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... Stephan M. Rother über Wissen, Pläne, Stil, High Fantasy und den Stabreim

Stephan M. Rother ... Stephan M. Rother über Wissen, Pläne, Stil, High Fantasy und den Stabreim

Der Mantel der Winde - Das ist ein klassischer High-Fantasy-Roman mit allem was das Genre ausmacht. Ein mächtiges Artefakt, Könige, Zwerge, Elben, Zauberei... Klingt für einen, der schon mehr als 1000 Fantasyromane gelesen hat, nicht sonderlich aufregend. Man ist beinahe geneigt, dieses nur Neulingen und solchen mit einem Faible für dieses Sub-Genre der Fantasy. Doch... So ganz einfach ist das nicht, denn der Autor macht es dem Rezensenten nicht unbedingt leicht das Urteil so pauschal zu fällen, denn mit silistischen Kniffen und dem Stabreim findet Rother einen Weg sich abzuheben. Das war uns dann doch ein Interview wert...

Zauberspiegel: „Der Mantel der Winde“ ist, wie ich meiner Rezension festgestellt habe, von der Geschichte her nichts Neues. Es wird mit (allerdings gut komponierten) Versatzstücken der High Fantasy gearbeitet. Absicht, Irrtum oder Unwissen?
Stephan M. Rother: Eine ganz bewusste Selbsteinschränkung. Der Mantel der Winde ist zwar meine erste High Fantasy-Veröffentlichung, aber natürlich sind mir Tolkien und Konsorten vertraut. Mit dreizehn Jahren habe ich wunderscheußliche Tolkien-Pastiches geschrieben – worauf mich Hans-Georg Noack dann aufmerksam machte, als ich bei Arena ein Manuskript einschickte. In Zeiten von Eragon wäre das wohl ein sicherer Erfolg gewesen.
Ein paar Jahre später bin ich dann darüber hinaus gegangen und habe begonnen, ganz eigene Geschichten zu entwickeln – ob man das nun Grusel, Mystery oder sonstwie nennen möchte, jedenfalls etwas, das ganz eigene bis gar keine Gesetze geht.
Nun war ich zum einen neugierig, ob ich überhaupt noch fähig bin, mich mit einer Story in einem klar definierten Genre zu bewegen, zum anderen, ob diese Geschichte dann trotzdem noch etwas Besonderes sein würde. Ob sie sich von einem typischen deutschen Fantasy-Schmöker von Autor XY unterscheiden würde.

Zauberspiegel: Was an dem Buch überzeugt, ist der Einsatz der Sprache. Klar ist, dass dabei Deine Philologiestudium nützlich war (kennen wir ja schon von Tolkien und Pesch), aber inwieweit ist da auch ein Geschichtsstudium nützlich? Gilt vielleicht der Satz: „Viel Wissen hilft viel“, wenn man einen Fantasyroman schreiben will?
Stephan M. Rother: Viel Wissen ist immer ein Vorteil. Wichtiger für einen Autor ist aber, dass er im Studium das Recherchieren lernt. Im High Fantasy-Genre ist das natürlich nicht ganz so sehr von Bedeutung. Vor allem aber verändert das Studium die Perspektive. Ich kann mich noch immer aufregen, wenn ich ein Buch aufschlage und sehe: Oh Gott, das ist wieder diese Story. Die über den dritten Elfen von links. Andererseits weiß ich aber auch, dass das Publikum des dreizehnten Jahrhunderts auch nicht mehr Wert auf Originalität legte als mancher zeitgenössische Fantasy-Konsument. Da ging es dann eben um den dritten Artusritter von links. Eigene Gedanken, neue – auch stilistische – Wege, das war weder gewollt noch gewünscht.

Zauberspiegel: Der Stabreim feiert mit dem Zwerg in „Mantel der Winde“ fröhliche Urständ und kommt zu ganz besonderen Ehren. So was ist kein Zufall. Wie wichtig ist es, Personen eines Romans durch Sprache identifizierbar zu machen?
Stephan M. Rother: Wenn ich einen Film sehe, habe ich meist das Gesicht der Figur, die gerade spricht, vor mir. Ich höre jedes Mal den Ton ihrer Stimme, sehe ihre Mimik und ob sie vielleicht einen langen roten Bart hat oder zwei bis sieben Augen mehr als gewöhnlich. Das kann ich natürlich im Buch beschreiben. Jedes Mal, wenn Waldläufer Wildwuchs spricht, könnte ich hinzufügen, dass er eine besonders tiefe Stimme hat. Doch das wäre langweilig. Ich könnte – im ‚Mantel’ – auch ganz allgemein schreiben, dass die Zwerge einen altertümlichen Sprechstil pflegen, ohne das konkret in den Dialogen zu berücksichtigen. Ich glaube, dass die uneigentliche Beschreibung, die Selbst-Beschreibung der Figuren in ihren Worten und Handlungen sie einfach am spannendsten, farbigsten, lebendigsten macht.

Zauberspiegel: Führt mich zu der Frage: Wie wichtig ist Sprache für einen Fantasyroman, gerade auch wenn wie in der High Fantasy, viele Romane austauschbar geworden sind (was die Stoffe angeht)? Was kann Sprache hier leisten?
Stephan M. Rother: Ich gehe davon aus, dass die Sprache hier noch sehr viel wichtiger ist als in anderen literarischen Genres. In der High Fantasy tauchen wir in eine Welt ein, die niemand von uns jemals zu sehen bekommen wird, außer in seinem Kopf. Es ist eine archaische Welt mit einer anderen, eigenen Mentalität, eine Welt voller Magie. Diesen sense of wonder kann ich natürlich transportieren, indem es ständig knallt und zischt wie im Chemieunterricht in der achten Klasse – oder aber ich versuche, das Gefühl dieser Welt einzufangen. Wir nehmen ja auch in der tatsächlichen Welt nicht die Wirklichkeit wahr, sondern die Wirklichkeit nach dem Koordinatensystem, das wir uns in unserem Bewusstsein angelegt haben. Und dieses Bewusstsein entsteht aus unseren Erfahrungen, unserer Sprache. Und darum ist im Roman – gerade, wenn er eine exotische Welt beschreibt – nicht allein das Was wichtig: Was passiert gerade? Sondern das Wie ist entscheidend. Wie berichte ich über die Geschehnisse, aus welcher Perspektive, mit welcher Sprache, welchem Vokabular, wie bilde ich meine Sätze. Das entscheidet darüber, wie die Welt und ihre Geschichte vom Leser erfahren wird.

Zauberspiegel: Was aber auch gilt: In einem Roman ist der Autor nicht fertig. Wie oft wird uns der Mantel der Winde denn wieder begegnen? Also, wie oft wird die Geschichte fortgesetzt?
Stephan M. Rother: Der ‚Mantel’ ist ja ein Motiv, das sich aus der Mythologie ableitet, den Nornen, die den Schicksalsfaden spinnen usw. Vielleicht liegt die Vorstellung von Zeit, von der Abfolge der Ereignisse an einem Faden, einem Historiker auch besonders nahe. Ich habe jedenfalls ähnliche Motive schon im ‚Weg nach Altamura’ und anderswo eingesetzt. Die Geschichte um den Protagonisten Darek möchte ich an dieser Stelle einstweilen nicht fortsetzen – das ist ja ein Stück weit coming of age-Roman, und das wäre witzlos. Aber es würde mich zum Beispiel reizen, Ylvias Lebensweg weiter nachzuspüren.

Zauberspiegel: Was wird Stephan M. Rother als nächstes machen? Kommt der ultimative historische deutsche Mittelalterroman? Haithabu, Vineta? Oder wieder Fantasy?
Stephan M. Rother: Bis zum Frühjahr stehen insgesamt drei neue Romane an:
‚Der Fluch des Dorian Grave’ schickt ab Oktober noch einmal die Fans des Gothic-Rockers Dorian Grave auf die Reise. Der erste Band ist ja schon ein Stück weit Kult geworden inzwischen. Ich bin bis heute begeistert, dass Baumhaus sich dieses doch sehr speziellen Stoffes angenommen hat.
Der story- und programmplatztechnisch größte der neuen Titel wird ‚Die letzte Offenbarung’ sein, ein Vatikan-Thriller. Eine Leseprobe ist schon online zu finden. Ich bin äußerst gespannt, wie dieses Buch ankommen wird – wenn mich opus dei nicht vorher umnietet.
Und im März 2010 werden wir dann bei cbj den ‚Stein des Raben’ veröffentlichen, den ersten Band der Geschichten um den Fischerjungen Skagen, dessen größter Wunsch es ist, ein großer Barde zu werden. Das ist dann wieder High Fantasy, und, versprochen: Da sind dann auch wieder Zwerge drin – und sogar auf die Herrin der Winde könnte der Leser stoßen.

Zauberspiegel: Besten dank fürs Interview. Wir lesen uns wieder?
Stephan M. Rother: Das hoffe ich doch.

Wer ist Stephan M. Rother?
Stephan M. Rother lebt mit seiner Frau Katja in einem verwinkelten alten Haus voller Katzen und alter Bücher am Rande der Lüneburger Heide. Er ist studierter Historiker mit dem Titel eines „Magister Artium“, war fünfzehn Jahre lang mit historischen Kabarettprogrammen in ganz Deutschland unterwegs und initiierte mit der Markgrafschaft Altamura Deutschlands erste mittelalterliche Webcommunity. Als Autor veröffentlichte er unter anderem „Der Adler der Frühe“ (2000), „Der Weg nach Altamura“ (2005), „Das Geheimnis des Dorian Grave“ (2008), „Der Mantel der Winde“ (2009).

 

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