Lawhead, Stephen R. - Scarlet - Herr der Wälder

Cover Scarlet Scarlet - Herr der Wälder
von Stephen R. Lawhead
deutsch von Rainer Schumacher
Hardcover mit Schutzumschlag
461 Seiten, 19,95 €
ISBN-10: 3785723415
ISBN-13: 978-3785723418

Lübbe

Die Menge an Büchern, die sich auf die ein oder andere Weise mit den Abenteuern des Geächteten Robin Hood beschäftigen, ist Legion und die Inhalte variieren von dem Versuch, historisch halbwegs korrekt sein zu wollen, bis hin zu unerträglichen Schmonzetten.

Der amerikanische Autor Stephen Lawhead, bekannt durch seine historischen Romane wie auch durch Werke im Bereich SF und Fantasy, hat sich des Themas ebenfalls angenommen. Heraus kam eine Trilogie, von der zwei Teile vorliegen und das dritte fertig gestellt aber noch nicht erhältlich ist. Als erklärter Robin-Hood-Fan erhielt ich Teil zwei als Rezensionsexemplar und hatte trotz des Fehlens des ersten Bandes keinerlei Verständnisprobleme und das obwohl sich Lawheads Interpretation doch an diversen Stellen deutlich von üblichen Variationen der Sage unterscheidet.


Wie der Titel bereits suggeriert, steht im Mittelpunkt des Romans nicht Robin Hood selbst, sondern dessen Mitstreiter Will Scarlet. Der größte Teil der Geschichte wird dann auch von diesem in der ersten Person erzählt – Will wurde von den Schergen des Sheriffs gefangen genommen und sitzt nun im Kerker; dort erzählt er einem Mönch seine Geschichte, die dieser auf Geheiß seines Dienstherrn, des üblen Abts Hugo, niederschreibt;  auf diesem Wege wollen der Abt und sein Kumpane Sheriff de Glanville wiederum der Gruppe von Geächteten habhaft werden. Doch Scarlet verzögert durch die Art seiner Erzählung die anstehende Hinrichtung und verrät selbstverständlich auch seine Freunde nicht.

Stephen R. Lawhead verlegt das Ganze ins 11. Jahrhundert und ignoriert die bisherigen Erkenntnisse darüber, wo die Wurzeln der Robin Hood-Legende liegen, geflissentlich. In seiner Variante ist »Rhy Bran y Hud« – ungefähr soviel wie »der zaubernde Rabenkönig« – ein walisischer Edelmann namens Bran ap Brychan, der von den Normannen seines Landes beraubt wurde, was ihn in die Wälder trieb, wo er andere Vertriebene um sich schart und auf Rache sinnt; Nottingham und den Sherwood Forest wird man also ebenso vergeblich suchen wie Robin of Loxley oder Huntington. Die Darstellung ist zwar nach wie vor romantisiert, tendiert aber deutlich etwas in realere Gefilde und Beschreibungen, als man das üblicherweise bei Robin-Hood-Geschichten gewöhnt ist. Auch William geschieht etwas Ähnliches wie Bran, als sein Thane seines Landes beraubt und aus dem leibeigenen Waldhüter mit Perspektive ein mittelalterlicher Arbeitsloser wird, der nicht mehr weiß, wo und wovon er leben soll. Will Scarlet (eigentlich William Scatlocke) hat von den ruhmreichen Taten des Rabenkönigs gehört und will sich ihm anschließen. Dies führt zu einer Reihe von Abenteuern, die jedoch schließlich in seiner Einkerkerung münden.

Der Autor bemüht sich um eine archaische Sprache, um das Szenario lebendiger werden zu lassen. Dies erscheint mir im Großen und Ganzen auch gelungen, zumindest in der deutschen Übersetzung, denn die habe ich – entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten – diesmal gelesen. Ohne Kenntnis des Originals scheint mir die Übersetzung ganz gut geraten, wenngleich ich mich auch hier diverse Male gefragt habe, warum manche Namen im Original bleiben - zum Teil sogar im altenglischen oder walisischen Original - und andere gnadenlos ins Deutsche übersetzt werden. Irgendeine Regelmäßigkeit konnte ich dabei nicht entdecken und so wird es wahrscheinlich ein Geheimnis bleiben, warum der englische König im Buch als Wilhelm und nicht William oder Gulliaume benannt wird.
Eingeflochten in das leicht aufpolierte Stimmungs- und Sittenbild der Zeit (meist) aus der Perspektive Nichtadliger wurden von Lawhead Facetten walisischen Lokalkolorits und neben der Darstellung der christlichen Kirche auch Anflüge des alten Glaubens, der zusammen mit dem Christentum eine Art hybride Religion bildet. An manchen Stellen war's mir fast etwas viel mit der Kirche, aber das mag an meiner persönlichen Abneigung gegen diese liegen. Meiner Ansicht nach ist die Bibel auch nur ein Fantasyroman, nur eben ein sehr erfolgreicher mit verdammt gutem Marketing – und das seit Jahrhunderten. ;o)

Scarlet ist gut lesbar und unterhaltsam, aber leider fehlen dem Roman die Höhepunkte und Spannungsbögen und so plätschert er ein wenig dahin und kann weder mit echten Überraschungen noch mit dem Zwang aufwarten, jetzt die nächste Seite unbedingt noch lesen zu müssen, er ist also nicht das, was man im Englischen als klassischen »Pageturner« bezeichnen würde. Trotzdem würde ich ihn als nicht zu schwere Unterhaltungslektüre für lange Winterabende durchaus empfehlen wollen, insbesondere den Freunden von Robin Hood, die hier eine gegenüber anderen Werken leicht veränderte Perspektive serviert bekommen, was an sich schon nicht unattraktiv ist. Auch die Wahl einer archaischen Sprachform hat mir - wie schon geschrieben - ganz gut gefallen.

Ob ich mir Buch eins und drei der Trilogie auch noch geben werde, weiß ich im Moment offen gesagt nicht, und das obwohl »Scarlet – Herr der Wälder« mit einem Cliffhanger aufhörte. Wer so etwas nicht mag, lässt besser die Finger davon. Für alle anderen gilt: Lawhead hat die Arbeit an Buch drei mit dem Titel „Tuck“ im September abgeschlossen, so dass der Roman in englischer Sprache kurzfristig vorliegen dürfte. Deutsch dauert – wie üblich – etwas länger. Teil eins unter dem Titel »Der Rabenkönig« (engl. »Hood«) ist bereits erhältlich.


Webseite Stephen Lawhead
Stephen Lawhead in der Wikipedia

Robin Hood in der Wikipedia (deutsch)
Robin Hood in der Wikipedia (englisch)

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