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Go West! - 21. Juni 2014

Go WestEine Reise in den ›Wilden Westen‹
21. Juni 2014

Jedes Jahr führe ich zwei kleine Reisegruppen durch den Westen der USA.

Dazu lege ich in Facebook ein Reisetagebuch an, das auch im Zauberspiegel erscheinen soll. Es geht zu legendären Orten des Wilden Westen auf den Spuren von Cowboys, Indianern und eines spannenden Stücks Geschichte. - Folgt mir ...


Go WestSalt Lake City
Vom Promontory Point aus ging es weiter nach Salt Lake City, in die Hauptstadt des Staates Utah – und die Hauptstadt der Kirche der Mormonen („Church of Jesus Christ of Latter Day Saints“).

Wer in diese sehr saubere, parkähnliche Stadt kommt vergisst, dass hier einst eine nackte Salzwüste war.

Wie immer man zu den Mormonen steht – sie haben eine der bedeutendsten Pionierleistungen in der Besiedelungsgeschichte der USA erbracht.

Der Platz hier reicht nicht aus, die vollständige Geschichte der Mormonen zu erzählen. In den 1820er Jahren hatte der Farmerjunge Joseph Smith die Vision einer Engelserscheinung. Der Engel Moroni führte ihn zu einer Höhle, in der sich goldene Tafeln befanden, auf denen der Prophet Mormon ein vergessenes Buch der Bibel niedergeschrieben hatte. Smith wurde in den Stand gesetzt, dieses Buch ins Englische zu übersetzen. Das „Buch Mormon“ wurde zur Grundlage einer neuen christlichen Lehre, die unglaublichen Erfolg hatte – bis heute.

Die Anhängerschar von Joseph Smith wuchs rasant. Gleichzeitig wuchs die Gegnerschaft im übrigen Amerika. Zu den umstrittensten Lehren dieser Kirche gehörte das Recht der Vielehe (Polygamie). Tatsächlich praktizierten nur wenige Mormonen diese Lehre, aber sie wurde ein Hauptgrund der öffentlichen Anfeindungen.

Um die Geschichte abzukürzen: Die Mormonen wurden aus Missouri vertrieben. Sie wurden aus Illinois vertrieben, wo sie eine blühende Stadt aufgebaut hatten (Nauvoo). Joseph Smith und sein Bruder wurden unter fadenscheinigen Gründen verhaftet und von einem Mob gelyncht.

Die Führung der Kirche übernahm der älteste Apostel, Brigham Young, der zu einer der dynamischsten Persönlicbkeiten der amerikanischen Geschichte gehört. Er führte die Mormonen auf den langen Treck nach Westen, um „das neue Zion“ zu suchen. Sie zogen mit Handkarren – Planwagen waren zu teuer – quer durch die Plains und Prärien und erreichten 1847 das Tal des Großen Salzsees. Hier glaubten sie, ihre Ruhe zu finden, aber bald setzten die großen Siedlertrecks nach Westen ein. Die Mormonen überdauerten unter der Führung Youngs sogar gegen einen massiven Militäreinsatz 1857.

Sie bauten Salt Lake City als eine zukunftsweisende Stadt mit vielen kulturellen Einrichtungen, die bis heute bestehen. Durch unermüdlichen Fleiß brachten sie Utah zum Blühen. Brigham Young war geschickt genug, die Mormonen von einer Außeneiterrolle in die Mitte der amerikanischen Gesellschaft zu führen. Salt Lake City war Pony Express- und Telegraphen-Station, und nördlich der Stadt wurde die erste Transkontinentaleisenbahn fertiggestellt – ein Prestigeprojekt, das die Bedeutung des Mormonenstaates hob.

Sie gründeten die ersten Universitäten im Westen und schufen wenige Tage nach ihrer Ankunft 1847 einen Chor, der heute zu den besten der Welt zählt, der Tabernakel-Chor, der seit den 1940er Jahren jeden Sonntag Konzerte im amerikanischen Fernsehen gibt – wer Gelegenheit hat, diese Konzerte Live zu erleben, wird beeindruckt sein.

1890 schaffte die Kirche die Polygamie ab und machte Frieden mit dem amerikanischen Staat. Seither besetzen viele Mormonen prominente Positionen in Staat und Gesellschaft.

Es ist keine Frage, dass das Mormonentum theokratische Strukturen hat – noch heute; das scheint die Mitglieder aber nicht zu stören, und der Zulauf zu dieser Kirche ist überwältigend. Der Stadt Utah gehört zu den Bundesstaaten der USA mit der höchsten Bildung und der geringsten Kriminalität. Weltweit hat die Mormonenkirche heute zwischen 15 und 16 Millionen Mitglieder, davon ca. 6 Millionen in den USA.

Der Tempeldistrikt in Utah ist – wie die ganze Stadt – ein eindrucksvolles Beispiel überlegter Planung, die in Jahrhunderten denkt. Der große Tempel, den Nicht-Mormonen nicht betreten dürfen, wurde in ca. 40jähriger Bauzeit errichtet und um 1890 eingeweiht.

Mehr über die ungemein komplexe, interessante Geschichte der Mormonen zu schreiben, würde den Rahmen dieses Facebook-Postings sprengen. Meinen Reisenden habe ich natürlich an Ort und Stelle weitaus mehr erzählt.

Ich werde am 27. Oktober einen umfangreichen Vortrag über die Geschichte der Mormonen vor dem Arizona Club im GOLD INN in Dresden halten. Genauere Informationen werden noch auf Facebook folgen.

Die Bilder zeigen den Tempel, einen Blick in den Tabernakel - ein sensationelles Gebäude, das ohne einen Metallnagel erbaut wurde und über eine einzigartige Akustik verfügt - und das Denkmal für die Handkarrenpioniere, die Tausende von Meilen durch Wildnis bis zum Großen Salzsee zogen.

Go WestColorado National Monument
Von Salt Lake City kommend, erreichten wir gestern wieder den Staat Colorado und durchfuhren das „Colorado National Monument“, eine atemberaubende Landschaft, die genau wie der Arches Park in Utah zum geologischen System des Colorado Plateau gehört.

Um 1907 war dieses Gebiet erstmals von John Otto durchstreift worden, einem 1870 in Missouri geborenen Prospektor und Naturfreund, einem Freigeist, der sich in den bizarren Canyons niedergelassen hatte und einerseits (erfolglos) nach wertvollen Erzen suchte, andererseits den Traum verfolgte, dieses Wildnisgebiet der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und auf Dauer zu erhalten. Seine Leidenschaft für dieses Gebiet war ebenso grenzenlos wie seine Exzentrik. Er arbeitete zeitweise in Grand Junction am Bau der Wasserleitungen, um Geld für seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Gleichzeitig machte er den Schutz dieser Region zu seinem Lebensziel.

1907 schrieb er in einem Brief: „Ich fand im vorigen Jahr diese Canyons, die mir als das Iherz der Welt erscheinen. Ich werde bleiben und diesen Platz förden wie ich nur kann damit er zum Nationalpark wird.“

Vom Erfolg seiner Bemühungen überzeugt, begann er in Eigenarbeit Trails anzulegen, auf denen spätere Besucher dieses Gebiet erkunden sollten. Er bombardierte die lokalen Politiker und Zeitungen, sowie die Handelskammer mit Briefen und erreichte schließlich, daß sich ab 1909 die Presse Colorados hinter ihn stellte. Am 24. Mai 1911 wurde die Region zum „Colorado National Monument“, und John Otto wurde der erste Park-Ranger – für 1 Dollar im Monat.

Einer der Gründer des Nationalpark-Service, Horace Albright, sagte: „Otto war ein wunderbarer Führer, er kannte jeden Zoll des Gebiets, das er wie ein persönliches Königreich behandelte.“

Er legte in Eigenarbeit Treppen und Wege an, war ständig mit seinen Maultieren, mit Hacke und Schaufel unterwegs. Er hatte kein Haus, keine Wohnung, lebte in einem Zelt in den Canyons. Die Presse nannte ihn den „Eremiten des Monument Parks“. Die Canyons waren sein Zuhause.

Zwar heiratete er 1911 – natürlich im Park, am Fuße des Independence Monuments, wurde aber schon ein Jahr später wieder geschieden und blieb von da an allein.

1929 verließ er das Gebiet und lebte auf einem Minenclaim in Kalifornien. Er starb 1952 völlig mittellos und wurde in einem Armengrab bestattet.

Das Colorado National Monument lockt inzwischen jedes Jahr Zehntausende von Besuchern, die die gewundenen schmalen Straßen dieser einzigartigen Berglandschaft durchfahren und die überwältigenden Ausblicke genießen. Neuere Autoren haben dieses Gebiet das „Juwel der Rocky Mountains“ genannt.

Entgegen manchen anderen Naturparks der USA ist diese Landschaft in Europa kaum bekannt, aber sie ist immer einen Besuch wert.

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