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Gesucht wird Ricki Forster - Kindesentführung im Tiergarten

Gesucht wird Ricki Forster

Kindesentführung im Tiergarten

 

Nach einem Roman der Schriftstellerin Jane Johnston („Pray for Ricky Foster“) inszenierte Wolf Gremm im Jahr 1991 einen Fernseh-Zweiteiler, den er in ein ihm wohlbekanntes Milieu verlagert hatte: in die Kieze Berlins, der gerade kurz zuvor wiedervereinigten deutschen Stadt. „Gesucht wird Ricki Forster“ heißt Gremms Version des Stoffes, die in zwei abendfüllenden Teilen gesendet wurde und nun zum ersten Mal auch auf DVD zu haben ist.

Wolf Gremm (1942-2015) zählte zu den jungen Regisseuren, die ab den späten 1960er Jahren in Erscheinung traten und mit ihren Werken gegen die konservative Spießigkeit der vorangegangenen Generationen aufbegehrten. Nach ersten Fernseharbeiten inszenierte Gremm 1973 mit „Ich dachte, ich wär tot“ sein Kinodebüt, das damals bereits von Regina Ziegler produziert wurde, die dafür mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet wurde. Zwischen Gremm und Ziegler entwickelte sich eine lebenslange Verbindung, die nicht nur auf professioneller Ebene funktionierte. Denn die beiden traten 1977 gemeinsam vor den Traualter und blieben bis zu Gremms Tod im Jahr 2015 verheiratet. Gremm inszenierte in den 1970er und 1980er Jahren noch einige weitere interessante Kinofilme, von „Tod oder Freiheit“ über die Erich-Kästner-Adaption „Fabian“ mit Hans Peter Hallwachs bis zum Science-Fiction-Klassiker „Kamikaze 1989“, in dem Rainer Werner Fassbinder in der Hauptrolle glänzte. Ab Mitte der 1980er Jahre verlagerte Wolf Gremm seinen Schaffensschwerpunkt dann wieder auf die Mattscheibe, für die er in den kommenden 30 Jahren noch zahlreiche Fernsehfilme und Miniserien inszenieren sollte, weiterhin größtenteils produziert von seiner Partnerin Regina Ziegler. So auch der Zweiteiler „Gesucht wird Ricki Forster“, der neben Publikumslieblingen wie Brigitte Mira und Hans Clarin in den Hauptrollen mit Götz Schubert und Bettina Kupfer zwei Nachwuchsdarsteller präsentierte.

Regelmäßig geht Babysitterin Susanne Meyer (Anja Fliess) mit Ricki Forster (Jonas Jaroschowitz), dem dreijährigen Sohn von Christa (Angelika Hartung) und Roland Forster (Robert Atzorn), im Berliner Tiergarten spazieren. Dort treffen die beiden auf alte Bekannte wie den an den Rollstuhl gefesselten Rentner Harald Brehme (Hans Clarin), die junge Mutter Frau Runze (Katharina Schütz) oder die alte Lou (Brigitte Mira), eine Stadtstreicherin, die ihren Verstand durch dauerhaften Schnapskonsum vernebelt. Aber auch Rudi Bonhoff (Robert Jarczyk) taucht wiederholt im Park auf und stellt der hübschen jungen Frau nach, während sie auf das Kind der Forsters aufpasst. Eines Tages wird Rudi zudringlich und schleppt Susanne in eine öffentliche Toilette, wo er sie vergewaltigt und anschließend umbringt. Der allein gelassene Ricki fällt in die Hände der alten Lou, die in dem Jungen ihren Sohn wiederzuerkennen glaubt, den sie im Kindesalter verlor. Kommissar Arendt (Peter Fitz) leitet die Ermittlungen im Mordfall und ist darum bemüht, den kleinen Ricki so schnell wie möglich wiederzufinden. Doch es fehlt jede Spur von ihm. Thomas Berger (Götz Schubert), der für eine Berliner Zeitung arbeitet, nimmt Kontakt mit Susannes älterer Schwester Karin (Bettina Kupfer) auf. Bald schon ist es mehr als die Jagd nach der nächsten Schlagzeile, die Berger in seinen Recherchen vorantreibt.

„Gesucht wird Ricki Forster“ ist heute klar als ein Produkt der 1990er Jahre erkenntlich, da man sich seinerzeit aufgrund der Eigenproduktionen der Privatsender auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern um mehr Sensationseffekte bemühte. Manche Szenen sind in einer heute recht billig wirkenden Videoästhetik eingefangen, Wolf Gremms Inszenierung ist größtenteils plakativ, aber auch recht effektvoll. Unterstrichen wird das Ganze durch eine sehr dramatische Musik aus der Feder des italienischen Routiniers Pino Donaggio („Dressed to Kill“). Wenn der Lokalchef der Tageszeitung (Manfred Lehmann) bei seinem Reporter Berger „mehr Herz und Gemüt“ einfordert, scheint sich das auch Wolf Gremm für seine Inszenierung auf die Fahnen geschrieben zu haben. Gleichwohl schimmert auch immer wieder Kritik an den Gepflogenheiten der Presse durch, was der insgesamt etwas seichten, aber nichtsdestotrotz spannenden Geschichte auch ein wenig Tiefgang beschert. Die DVD-Erstveröffentlichung in der Reihe „Pidax Serien-Klassiker“ bietet ein akzeptables Bild (im Vollbildformat 1,33:1), das aber kaum über VHS-Niveau herauskommt. Der deutsche Originalton (in Dolby Digital 2.0) ist durchweg gut zu verstehen, auf die Beigabe von Bonusmaterial hat man verzichtet.

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