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Die Macht der einfachen Dinge - Das Brot des Leibes

Ari BerkDie Macht der einfachen Dinge
Das Brot des Leibes
 
Bei der Vorbereitung auf eines unserer Interviews mit Ari Berk stieß ich auf folgenden Text von ihm, der mich sehr inspirierte und den ich immer wieder lese. Er erlaubte uns, ihn ins Deutsche zu übersetzen und im Zauberspiegel zu veröffentlichen - hierfür herzlichen Dank! Den interessierten Lesern viel lehrreiches Vergnügen mit dem dritten Teil...

In mehr Bereichen als nur dem christlichen Ritual stand das Brot seit langem für den Körper. Es ist ein Lebensmittel, einfach zusammengesetzt, und jenes Nahrungsmittel, das in religiösen Ritualen im Laufe der Jahrhunderte am häufigsten als Opfer dargebracht wird. Natürlich könnte man sich [in diesem Teil des Artikels] ganz allein auf das Brot selbst konzentrieren, es ist jedoch unmöglich, die Überlieferung zum Brot vollständig von jener zum Getreide  zu trennen.

Götter der Vegetation, Weizen, Gerste, Mais sind wichtige Teile der mit der Geschichte des Brotes verbundenen Symbolik und ihrer Bedeutung als rituelle [Opfer-] Gaben. In den Riten des Adonis, dem syrischen Gott der Vegetation, heißt es, seine Knochen wären in einer Mühle gemahlen und dann durch den Wind verstreut worden. In Ägypten war die Auferstehung des Osiris Vorbild für die Auferstehung [des Menschen nach dem Tod] und wurde symbolisiert durch das Aussähen von Miniatursarkophagen mit Samen, die sprossen.
 
In dieser Überlieferung ist das Brot Symbol der Metamorphose (Saatgut wird zu Getreide, aus Korn wird Brot), ein Ergebnis gemeinsamer Anstrengung (der Bauer, der Müller, der Bäcker), und ist das der drei Lebensmittel, das am deutlichsten von einer saisonalen/zyklischen Existenz geprägt ist.
 
Die Kommunion [also das rituelle gemeinsame Mahl Mensch und Gottheit] mit den heidnischen Gottheiten der Vegetation geschah in Form vieler unterschiedlicher Substanzen, Brot war dabei immer von Bedeutung. In den Mysterien des Dionysos, aßen die Eingeweihten gemeinsam einen Kuchen oder "Makaria" (wörtlich "eine Seligkeit").
 
Diese Ähnlichkeit des Brauchs beleidigte Tertullian. Während seiner Diskussion über die Kommunion und die Taufriten des Mithraskultes schrieb er, die "Opfergabe von Brot" unter den Eingeweihten sei ein Werk des Teufels, der "einzelne Dinge kopiert, von denen, die Göttlich[er Natur] sind" und fordert ein Privileg für Christen zu einer Sache, die schon seit langen Zeiten Allgemeingut in heidnischen Kulturen war.
 
Schmuckblatt einer HaggadahDie rituelle Verwendung von Brot verkörpert oft einen Akt des Gedenkens. In der jüdischen Tradition, taucht Brot oft in der Geschichte und der damit verbundenen Bräuche des Passah auf. Auch bekannt als das Fest der "ungesäuerten Brote" stellt das Passahfest den Feiertag dar, an dem es den Juden verboten ist, Hefeprodukte gleich welcher Art in Ihrem Haushalt zu haben. Dies geschieht in Erinnerung an jene Juden, die vor Jahrhunderten die aus Ägypten geflohen waren. Ihre Flucht aus Ägypten geschah so hastig, dass sie keine Zeit hatten zu warten, bis ihr Brot zu steigen begann. Dieses ungesäuerte Brot, genannt matzah, wird im Rahmen des Passah-Ritual gegessen.
 
Die Verwendung von Brot am Passahfest wird in das Neue Testament übertragen, und dort verwendet, um neue Rituale einzuführen, die einen Bruch zu dem streng jüdischen Brauch darstellen. Stattdessen bezieht man sich zurück auf die vorchristliche Praxis, in der der Körper des Gottes geopfert und unter den Feiernden verteilt wird.
 
Am Donnerstag Morgen rief Jesus die zwölf Jünger zu sich, und er sprach zu ihnen: Das ist der Tag des Gedenken Gottes, lasst uns das Passahmahl allein zu uns nehmen. Und dann sagte er zu Petrus, Jakobus und Johannes: „Geht jetzt nach Jerusalem, und bereitet die Pasch vor. Und die Jünger sprachen: Wo sollen wir einen Ort finden, an dem wir haben das Fest vorbereiten können? Und Jesus sprach: Geht vom Brunnentor vorbei, und ihr werdet einen Mann sehen, der einen Krug in der Hand hat. Sprecht zu ihm und sagt: „Dies ist der erste Tag der ungesäuerten Brote. Der Herr möchte, dass du ihm deinen Speiseraum zur Verfügung stellst, damit er dort sein letztes Passah mit den zwölf essen kann.
Dann saß Jesus mit seinen Jüngern am Tisch des Festes und sagte: „Sehet, die Lehre der Stunde (...)“
Dann nahm Jesus ein Brot, das noch nicht gebrochen worden war, und sagte: „Dieses Brot ist Symbol für meinen Körper, und das Brot ist Symbol für das Brot des Lebens, . Und so wie ich dieses Brot breche, so wird mein Fleisch gebrochen werden als ein Zeichen für die Menschen, denn Menschen müssen aus freien Stücken ihre Körper als Opfer für andere geben. Und wenn ihr dieses Brot esst, esst ihr das Brot des Lebens und werdet nie sterben.“
Dann gab er jedem ein Stück Brot zu essen. Seitdem heißt das Brot das Brot der Erinnerung...

 

Der liturgischen Gebrauch von Brot zieht sich zurück zu einer frühen Kirche, in dem die Anhänger selbst beigetragen hatten, indem sie ihr eigenes Brot und Wein auf den Altar legten. Die zunehmende Bedeutung und Ehrfurcht der Eucharistie gegenüber führte zur Verwendung von speziell für diesen Zweck zubereiteten Altarbroten. Diese Hostien wurden in der Kirche des Westens kleiner und dünner.
 
HostieEin wenig Glaubenslehre: Die mittelalterlichen Gemeinde schuf, in Antwort auf die anwachsende Häresie, die Forderung, dass die Eucharistiefeier mit weißen Waffeln durchgeführt wurde, die von der Kirche selbst hergestellt worden war. Dies war wichtig, da die Kirche im 11. und 12. Jahrhundert darauf bestand, dass die Eucharistiefeier gemäß der Lehre der Wandlung [des Brotes innerhalb der Abendmahlsfeier] tatsächlich mit dem Leib Christi geschah und nicht nur eine Symbolfeier war.
 
Eine weiße Waffel, die sich auf der Zunge auflöste, umging die schwierigen Fragen danach was es bedeutete, Gott zu „kauen“ und ihn zu schlucken. Es beseitigte auch die Unterschiede in den "Körpern" Christi und symbolisiert, dass die Eucharistie war die Präsentation der unblutigen Körpers war - das Blut wurde durch den Wein getrennt.
 
In Mexiko, wird das „Pan del Muerto“, das Brot der Toten, den Verstorbenen während der Los Dias de los Muertos angeboten. In den meisten Fällen ist das Brot ist rund und mit einem Knochenkreuz aus Zucker dekoriert.
 
Obwohl scheinbar einfach, ist das Brot ein komplexes Symbol, das die Lebenden mit dem Verstorbenen durch das gemeinsame Band des geteilten Nahrungsmittels und der Erinnerung verbindet. Solche Beziehungen spiegeln sich in vielen Geschichten wider, wo Brot eine Verbindung zwischen den Lebenden und Toten schafft, oder zwischen irdischen und jenseitigen Menschen.
 
Vor allem zwei Geschichten betonen die Darstellung das Angebotes von Brot als Auftakt für eine Beziehung mit einer Person der anderen Welt(en).
 

ONCE upon a time a certain girl left her father`s place, and went to the village of Long Snake. Having arrived at the village of Long Snake she remained there, but the owner of the place was absent. The only person present was the mother of the owner of the place.Then in the evening the mother of Long Snake gave that girl some millet, and told her to grind it. After it was ground she made bread. When it was ready the mother of Long Snake said: «Carry this bread into the house of Long Snake.»(...)

 
In "The Story of the Long Snake" von den Xhosa von Afrika, bringt ein junges Mädchen auf Rat ihrer Mutter der Langen Schlange Brot, das das Mädchen selbst gebacken hatte. Das Mädchen gehorcht, geht zu dem Haus, und als der Eigentümer des Hauses kommt, gibt sie ihm das Brot, dazu fermentierte Milch, und er isst. Nach dem Essen legen die beiden sich schlafen. Am frühen Morgen verlässt die Lange Schlange das Haus, denn tagsüber lebte sie (im Englischen Text "he" – also "er") im offenen Gelände. Aufgrund der Ignoranz der jüngeren Schwester, die sich weigerte, auf die Empfehlungen der älteren Schwester (die bei der Langen Schlange gelebt hatte) zu hören, beginnen die Probleme.
 
Die jüngere Schwester macht sich nämlich ebenfalls auf den Weg, kommt in dem Dorf der Langen Schlange an, wird ebenfalls zu einer Ehefrau der Langen Schlange. Jetzt trifft die jüngere Schwester eine falsche Entscheidung, und es kommt zu einem Zyklus von Vergeltung, an dessen Ende das Wesen aus der anderen "Welt" (die Lange Schlange) ums Leben kommt.
 

Anmerkung der Übersetzerin: Was ist Cornmilk? Maismilch ist nichts komplett Neues. Bei den Völkern bekannt, die sich schon lange von Mais ernähren, ist sie inzwischen seit einigen Jahren in asiatischen Ländern als Altnative zu Kuhmilch bekannt. Die Herstellung ist denkbar einfach: Man entfernt die rohen Maiskörner vom Kolben (z.B. mit einem scharfen Messer) und püriert alles gründlich. Danach durch ein Tuch oder ein sehr feines Sieb geben. Die Flüssigkeit auffangen.

In der Geschichte von Cochiti Pueblo "Coyote Imitates Crow" wird Coyote's Körper zu einem veritablen Picknickkorb von nützlichen Leckerbissen für die anderen Tiere. In dieser Geschichte sehnt sich Coyote nach Brot und Maismilch. Stattdessen verwandelt ihn seine Gier in Nahrung für andere. Auf diese Weise zeigt er seine gottgleichen Qualitäten; nicht durch Klugheit (mit der er nur wenig begnadet ist), sondern indem er das Opfer wird, durch das die andere vielleicht gedeihen.
Die Geschichte beginnt mit der Beschreibung eines hohen Stapels an "Papierbrot" in allen Farben (Anmerkung der Übersetzerin: "Paperbread" ist eine Bezeichnung für sehr dünnes Brot, zumeist in Fladenform, das nicht gebacken, gebraten oder gekocht wird, sondern eher getrocknet - wie beispielsweise Ingera aus Teff, Crepes oder eben das Paperbread der Hopi-Indianer).
 
Am unteren Ende war es blau, dann weiß, rot, grau und weiß. Auf der Spitze dieses hohen Stapels saß eine Krähe, und an der Unterseite (des Stapels) gab es einen kleinen Teich von Zuckermaismilch. Die Krähe sang:
"High bank of paper bread,
high bank of paper bread;
Pond of sweet–corn milk,
pond of sweet–corn milk."
 
Jedes Mal, wenn er ein Stück Papierbrot aus dem Stapel herausriss, flog er hinunter bis zu dem Teich aus Süßmais, um davon zu trinken.
Coyote kam vorbei und sagte: "Wie schön du herumspringst. Sing mir das Lied, denn ich möchte etwas essen und von der Süßmais-Milch trinken. Ich werde es genauso machen wie du.“ - "In Ordnung."
Er sang sein Lied:
 
"Hoher Stapel des Papierbrotes,
hoher Stapel des Papierbrotes;
Teich von Zuckermaismilch,
Teich von Zuckermaismilch"
 
Coyote hörte zu und lernte das Lied. Er sagte: "Gut, jetzt werde ich anfangen." - "Also gut, dann singst du zuerst." Coyote stand oben auf dem Stapel des Papierbrotes und sang und aß. Er sagte: "Jetzt werde ich etwas trinken."
 
Er sang und machte sich bereit, am Ende seines Liedes springen. Er sprang hinab und fiel direkt in den Teich, und genau dort starb er.
 
HopiDie Krähe begann (vor Freude) zu krähen. Sie wollte seine Augen. Sie nahm sie heraus und schüttelte sie. Sie klangen wie Glocken. Sie rief: "Ihr Tiere, wer immer Pelz verwendet für seine Nester, soll kommen und es von Coyote nehmen, der Unfug getrieben hat." Die Waldratten und Mäuse, Eichhörnchen und Streifenhörnchen kamen und nahm das Fell von Coyote für ihre Nester.
 
Die Krähe sagte: "Alle Arten von Vögeln, die Fleisch essen, kommt und esst von Coyote, denn er hat Unfug getrieben." Der Adler und die Geier und der Hühnerhabicht und Falke kam, und alle aßen ihn auf. Es blieb nichts übrig, als seine Knochen.
 
Da kam ein alter, alter Mann mit einem Tragekorb vorbei. Er ging an einem Stock und kam kaum vorwärts. Er kam zu der Stelle, wo Coyote's Gebeine lagen, und sagte: "Diese werden eine schöne Suppe für Großmutter geben." Er legte sie in dem Korb, nahm ihn auf den Rücken und nahm die Gebeine nach Hause zu seiner Frau.
 
Die Ballade "The Cruel Mother" identifiziert Brot (ebenso wie Milch) mit dem Trost, den eine tatsächliche Mutter / Kind-Beziehung bieten kann.
 
In der Ballade, geht ein junges unverheiratetes Mädchen allein in den Wald und gebiert dort zwei uneheliche Kinder. Sie ist hochschwanger und muss ihre Schwangerschaft verbergen. Tief im Wald,
 

She lent her back unto a thorn,
And she`s got her twa bonny boys born.
She`s taen the ribbons frae her hair,
Bound their bodyes fast and sair.
She`s put them aneath a marble stane.
Thinking a maiden to gae hame.

Sie lehnte ihren Rücken an einen Dorn(busch), und sie gebar ihre beiden Babies, zwei Jungen.
Sie nahm die Bänder aus ihrem Haar, wickelte die Körper fest und gut,
sie legte sie unter einen Marmorstein,
und dachte, ein Mädchen sollte nach Hause gehen.
 
Wieder zu Hause, schaut sie über die Mauer der Burg ihres Vaters und sieht zwei kleine Kinder Ball spielen. Ihr Herz voll Schuld und Sehnsucht, ruft sie ihnen zu: "O Bonny Babys, wenn ihr die  meinen wärt, würde ich füttere euch weißem Brot und Wein füttern. Ich würde euch mit  Kuhmilch füttern und euch in die feinste Seide kleiden.“
 
Die Geister ihrer Kindern antworten ihr und antworten: „O grausame Mutter, als wir dein waren, sahen wir nicht von deinem Brot und Wein. Wir sahen nichts von deiner Kuhmilch, und noch trugen wir deine feinste Seide.“Im Eingeständnis ihres Fehlverhaltens (sowohl gegenüber sich selbst wie ihren Kindern) fragte sie dann, welche Art von Strafe sie erwartet. Die Kinder antworten sehr sachlich, dass sie 28 Bußjahre als Strafe dienen muss.

Seven years a fowl in the woods,
Seven years a fish in the floods.
Seven years to be a church bell,
Seven years a porter in hell.

Sieben Jahre als ein Huhn in den Wäldern,
sieben Jahre ein Fisch in den Fluten.
Sieben Jahre als Kirchenglocke,
sieben Jahre als Türhüter in der Hölle.

Es ist verlockend, diese Bilder, im Zusammenhang um ihr Verbrechen zu lesen. Vielleicht stellt das Huhn die Art und Weise dar, wie die Kinder in den Wäldern den Tod fanden, wie gejagte Vögel. Sind die Fische verloren in der "Flut" des Jenseits? Als eine Kirchenglocke würde sie den Gesang der Gottesdienstbesucher hören würde, sie zum Gebet rufen, wäre aber immer abgetrennt von den Riten der Kirche. Der Türhüter in der Hölle jedoch spricht für sich: nicht ganz in die Hölle, nicht ganz aus ihr heraus.
 
Allerdings, so versucht wir sind, sie individuell zu interpretieren, all diesen Bildern gemein ist eine gewisse unfertige Qualität. Wie die Seelen der Kinder, die vor ihrer Zeit sterben, sind sie beide nicht von dieser Welt. Wie in allen Fällen dienen Milch, Brot und Wein auch hier als (die hier zurückgehaltenen) Bilder von Tröstung, Annahme und Erlösung, die  nicht mehr zur Verfügung, die verlassen und ohne Beichte Gestorbenen nicht mehr gewährt werden kann.
 
In der Geschichte von "Black Robin" aus North Wales, gibt es einen Verweis auf die Verwendung von Brot für die Aufdeckung der Schuld eines Verdächtigen. An der Quelle des Llanbedrog, kniet man nieder, wirft ein Stück Brot ins Wasser, während man die Namen von einer Gruppe Verdächtiger vorliest. Wenn das Brot beginnt abzusinken bedeutet es, dass man den Namen des Schuldigen ausgesprochen hat. Weitere Referenzen aus Wales beinhalten den Glauben aus Breconshire, dass die Tylwyth Teg (Walisische Bezeichnung für das Kleine Volk) den Bauern Brot schenkt, das sich am folgenden Morgen in Fliegenpilze verwandelt. Um dies zu vermeiden, wurde das Brot in Stille und Dunkelheit gegessen.
 
In der bekannten Erzählung des „Hirten von Myddvai“ musste ein sterblicher Mensch einer Fairyfrau Brot geben, um seinen Wert zu beweisen. Er macht zweimal Brot für sie und versucht, sie zu fangen. Einmal heißt es "hart gebacken", ein weiteres Mal "roh." Wenn er dann das Brot am der Ufer des Sees findet (unterhalb dessen die Feen leben), hat sie es akzeptiert. Allerdings ist es eine Ehe, die von Beginn an zum Scheitern verurteilt ist, denn sie sagt ihm, sollte er sie jemals schlagen, würde sie nach Hause zu ihrem Volk zurück gehen. Unnötig zu sagen: Er schlägt er sie dreimal, und sie geht erst, als sie ihrer Kinder gesegnet hat, und so eine Familie der größten Heiler erwächst, die Wales je gesehen hat.
 
Brot besiegelt den Vertrag, aber vielleicht geht es dabei gar nicht um die Ehe. Es geht um den Austausch über die Schwelle hinweg, der dazu führt, dass eine Blutlinie Fähigkeiten aus einer anderen Welt erhält, die der Gemeinschaft über Jahrhunderte hinweg dient. Die Ehe war nie dafür vorgesehen zu halten, sie diente nur als Vehikel. Der Vertrag, der durch die Gabe des Brotes geschlossen wurde, die Gabe eines Körpers zu einem anderen über den Schleier der Welten hinaus, lässt dies alles geschehen.
 
Allgemein gesprochen sind die Feen sind ziemlich wählerisch, was ihre Nahrung angeht. In Deutschland gibt es einen Waldgeist, eine „Wald-Frau“, die einen Laib frisch gebackenes, mit Kümmel gewürztes Brot erhielt, die daraufhin laut schreien begann: „Sie haben Kümmelbrot für mich gebacken, das wird diesem Haus große Not bringen!“Warum sie über den Geschmack des Kümmels so erbost war, weiß ich nicht, aber aller Reichtum des Dorfbäckers hatte, verließ geradewegs sein Haus, und er wurde bitter arm.
 
hänsel und gretelSicherlich eines der berühmtesten Bilder für Brot im Märchen ist die Geschichte von "Hänsel und Gretel". Eine hungrige Familie, eine grausame Mutter, ein nachgiebigen Vater, eine kannibalischen Hexe. Aber das Wichtigste: Eine Strecke aus Brotkrumen. Was können wir daraus machen? Brot als ein Weg? Als eine Opfergabe für den Wald? Die Semmelbrösel werden von Vögeln gefressen, und die Kinder gehen verloren.
 
Sie folgen einem weißen Vogel in das Haus einer Hexe mit Appetit, und sie knabbern an dem Hexenhaus wie kleine Mäuse. Der Hunger treibt sie (wie ihre Eltern) dazu, ein Haus (ein Zuhause) zu zerstören. Die Hexe füttert sie, hält sie für einen Snack, und  wird von Gretel ausgetrickst, die sie in den Ofen schiebt. So lernt die Hexe sogar noch eine neue Lektion: Dreh niemals einem hungrigen Kind den Rücken zu.
 
Die Hexe ist besiegt, die Kinder füllen ihre Taschen mit Schätzen, und ein anderer Vogel (dieses mal ist es eine Ente) trägt sie über den Fluss nach Hause. Sie kehren zu ihren Eltern Haus und es gibt viel Freude. Was sollen wir von der Bedeutung des Brotes in dieser Geschichte halten? Ein Mangel daran zerbricht die Familie? Diejenigen, die Lebensmittel horten, sollten betrogen und getötet werden? Ein wenig Brot, das man einem Vogel gibt, hält eine lange Weile vor?
 
Ehrlich gesagt, dies war das nie eine meiner Lieblingsgeschichten gewesen, obwohl das Bild der hinterlassenen Brotkrumen – von hungernden Menschen, die gutes Essen nehmen um ihren Weg zu markieren – ist mir aufgrund der darin steckenden Ironie im Sinn geblieben – wegen nicht anderem. Natürlich gibt es viele Möglichkeiten, wie wir Symbolik in diesem Bild finden könnten, aber für mich wirft es praktischer Fragen auf als sie metaphorische Antworten liefert: Wo waren die Nachbarn der Familie? Konnte niemand für die Familie einen Krümel erübrigen? Oder nehmen die Kinder zu sich, bis die Dinge wieder besser geworden sind? Und was die Rollen alter Frauen in Märchen angeht, finde ich sie höchst problematisch - voll von den Ängsten der männlichen Schriftsteller.
 
Ich denke, die Geschichte soll uns etwas über die Schrecken des Lebens auf Inseln sagen, ob real oder sozial, über die enorme Ängste in Bezug darauf seine Nahrung und andere lebenserhaltende Ressourcen zu finden, und über die Folgen, getrennt von unseren Nachbarn zu leben. Nachbarn nicht nur in Bezug auf andere Menschen, sondern auch die Tiere, mit denen wir das Land teilen. Wie wir gesehen haben, symbolisieren Brot, Milch und Honig nicht nur die Gesundheit des Bodens, sondern auch der gesellschaftlichen Bindungen derjenigen, die auf ihm leben.
 
Jedes dieser einfachen Lebensmittel verkörpert einen anderen Aspekt der Gemeinschaft und Gemeinschaftlichkeit - Bienen und Dorf, Milch und Mütter, Brot und Getreide und Ernte und die Reise der herankommenden Jahres.
 
In der irischen Geschichte von "The Voyage of Maleduin", kommt das Boot (des Maleduin), das lange Zeit in der Anderswelt herumruderte, auf die Insel Mill, wo die Reisenden Zeuge einer Reinigungsprozession werden: Menschenreihen mit Säcken auf dem Rücken gehen zu Fuß auf eine gewaltige Mühle zu. Jeder Sack ist mit dem Korn gefüllt, das die Menschen in der ganzen Welt widerwillig vor den anderen verborgen gehalten haben. Das ist in der Tat die Hölle.
 
In allen volkstümlichen Geschichten mit Bezug auf Lebensmittel erfahren wir, dass es sowohl Göttern und auch allen unsere Nachbarn, Lebenden wie Toten, und jenen dazwischen, freiwillig gegeben werden muss. Wir schaffen ein Zuhause, in dem das Gute und einfache Gaben frei(zügig) an Dritte weitergegeben werden.
 
Was könnte ich Ihnen noch sagen? Vielleicht möchten Sie wissen, warum das Brot immer Butterseite nach unten fällt? Die großen Geheimnisse wie dieses lasse ich für diese Nacht unerzählt, und die Dämmerung kommt früh an den Frühstückstisch. Hier ist Brot vom Feuer und Milch vom Tier. Nun, wenn Sie ein wenig Honig in Ihrem Herzen für die einfachen Dinge haben, dann können wir von uns behaupten, unsere Aufgabe erledigt zu haben.
 
Von Ari Berk empfohlene weitere Lektüre:
  • English Folklore by Christina Hole
  • The Folk–Lore of Plants by T.F. Thistleton Dyer
  • The Story of Bread by Shepard and Norton Encyclopedia of Fairiesby Katherine Briggs
  • The Mysteries of Mithras by F. Cumont
  • Ancient Mystery Cults by W. Burkert
  • Standard Dictionary of Folklore, Mythology and Legend by Funk and Wagnall
  • Orestes (trans. Coleridge) by Euripides
  • Tales of the Cochiti Indiansby Ruth Benedict
  • English and Scottish Popular Ballads by Francis James Child

 
Mit freundlicher Erlaubnis übersetzt aus dem Englischen,
Autor: Ari Berk, im englischen Original zu finden (u.a.) im Endicott Studio Online Journal of Mythic Arts
 
Ari Berk ist Schriftsteller, Volkskundler, Künstler und Gelehrten der Literatur, Ikonographie und vergleichender Mythologie. Er besitzt akademische Grade in Altertumsgeschichte, American Indian Studies sowie vergleichende Literaturwissenschaft und Kultur. Er lehrt als Professor für Englisch an der Central Michigan University, ist Herausgeber der Realms of Fantasy Magazin und sitzt im Vorstand des Mythic Imagination Institut. 
 
Website von Ari Berk: www.ariberk.com (Link öffnet sich auf neuer Seite und verlässt zauberspiegel-online)

Folge 1: Milch, Honig und Brot in Mythos und Legende
Folge 2: Der Honig des Wohlstands
Folge 3: Das Brot des Leibes
 
 
Abbildungen:
commons.wikimedia.org
http://www.dhm.de
http://juedischesmuseum.de
 

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