzte männliche Regent aus habsburgischem Hause.

Mit seinem Tod würde knapp 27 Jahre später der Mannesstamm des Hauses Habsburg aussterben.
 
Ziel und Inhalt der Pragmatischen Sanktion war es, für seine Nachkommen die Regierungsübernahme über die österreichischen Länder zu garantieren. Dank dieser Regelung kam die große habsburgische Regentin Maria Theresia, Tochter von Karl VI., an die Macht.

Pragmatische Sanktion heißt jeder fürstliche, besonders kaiserliche Befehl, welcher meistens auf den Antrag einer Stadt oder Provinz in Bezug auf die öffentliche Verwaltung erlassen wird. Der Befehl, die Sanktion, heißt pragmatisch, weil sie nach sorgfältiger Berathung und Verhandlung, wie es die Wichtigkeit der Sache erfordert, gegeben wird. (...) Das Wort ist seitdem auch ferner im Gebrauche geblieben (...) und zwar ebenso für die Politik (es genüge, an die Anordnung Kaiser Karl’s VI. von 1713 und 1724 zu erinnern, durch welche in Form einer pragmatischen Sanktion (d.i. durch ein Hausgesetz) die habsburgischen Länder der Maria Theresia erhalten sollten.1

 
Kaiser Leopold I. HabsburgZum Verständnis - Der familiäre Hintergrund
 
Karls Vater, Leopold I. Habsburg, war drei Mal verheiratet gewesen und hatte insgesamt sechzehn legitime Kinder, darunter fünf Söhne.

Leopold seinerseits war ein Sohn von Kaiser Ferdinand II. Habsburg (auf Seiten der Kaiserlichen Gegner Wallensteins im 30jährigen Krieg) und Maria Anna von Spanien, einer Tochter des Königs von Spanien und Portugal. Aufgrund ihres Geschlechts kam Maria Anna von Spanien als Erbin des portugiesischen und spanischen Throns natürlich nicht in Frage – ihre männlichen Nachkommen jedoch unter Umständen sehr wohl.

Karl hatte so eine doppelte habsburgische Abstammung: Von Mutterseite durch die spanische Linie der Habsburger, auf Seiten seines Vaters Leopold aus dem österreichischen Hause Habsburg.

Abbildung der Habsburg in Aargau - Stammhaus der Habsburger Exkurs: Die Habsburger, die man heute vor allem als DAS Österreichische Geschlecht wahrnimmt, waren ursprünglich ein alemannisch-schwäbisches Geschlecht, das aus dem Aargau stammen dürfte. Dort, im (heute schweizerischen) Aargau, , befindet sich die Habsburg, die Stammburg des Geschlechtes. 1273 kam mit dem schwäbischen Grafen Rudolf I. von Habsburg erstmals ein Habsburger zur deutschen Königswürde. Mit Unterbrechungen waren sie das Geschlecht, das zunächst bis zum Tode Karls VI. und durch Maria Theresia als Begründerin der Habsburgisch-Lothringischen Linie bis zum Ende des Reiches 1806 den römisch-deutschen Kaiser stellten.
Joseph I. (1678–1711) und Karl, beide Jungen stammten aus der dritten Ehe von Leopold I. mit Eleonore von der Pfalz, waren die beiden einzigen männlichen Nachkommen, die ihren Vater überleben sollten. Da Joseph I. älter war als Karl, und dieser somit als Erbe der österreichischen Habsburger Linie – und damit des Reiches – nicht in Frage kam, war Karl als der zukünftige König von Spanien ausersehen. Alle männlichen Erben der spanischen Habsburger Linie waren nämlich bereits als Kleinkind gestorben oder ihrerseits ohne männliche Nachkommen.
 
Die spanische Habsburger Linie
 
In Spanien war das Haus Habsburg in Erbprobleme geraten. Durch die über Jahrhunderte geübte Heiratspolitik der deutsch-österreichischen und spanischen Linien untereinander war es zu nicht unerheblichen Inzestfolgen gekommen.
 
Karl II., König von SpanienAusgerechnet bei dem spanischen König Carlos II. (1661-1670), einem Neffen von Karls Mutter Anna Maria, wurden diese Folgen deutlich. Carlos II (Karl II.) wurde als körperlich behindert bezeichnet, es gibt zudem Hinweise auf geistige und ebenfalls seelische Behinderungen. Die Gesundheit von Karl II. war ständig labil, und bald nachdem klar wurde, dass er König von Spanien werden würde (sein Vater war gestorben als Karl gerade einmal 4 Jahre alt gewesen war), begann man am spanischen Hof mit Überlegungen und Planungen, wie man für den Fortbestand der spanischen Habsburger sorgen könnte. Eine passende Ehefrau musste gefunden werden. Tatsächlich heiratete Karl zwei Mal; beide Ehen blieben kinderlos. Man nimmt an, dass Karl impotent gewesen sei. Die Planungen veränderten sich – man versuchte nun eine Regelung der Nachfolge zu erreichen.

Auf diesem Weg kam die österreichische Linie der Habsburger ins Spiel: Die Ansprüche der österreichischen Linie der Habsburger waren unstrittig, und nach allgemeiner Rechtsauffassung war sie es, deren Ansprüche am größten waren. Würde Karl, der Sohn Leopold I. von Österreich, spanischer König werden, war zumindest der Verbleib der riesigen Landbesitze der spanischen Könige in Habsburger Hand gesichert.

Außer Österreich waren allerdings auch einige andere Regenten ausgesprochen interessiert, zum Beispiel Ludwig XIV. von Frankreich, dessen Ehefrau Maria Teresa eine Schwester von Karl II. gewesen war. Außerdem waren sowohl Ludwig XIV. als auch seine Königin Enkel von Phillip III. von Spanien.

Wappen derer von HabsburgDas österreichische Haus Habsburg hatte Karl (mit vollem Namen Karl VI. Franz Joseph Wenzel Balthasar Johann Anton Ignaz) als König von Spanien vorgesehen, auch Karl II von Spanien scheint diesem Gedanken nicht abgeneigt gewesen zu sein, denn man weiß von umfangreichen Verhandlungen zwischen Spanien und Österreich über dieses Thema. Leopold hatte sich angesichts der Gefahr eines Krieges, den er zu vermeiden trachtete, dazu bereit erklärt, einen anderen Erben als seinen Sohn Karl zu benennen: Joseph Ferdinand von Bayern, einen Wittelsbacher mit Habsburger Wurzeln. Als Enkel von Leopold stammte Joseph Ferdinand von einer Tochter aus Leopolds erster Ehe mit einer spanischen Infantin ab – und konnte so als spanischer Habsburger präsentiert werden.    

Da das Kind mit nur sechs Jahren 1699 starb, konnte dieser Plan nicht umgesetzt werden. Die Suche nach einem Erben, der beiden Seite genehm war, begann von Neuem. Man hatte mit dem Tod Karls II. schon seit Jahren gerechnet, entsprechend aktiv waren die Verhandlungen zwischen Österreich und Frankreich.

Dieses Mal versuchten Frankreich (an der Seite Englands) eine Aufteilung des spanischen Besitzes zu erreichen (dies beinhaltete außer Spanien beispielsweise auch die spanischen Niederlande oder die spanischen Kolonien, darunter Indien, Neapel oder Sizilien). Leopold sah sich außerstande, diesem Plan zuzustimmen.

Karl II. starb 1700 mit knapp 39 Jahren, und Philipp zog als Philipp V. von Spanien nach Madrid. Was genau im Vorfeld des Todes von Karl II. geschah, ist bis heute umstritten. Die Auseinandersetzungen zwischen Leopold I. von Österreich und Phillip von Anjou (Enkel von Ludwig XIV. und der französische Aspirant auf den spanischen Thron) konnten nicht beigelegt werden.

Sehr unterschiedlich sind in verschiedenen (historischen) Büchern (z.B. Pölitz) die Bewertungen für die Gründe, aus denen Ludwig XIV. sich dazu entschloss, seinen Sohn direkt nach Spanien zu schicken. Pölitz beschreibt, dass sich Ludwig XIV. in dem Zwiespalt befand, entweder die Interessen des 2. Teilungsvertrages zu brechen, oder aber gegen das Testament Karls II. zu entscheiden.
 
Der Spanische Erbfolgekrieg - Einer der Gründe für die Pragmatische Sanktion
 
Zu diesem Zeitpunkt war der Spanische Erbfolgekrieg eigentlich nicht mehr zu vermeiden, denn auch Leopold I. konnte unter diesen Umständen nicht einfach zulassen, dass Spanien durch die Krönung des französischen Dauphins zum spanischen König an Frankreich gehen würde.

England, über die Entscheidung Frankreichs sehr erbost, schlug sich auf die Seite Österreichs. Am 7. September 1701 kam es zum Vertrag zu Den Haag, in dem nicht nur England in ein Bündnis mit Österreich eintrat, sondern auch Portugal mit England. Zu dieser Allianz kamen neben Preußen noch der Deutsche Bund, so dass Ludwig XIV. sich in einer isolierten Position wiederfand.

Der Krieg, der sich aus den Auseinandersetzungen entwickelte, sollte bis 1713/14 dauern. Man focht in unterschiedlichen Koalitionen, auch ein Wechsel der Seiten war nichts Unmögliches. So schlug sich der Herzog von Savoyen, zunächst auf Seiten Ludwigs XIV. und immerhin Schwiegervater von Ludwigs Sohn Philipps von Anjou, zur Partei Leopolds. Verschiedene Kurfürsten Deutschlands hingegen verließen die Front des Bundes und liefen zu Ludwig über. Die meisten dieser Interessenswandlungen waren – wenig erstaunlich – durch Versprechungen der einen oder anderen Seite auf Land, Geld oder Macht begründet.

In Ungarn, das dem Österreichischen König unterstand, standen zudem Aufstände des ungarischen Adels zu erwarten, die von Seiten Frankreichs nur zu gerne unterstützt wurden.

Die damit verbundenen Kämpfe zogen sich über das gesamte Europa und griff auch auf die Kolonien über. Erzherzog Karl – als designierter König von Spanien als Karl IV. bezeichnet – ging nach Portugal und versuchte von da aus nach Spanien zu gelangen. (Eine detaillierte Beschreibung der Kämpfe findet sich ebenfalls in Pölitz).

Während des Spanischen Erbfolgekrieges geschah viel am österreichischen Hofe: 1705 starb Leopold I. von Habsburg, 1711 sein Nachfolger unter der Kaiserkrone, Joseph I., der Bruder Karls VI. Somit war Josephs gesamte Regierungszeit mit dem Spanischen Erbfolgekrieg ausgefüllt. Karl, zu der Zeit mit Hilfe der britischen Truppen in Barcelona, gelang es nicht, auf Dauer die Macht über Spanien an sich zu bringen.

1709, Ludwig XIV. war zu diesem Zeitpunkt in akuter Geldnot, bot in Den Haag einen Frieden an, der auf Betreiben der großen Streiter der anderen Parteien nicht zustande kam.
 
Kaiser Karl VI. HabsburgKarl VI. wird römisch-deutscher Kaiser 
 
Joseph I. war hinsichtlich seiner Erbfolge wenig Glück beschieden. Zwar wurden ihm und seiner Ehefrau drei Kinder geschenkt, nur eines davon war jedoch ein männlicher Nachkomme, der noch dazu im Alter von nur knapp einem Jahr wieder starb. Da Joseph zudem alles andere als monogam lebte, infizierte er zunächst sich selbst, später dann auch seine Frau Amalia Wilhelmine, die so schwer erkrankte, dass sie keine weiteren Kinder mehr bekam.

Dies bedeutete, dass in Wien dem österreichischen Zweig der Habsburger kein männlicher Erbe aus Josephs Linie zur Verfügung stehen würde. Aus diesem Grund kam es immer häufiger zu Kontakten zwischen Wien und Barcelona, dem Sitz Erzherzog Karls, da dieser mit einem Mal zwei Erben zugleich für die Habsburger liefern musste.

 

Karl, dem es bisher noch nicht gelungen war seinen Titel in Spanien anzutreten, wurde überraschend 1711 zum Kaiser in Österreich.

Damit wären Österreich und Spanien in einer Hand gewesen, sollte es Karl VI. gelingen, Spanien unter seine Regentschaft zu bekommen. Für die befreundeten Allianzmächte war diese Machtfülle eindeutig zu groß. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Bereits im Oktober 1711 trat England aus dem Bündnis aus, nur vier Tage später wurde Karl als Kaiser Karl VI. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gewählt.

So hatte Karl VI. eine enorme Machtfülle angesammelt, auch wenn dies zur Zeit einer Geburt nicht abzusehen war. Seine Titel umfassten
  • Römisch-deutscher Kaiser (gewählt durch die deutschen Kurfürsten als deutsche König, inzwischen gleichgesetzt – auch ohne päpstliche Krönung – mit der Kaiserkrone
  • Erzherzog von Österreich und Souverän über die weiteren habsburgischen Erblande (in Nachfolge seines Bruders Joseph I. durch die Linie Habsburg)
  • König von Ungarn und Kroatien (Teile der Slowakei, Burgenland  und West-Kroatien unterstanden bereits seit dem 16. Jahrhundert Österreich und damit den Habsburgern.
  • König von Böhmen (1526 wurde Ferdinand I. von Habsburg durch die böhmischen Stände zum böhmischen König gewählt. Im Verlauf des 30jährigen Krieges und danach konnte sich Böhmen nicht mehr aus der Herrschaft durch die Habsburger lösen)
  • stellenweise auch König von Sardinien (1714 nach dem Spanischen Erbfolgekrieg von Spanien erhalten, tauschte Karl VI. es 1720 gegen Sizilien an das Haus Savoyen ab, das aus Savoyen, Piemont und Sardinien das Königreich Sardinien-Piemont formte. Es ist anzunehmen, dass dies aus Dankbarkeit des österreichischen Hauses Habsburg gegenüber Prinz Eugen von Savoyen geschah, der als militärisches und politisches Genie die Schicksale Österreichs in jener Zeit nicht unerheblich mitprägte).
Die Pragmatische Sanktion
 
Als zentrales Streben Karls VI. zeichnete sich eine Vermeidung der Geschehnisse ab, die zum Krieg um die spanische Erbfolge geführt hatten. Nicht nur hatte er Unsummen verschlungen, er hatte zudem das Land geschwächt, die Folgen für die beteiligten Herrscherfamilien waren nicht absehbar.  Dies wollte Karl um jeden Fall verhindern. Wie es scheint, wurde die Durchsetzung dieses Ziel eines seiner Hauptanliegen.
 
1708 hatte Karl VI. die Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel geheiratet. Mit ihr hatte er insgesamt vier Kinder, darunter jedoch „nur“ einen Sohn, den ersehnten Stammhalter und Erbprinzen Leopold Johann. Am 13. April 1716 geboren, starb er bereits nach wenigen Monaten. Noch drei Töchter wurden dem Kaiser geboren, darunter die bereits erwähnte Maria Theresia.

Sein Mittel der Wahl war die sogenannte „Pragmatische Sanktion“. Dort wurde festgelegt, dass im Sinne der „Primogenitur“ (Erstgeburtsrecht) der jeweilige erstgeborene männliche und weibliche Nachkomme die österreichischen Länder ungeteilt regieren sollte. Erst wenn diese ausgestorben seien – also wenn die Linie der Familie Karls VI. und seiner Nachkommen erloschen sei, würden die Töchter seines älteren Bruders Joseph (oder ihre Nachkommen) das Recht auf den Thron haben. Mit diesem Erlass hob Karl die Erbfolge des salischen Gesetzes auf, das die Nachfolge von Töchtern ausschloss.

Im Jahre 1713 erlassen, also noch vor dem offiziellen Ausgang des Spanischen Erbfolgekrieges und zu einem Zeitpunkt, als noch alle Möglichkeiten für die Geburt eines Sohnes für Karl offen waren, macht dies deutlich, wie wichtig Karl eine klare Regelung war, mit der das Reich als Einheit erhalten werden sollte.
 
Urkunde  - prag. Sanktion

Sanctio Pragmatica
Jhro Kaiserl. Majestät haben auf den 19ten April 1713. um 10 Uhr allen Dero allhier in Wien anwesendem gewöhnlichen Ort zu erscheinen ansagen lassen; als nun die bestimmte Stund herbey gekommen, haben sich Ihre Kaiserl. Majestät in Dero geheimen Raht-Stuben unter den Baldakin begeben, und vor dem gewöhnlichen Kaiserl. Tisch gestellet, darauf auch Dero Geheime Raht und Ministros hinein beruffen; diese seynd, in ihrer Ordnung, eingetretten, und jeder an seinem Ort stehend geblieben, (...)

 
Dies sind nur die ersten Sätze der Pragmatischen Sanktion. Es folgt eine Aufzählung der Zeugen / Berater, die bei der Verkündigung der Sanktion durch Karl VI. anwesend waren, darunter auch Prinz Eugen. 
Der gesamte Text ist unter anderem auf der Seite heraldica.org zu finden. 

 

Er schickte Gesandte an alle Höfe Europas mit der Schilderung seines Anliegens und dem Ersuchen, seinem Plan zuzustimmen. Die meisten Staaten, darunter Preußen, Russland, Frankreich, Großbritannien und Spanien stimmten in der Tat zu – und versprachen, nötigenfalls mit Waffengewalt einzugreifen, falls man versuchen sollte, die Umsetzung zu verhindern.
 
Vehse schreibt, dass Karl VI. in seinem Bestreben die Erbfolge zu sichern, die allgemeinen und öffentlichen Interessen des Deutschen Reiches den familiären Bedürfnissen des Hauses Habsburg unterordnete.  Offenbar investierte Karl eine nicht unerhebliche Menge Geldes darin, die Minister zu bestechen und so ihre Zustimmung zu erlangen. Nicht ohne Sarkasmus erwähnte Eugen von Savoyen es wäre vermutlich besser gewesen, wenn Karl dieses Bestechungsgeld in den Ausbau des Militärs gesteckt hätte, denn „zweimahlhunderttausend Soldaten auf Beinen würden der Erbtochter mehr Gehör verschaffen“. 
 

Für das gesammte Europa nicht minder als für den östreichischen Staat war die Bestimmung der Erbfolge in lezterem von höchster Bedeutung. Die geringste Unbestimmtheit bedrohte den ganzen Welttheil mit den Schrecken eines Successionskriegs und mit heilloser Zerrüttung aller mühsam gegründeten politischen Verhältnisse. Aber nur daß eine Bestimmung statt finde, nicht eben, welche es sey, war europäisches Anliegen. Lezteres mußte der einheimischen Gesezgebung Oestreichs überlassen bleiben. Auch hatte Karl VI. schon 1713 eine Erbfolgeordnung für sein Haus gesezgebend verkündet. Er war damals noch völlig kinderlos, und ein blutiger Hader über sein Erbe, falls er also stürbe, schien unvermeidlich. Denn das Testament K. Ferdinands I. und die Cessionsakte K. Leopolds I. über Spanien an seinen Sohn Karl, sezten, außer einigen, nur die damaligen Umstände betreffenden Punkten, im Allgemeinen blos die Unzertrennlichkeit der östreichischen Staaten fest.2 

 
Im Polnischen Erbfolgekrieg, im Frieden von Wien, im Frieden von Belgrad - Karl VI. war immer wieder zu Zugeständnissen bereit, wenn die anderen Staaten im Gegenzug im Sinne der Pragmatischen Sanktion handelten.
 
Maria Theresia war in Sorge um ihren Vater gewesen. Sie fürchtete ebenso um sein Leben wie um die Sicherheit ihres Aufstiegs auf den Thron. Sollte Karl noch während des Krieges gegen die Türken sterben, bestand die Gefahr größerer Unruhen im Inneren der habsburgischen Erbstaaten, die sie unter Umständen nicht in den Griff bekommen konnte. 1739 kam es zum Frieden von Belgrad zwischen Österreich und der Türkei. Tatsächlich gelang es so, vor dem Tode Karls zu einem Frieden zu kommen.
 

Er ließ die Josephinischen Prinzessinnen bei ihren Vermählungen nach Sachsen und Baiern auf die Erbfolge in Österreich Verzicht leisten, und die Stände der Erbstaaten das von ihm errichtete Gesetz förmlich enerkennen. Dieß geschah zuerst im Jahre I720 auf den Landragen in Oesterreich und in Schlesien; dann im Jahre 1722 in Ungarn und Siebenbürgen; im Jahre 1723 in Böhmen; zuletzt im Jahre 1724 in den Niederlanden. Auch die auswärtigen Mächte sollten für die Sanction Gewähr leisten.3

 
 

 

Erfolg - oder Misserfolg - der Pragmatischen Sanktion
 
Am 20.10.1740 starb Karl VI. in Wien. 1740 war ein Jahr der „großen Todesfälle“. Außer Karl VI. starb Friedrich Wilhelm I. von Preußen, ebenso die russische Zarin Anna.
 
Bald wurde deutlich, dass Karls Bemühungen nicht von ausgesprochen großem Erfolg gekrönt wurden. Trotz der Pragmatischen Sanktion – und den Zusicherungen der verschiedensten Staaten diese zu beachten und zu unterstützen, stürzte man sich, von Innen wie von Außen, auf Östereich und versuchte, Maria Theresia am Antritt ihres Erbes zu hindern.
 
Manche strebte eine Teilung Österreichs an, sehr ähnlich der polnischen Teilungen späterer Zeiten. Halb Europa erhob sich gegen Maria Theresia, und ihre Feinde hätten sie am Liebsten als die Großherzogin der Toskana gesehen – dem Besitz ihres Ehemannes. Noch zu Karls Lebzeiten (am 12. Februar 1736) hatte Maria Theresia den Großherzog von Lothringen geheiratet, einen jungen Mann namens Franz Stephan. Als Herzogin eines kleine, unbedeutenden Landes wäre sie "kalt gestellt" gewesen. Eugen von Savoyen hatte sich vor der Hochzeit Maria Theresias vergebens darum bemüht, eine eheliche Verbindung zwischen ihr und Friedrich II., damals Kronprinz von Preußen, zu erreichen. Eine solche Heirat hätte für eine schier unfassbare Veränderung der Machtverhältnisse in Europa gesorgt. Zu dieser Heirat kam es jedoch nicht, offenbar vor allem aufgrund von Maria Theresias Ablehnung.

Inner- wie außerhalb Österreichs kam es zu erheblichen Kämpfen: In Wien brachen nach dem Tod Karls Unruhen aus, da die Menschen nicht mehr bereit waren die hohen Preise für Lebensmittel  zu tolerieren. Das Militär erhielt den Befehl für Ruhe zu sorgen. Nur acht Wochen nach dem Tod von Karl überrannte Friedrich mit seinen Truppen das österreichische Schlesien, während am gleichen Tag der preußische Unterhändler Baron Gotter in Wien vorsprach, um im Namen Friedrichs einen Handel anzubieten: Die Überlassung vier schlesischer Provinzen in Gegenleistung für die militärische und finanzielle Unterstützung.
 
Karl Vocelka schreibt über Karl VI:

Obwohl er so lange regierte – was in anderen Fällen die Mittelmäßigkeit der Herrscherfigur verdecken konnte – erfreute sich Karl (...) keiner großen Beliebtheit, er taucht vorwiegend als Vater Maria Theresias und als Verfechter der `Pragmatischen Sanktion`auf.4


Kurz nach dem Tod ihres Vaters, am 21. November, machte Maria Theresia ihren Mann zum Mitregenten und übertrug ihm die Herrschaft über Böhmen.
 
Binnen kurzem war es zu zwei Bündnissen gekommen, die im sich im Österreichischen Erbfolgekrieg gegenüber standen. Wie auch bereits im spanischen Erbfolgekrieg waren diese Bündnisse nicht unbedingt stabil. An Österreichs Seite stand Russland, Sachsen, die Niederlande (im Widerstand gegen Spanien), auf der anderen Spanien und Frankreich gemeinsam mit Preußen und Bayern. England war zunächst auf Maria Theresias Seite, entschied sich dann jedoch für eine Neutralität.
 
Gegen diese Koalition konnte Maria Theresia sich kaum behaupten, als dann auch noch Sachsen sich aus dem Bündnis löste, war Maria Theresia in der schwächeren Position. Sie wählte einen Waffenstillstand mit Preußen, während ihre Gegner bereits darüber berieten, was mit den österreichischen Besitzungen geschehen sollte.

1741 marschierten Truppen in Österreich ein, 1742 wurde der Wittelsbacher Karl Albrecht von Bayern, ironischer Weise der Ehemann von Maria Theresias Schwester Maria Amalie, von den Kurfürsten zum Kaiser gewählt.

Das Bemühen von Karl VI., die Regentschaft des Hauses Habsburg mit Hilfe der Pragmatischen Sanktion zu sichern, schien damit gescheitert – bis bekannt wurde, dass ein Graf Khevenhüller München hatte einnehmen können. Wieder wendete sich das Blatt, und Maria Theresia musste auf Schlesien verzichten. Diplomatisches Geschick führte zu einem Separatfrieden mit Preußen, so dass Maria Theresia Böhmen erobern konnte, wo sie sich zu Königin krönen ließ.

Zu Maria Theresias Glück starb Karl Albrecht, gekrönter Regent in Deutschland als Kaiser Karl VII., am 20. Januar 1741. Bayern, Karl Albrechts Stammland, löste sich aus der Koalition gegen Österreich und sorgte dafür, dass bei der Wahl eines Nachfolgers auf dem deutschen Thron Franz Stephan von Lothringen (Maria Theresias Mann) als Franz I. zum Kaiser gewählt wurde. Auch dies führte nicht zu einem Frieden, erst im Oktober 1748 kam es zu einem Frieden.
 

Maria Theresia genoß unzweifelhaft einer hohen Popularität: Sie gewann die gutmüthrigen Oestreicher durch ihre Gutmüthigkeit und durch ihre seltene Lebhaftigkeit und Munterkeit. Als einen Beweis ihrer Gutmüthigkeit sahen ihre guten Oestreicher es allgemein dankbarlichst an, daß sie ihnen allen Audienz gab.5

 
Am 13. März 1741 war Maria Theresia der Erbprinz Joseph geboren worden, vier weitere Söhne folgten, so dass man davon ausgehen konnte, dass die neue Habsburgische Linie (Habsburg-Lothringen) auch in Zukunft die Geschicke Österreichs lenken würde. Joseph wurde 1764 zum römischen König gewählt, im Jahr darauf, nach dem Tod seines Vaters, wurde er als Joseph II. zum Kaiser gekrönt.
 
Prinz Eugen von Savoyen schrieb am 20.2.1736, wenige Tage nach der Hochzeit Maria Theresias an den Grafen von Waldstein einen Brief, in dem er unter anderem seiner Zufriedenheit – und seiner Bedenken – hinsichtlich der Pragmatischen Sanktion äußerte:

Die Pragmatische Sanktion erhält nur dann ihre Wirkung, wenn der Staat sowohl die politische als militairische Kraft hat, sie zu handhaben. (...)6



Ebenso ahnungsvoll verfasste er knapp vier Wochen später einen weiteren Brief an einen Baron von Wassenaer, in dem er einen ähnlichen Gedanken äußerte:

Aber, Sie kennen unsere schwankenden Verhältnisse etc. – man fragte mich, wo denn jetzt wohl noch ein Krieg so leicht sich ergeben könnte? Ich wusste aus Mitleid nichts anderes zu sagen als: `in dem weiten Felde der pragmatischen Sanktion.`7

 
 
Zitate:
1 Johann Jakob Herzog, siehe unten

2 Carl von Rotteck, siehe unten
 
3  Karl Friedrich Becker (...), siehe unten
 
4 zitiert in: Alois Niederstätter, siehe unten
 
5-7 Vehse, siehe unten
 
Bildernachweise:
  • Habsburg: Die Habsburg, Wappenbuch des Hans Ulrich Fisch, 1622
  • Herrscher: Joseph Hormayr zu Hortenburg (Freiherr von) - Oesterreichischer Plutarch, oder, Leben und Bildnisse aller Regenten und der berühmtesten Feldherren, Staatsmänner, Gelehrten und Künstler des österreichischen Kaiserstaates, Band 9-12, Verlag A. Doll, 1807
 
 
Quellen:
 
  • Alfred Arneth (Ritter von) - Prinz Eugen von Savoyen, Verlag Herder, 1864
  • Karl Friedrich Becker, Johann Wilhelm Loebell, Karl August Menzel, Johann Gotfried Woltmann - Weltgeschichte Band 9, Verlag Duncker und Humblot, 1837
  • Friedrich Cast - Historisches und genealogisches Adelsbuch des Grossherzogthums Baden: Nach officiellen, v. d. Behörden erhaltenen, u. a. authent. Quellen, Verlag Cast, 1845
  • Adolf Geisler - Geschichte der neueren Zeit: (1500 - 1815) In biographischer Form, Veröffentlicht 1853
  • Johann Jakob Herzog - Real-encyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Verlag    R. Besser, 1860
  • Alois Niederstätter - Geschichte Österreichs W. Kohlhammer Verlag, 2007
  • Maximilian Oertel - Genealogische Tafeln zur Staatengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts: nebst einer genealogisch-statistischen Einleitung, Verlag F.A. Brockhaus, 1857
  • Karl Heinrich Ludwig Pölitz - Die Weltgeschichte für gebildete Leser und Studierende, Band 3, Verlag Hinrichssche Buchhandlung, 1830
  • Carl von Rotteck - Allgemeine Geschichte vom Anfang der historischen Kenntniss bis auf unsere Zeiten: Fur denkende Geschichtfreunde, Verlag Herder, 1833
  • Eduard Vehse, Geschichte des Östereichischen Hofs und Adels und der östreichischen Diplomatie Band 1, Band 7, Band 8, Band 9
    aus: Geschichte der deutschen Höfe seit der Reformation, Verlag Hoffman und Campe, 1851
  • Wikipedia.de
  • heraldica.org

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