Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Die Bewandtnis mit Atlantis: 3. Der archäologische Befund - Keftiu/Kreta

Die Bewandtnis mit Atlantis3. Der archäologische Befund
Keftiu/Kreta: Beherrscher des Meeres

In der zweiten Hälfte des vierten vorchristlichen Jahrtausends, als auf dem Kontinent schon die Kurgan- Leute ihre Vorgängerkulturen assimilieren, blüht auf den Kykladen noch einmal eine Kultur auf, die in der alt- europäischen Tradition steht. Hier werden noch bis ins vierzehnte Jahrhundert vor Christus Idolfiguren hergestellt und benutzt, die denen der Vinča- Tordos- Leute entsprachen. Dann gerieten die Inseln unter den Einfluß der Mykener.

 

Auch in Kreta wurde diese Tradition vom siebten Jahrtausend vor Christus an verfolgt. Die mit Figurinen verehrte Schlangengöttin hatte, soweit man von dem entzifferten, mykenischen Linear B auf das kretische Linear A schließen kann, einen Namen, der mit den Silben „A- sa- sa- ta“ wiedergegeben wurde. Der Bezeichnung nach mag sie mit der semitischen Astarte/ Ischtar verwandt sein, die sich über die sumerische Inanna mit der Erdmutter in Verbindung bringen lassen kann. Dies gilt übrigens für viele Göttinnen, sowohl was die Benennung, als auch, was die Funktion anbelangt. Aus dem griechischen Pantheon kämen da zum Beispiel Gaia, Demeter [Kore, Persephone, Hekate] und Athene in Frage, sowie eventuell auch Artemis, und über den indogermanischen Umweg sogar Hera. Freilich verschwinden die exakten Herleitungen im Nebel der Geschichte, so daß hier vieles Spekulation bleibt.

Im Gegensatz zu dem anderswo vorherrschenden Trend zur Abstraktion, läßt sich auf Kreta eine Entwicklung zur naturgetreuen Darstellung beobachten. Bevorzugt wurde im zweiten Jahrtausend vor Christus eine Pose mit segnend oder mahnend erhobenen Armen. Hier und da mischten sich auch aus der Fauna stammende Körperteile in die Darstellungen; sie dienten dazu, bestimmte Fähigkeiten der Göttin zu betonen. Wenn man den Schutz des Heims erbitten will, so hilft es schließlich nichts, wenn man die Erdmutter in ihrer Funktion als Spenderin von Fruchtbarkeit anruft.

Das auf der Insel gleichfalls wichtige Symbol der Doppelaxt findet seine Entsprechung bei mehreren Gruppen des späten Neolithikums, bei denen die Waffe aus Stein oder Kupfer als Symbol der Macht und Herrschaft galt.

In der Eiszeit und kurz darauf gab es auf Kreta tatsächlich Zwergelefanten (wie auch auf Malta und Zypern). Da allerdings keine entsprechenden Knochen in den Überresten der ältesten bekannten Siedlungen gefunden worden sind, muß man davon ausgehen, daß sie im siebten Jahrtausend vor Christus bereits ausgestorben gewesen sind. Um 6000 v. Chr. betrieb man erstmals Ackerbau, um 5500 v. Chr. lernte man die Keramik kennen.

Die „minoische“ Hochkultur, deren Beginn um 3000 v. Chr. herum anzusetzen ist, stellt eine Verbindung dar von den einheimischen neolithischen Gruppen und Zuwanderern aus Kleinasien, welche die Kenntnis der Metallverarbeitung mitbrachten. Ab nun kam es zu einem enormen wirtschaftlichen und zivilisatorischen Aufschwung. Die Einwohner lebten in Häusern mit Vorratskellern und Wasserleitung, Spülklosetts und Bädern. Geschirr und goldener Schmuck waren vorbildlich gearbeitet und verziert. Man kannte feine Stoffe, und die Damenwelt trug Kleider, wie sie genauso in der Neuzeit hätten geschneidert werden können – Nur, daß bei ihnen „oben ohne“ en vogue gewesen war.

Für die Identifikation mit Atlantis spricht, daß die Minoer eventuell von einer Flutkatastrophe heimgesucht worden sind. Die Explosion von Thera gegen 1550 v. Chr. hat mit Sicherheit einen Tsunami ausgelöst, und tatsächlich läßt sich die Beschädigung mehrerer Paläste (die auch als Nahrungsspeicher fungierten) nachweisen, die in etwa zeitgleich mit der Detonation ist. Vermutlich ist dabei auch die Flotte vernichtet worden, auf der nicht nur der Handel, sondern auch die Verteidigung ruhte. Trotzdem deutet der archäologische Befund darauf hin, daß der Vulkanausbruch das minoische Reich genauso wenig vernichtet hat, wie der von Pompeji das Römische Imperium. Erst gegen 1350 v. Chr. kam es zu weitreichenden Zerstörungen, vermutlich aufgrund eines Erdbebens. Ab nun läßt sich deutlich ein mykenisches Element nachweisen. Ob die Griechen als Eroberer vom Festland kamen, oder lediglich in Besitz nahmen, was ohnehin schon zerstört war, läßt sich nicht mehr genau feststellen. In Zypern hielt sich das minoische Element noch bis etwa 1100 v. Chr., und entwickelte das kretische Linear A weiter zu zwei einheimischen Silbenschriften. Auch in den Sagen Griechenlands ist immer wieder von der Kultur die Rede (Der König Minos, nach dem Arthur Evans sie benannt hat, entstammt einer dieser Legenden).

War Kreta also Atlantis? Es war eine „Thalassokratie“, also ein Reich, dessen Macht sich begründete auf der Herrschaft über die Meere. Gleiches gilt auch für Atlantis. Und die „Theseus“- Sage hebt Athen als Gegner hervor… Aber damit hat es sich eigentlich auch schon mit den Gemeinsamkeiten.

Christoph Wagenseil führt ein Papyrus an, daß er jedoch persönlich nicht kennt (Vermutlich meint er eine Steleninschrift Pharao Amenophis‘ III., der von 1388 – 1351 v. Chr. regierte). Darin soll Keftiu (Kreta) vom Nil aus betrachtet „zu anderen Inseln“ und „dem Kontinent jenseits davon“ (Europa) führen. Eine fast gleichlautende Formulierung findet sich auch in Platos Timaios, nur bezieht sie sich dort eben auf Atlantis.

Tyrrhenien und Ägypten würden recht gut die äußersten Ränder des minoischen Einzugsbereiches kennzeichnen, wenn auch nicht von Westen, sondern von Osten her. Auch ging es den Inselbewohnern nicht um Eroberungen, sondern um Handel. Als Kronzeuge dafür, wie weit sie sich vorgewagt haben, mag ausgerechnet jemand dienen, von dem wir es am allerwenigsten erwartet hätten: Unser heimischer Gartenzwerg!

Denn um möglichst schnell an das Erz zu kommen, ist es angeraten, nicht allzuviel Zeit mit dem Bau von Stollen zu verplempern. Damit diese möglichst eng sein können, dürfen auch die „Kumpel“ nicht allzu hochgewachsen sein. Strabo hatte die kretischen Bergleute scherzhaft als „Fingermännchen (Daktylen) vom Berg Ida“ bezeichnet. Wie klein sie wirklich gewesen sein dürften, zeigen die kupfernen Kreuzhacken von nur sechzehn Zentimetern Größe, die man gefunden hat. Dabei gehörte die rot gefärbte Phrygische Mütze zur Arbeitskleidung, die wir auch noch von den Persern und Phöniziern her kennen: Im Zipfel ausgestopft und mit Nackenschutz versehen, bewahrt sie einen vor Verletzungen, wenn aus der Stecke Steine herausbrachen. Auch die Lederschürze diente solchen Zwecken. Diese Tracht war so praktisch, daß sie auch noch bei den frühen Kelten (Hallstatt- Kultur) und im Mittelalter unter Tage zum Einsatz kam.

Auf immer neuer Suche nach Rohstoffquellen drangen die kretischen Prospektoren weit ins damals noch unerschlossene Europa vor. Die besagten Kreuzhacken kretischen Typs hat man im Balkan gefunden, in den Karpaten, in Schlesien (Reichenstein), in Sachsen (Großenhain), in Thüringen (Steinsburg, Sangerhausen), im Havelwinkel (Jerichow) und sogar in Westfalen (Ramsbeck). Freilich heißt der Fund eines Werkzeugs noch lange nicht, daß auch ein Handwerker aus dem selben Ursprungsgebiet vor Ort gewesen ist. Doch die Schächte, die man bei den westfälischen Silberadern entdeckt hat, sind gerade mal 90 Zentimeter hoch und 50 Zentimeter breit gewesen.

Mit den fremdsprachigen Eingeborenen werden diese Metallsucher nur dann Kontakt gehabt haben, wenn es nötig war, so daß sie immer der Nimbus des Ungewöhnlichen umgab. Wenn man jetzt noch davon ausgeht, daß sie ihre Stollen auch als Wohnung genutzt haben, und als Förderer von Erz auch als Hüter von Schätzen galten, bieten sie sich eigentlich schon regelrecht dazu an, Sagen von Gnomen, Zwergen und Wichtelmännern zu ersinnen.

Wie dem auch sei, die weite Verbreitung seiner Händler und „Kumpel“ ist nicht das einzige Argument dafür, Kreta mit dem Eiland Platos in Verbindung zu bringen. Für diese Hypothese spricht nämlich auch der Stierkult auf der Insel, auf den auch die Sage vom Minotaurus zurückgehen mag. Letztere rankt sich um Theseus, den Nationalhelden Athens – Dies mag die Erinnerung bewahren, daß die Stadt eine führende Rolle bei der Einnahme des Eilands gespielt hat. So, wie es auch bei Atlantis der Fall gewesen sein soll!

Mit etwas gutem Willen kann man Kretas Zeit von etwa 2600 bis 1300 v. Chr. ansetzen – Das ist jedoch näher an heute, als an 9600 v. Chr.. Es hat mit seiner Kolonie Millawanda (Milet) gerade mal Kleinasien erreicht; es fehlt jeder Nachweis, daß es jemals bis ins westliche Mittelmeer vorgedrungen ist.

Doch wo die Theorie nicht mit Plato übereinstimmt, argumentiert man gern mit Übersetzungsfehlern. Aus 9000 Jahren werden zum Beispiel gerne mal 900 gemacht. Die sogenannte „minoische Theorie“ geht davon aus, man habe sich bei der Berechnung der Jahre, oder aber bei der Übertragung ins Griechische geirrt.

Und da weder Thera, noch Kreta außerhalb der „Säulen des Herakles“ lagen, wurde auch hier ein „Übersetzungsfehler“ postuliert, und es hätte in Wirklichkeit „innerhalb der Säulen des Herakles“ gehießen. Nur, warum hat man sie denn überhaupt erwähnt? Um eine Lokalität im Mittelmeer zu beschreiben, wäre es doch viel naheliegender gewesen, einen Ort in der Nachbarschaft anzuführen, als ausgerechnet einen im äußersten Westen der damals bekannten Welt. „Nördlich von Kreta“ hätte sich da angeboten, oder „so und so viele Stadien ostwärts von Melos“.

Und dann hat es mit den „Säulen des Herakles“ auch noch seine besondere Bewandtnis. Sie konnte es frühestens mit der Gründung der Stadt Gades (auch Gadeira; heute Cadiz) gegen 1100 v. Chr. gegeben haben, lange nach dem Ende der Thalassokratie Kretas. Was also hätte mit den „Säulen des Herakles“ gemeint sein können, wenn sie zur Zeit der Minoer noch gar nicht erbaut worden waren? Der Bosporus und die Dardanellen, die schon für die Schwarzmeerkulturen als Alibi haben herhalten müssen, scheiden auf jeden Fall aus. Kreta lag nicht jenseits des östlichen Mittelmeeres, sondern mitten darin.

Und dann gibt es da noch ein Problem: Die Minoer lebten nicht irgendwo in der schriftlosen Steinzeit, sie waren fest integriert in das Staatensystem der Bronzezeit. Aber wo Verträge zwischen Nationen gefaßt werden, da werden sie auch beim Namen genannt. Und gerade die Ägypter, denen Plato ja sein Wissen verdanken will, hatten keinerlei Grund, Kreta ausgerechnet „Atlantis“ zu nennen. Sie pflegten im zweiten Jahrtausend vor Christus bereits intensive Handelskontakte mit der Insel, die sie Keftiu nannten (Stele von Amenophis III.). Der Name ist auch als Caphtor in der Bibel bezeugt, und erinnert nun wirklich nicht an „Atlantis“.

 

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.