... Stephan M. Rother über Wissen, Pläne, Stil, High Fantasy und den Stabreim
: Eine ganz bewusste Selbsteinschränkung. Der Mantel der Winde ist zwar meine erste High Fantasy-Veröffentlichung, aber natürlich sind mir Tolkien und Konsorten vertraut. Mit dreizehn Jahren habe ich wunderscheußliche Tolkien-Pastiches geschrieben worauf mich Hans-Georg Noack dann aufmerksam machte, als ich bei Arena ein Manuskript einschickte. In Zeiten von Eragon wäre das wohl ein sicherer Erfolg gewesen.
Ein paar Jahre später bin ich dann darüber hinaus gegangen und habe begonnen, ganz eigene Geschichten zu entwickeln ob man das nun Grusel, Mystery oder sonstwie nennen möchte, jedenfalls etwas, das ganz eigene bis gar keine Gesetze geht.
Nun war ich zum einen neugierig, ob ich überhaupt noch fähig bin, mich mit einer Story in einem klar definierten Genre zu bewegen, zum anderen, ob diese Geschichte dann trotzdem noch etwas Besonderes sein würde. Ob sie sich von einem typischen deutschen Fantasy-Schmöker von Autor XY unterscheiden würde.
: Viel Wissen ist immer ein Vorteil. Wichtiger für einen Autor ist aber, dass er im Studium das Recherchieren lernt. Im High Fantasy-Genre ist das natürlich nicht ganz so sehr von Bedeutung. Vor allem aber verändert das Studium die Perspektive. Ich kann mich noch immer aufregen, wenn ich ein Buch aufschlage und sehe: Oh Gott, das ist wieder diese Story. Die über den dritten Elfen von links. Andererseits weiß ich aber auch, dass das Publikum des dreizehnten Jahrhunderts auch nicht mehr Wert auf Originalität legte als mancher zeitgenössische Fantasy-Konsument. Da ging es dann eben um den dritten Artusritter von links. Eigene Gedanken, neue auch stilistische Wege, das war weder gewollt noch gewünscht.
: Wenn ich einen Film sehe, habe ich meist das Gesicht der Figur, die gerade spricht, vor mir. Ich höre jedes Mal den Ton ihrer Stimme, sehe ihre Mimik und ob sie vielleicht einen langen roten Bart hat oder zwei bis sieben Augen mehr als gewöhnlich. Das kann ich natürlich im Buch beschreiben. Jedes Mal, wenn Waldläufer Wildwuchs spricht, könnte ich hinzufügen, dass er eine besonders tiefe Stimme hat. Doch das wäre langweilig. Ich könnte im Mantel auch ganz allgemein schreiben, dass die Zwerge einen altertümlichen Sprechstil pflegen, ohne das konkret in den Dialogen zu berücksichtigen. Ich glaube, dass die uneigentliche Beschreibung, die Selbst-Beschreibung der Figuren in ihren Worten und Handlungen sie einfach am spannendsten, farbigsten, lebendigsten macht.
: Ich gehe davon aus, dass die Sprache hier noch sehr viel wichtiger ist als in anderen literarischen Genres. In der High Fantasy tauchen wir in eine Welt ein, die niemand von uns jemals zu sehen bekommen wird, außer in seinem Kopf. Es ist eine archaische Welt mit einer anderen, eigenen Mentalität, eine Welt voller Magie. Diesen sense of wonder kann ich natürlich transportieren, indem es ständig knallt und zischt wie im Chemieunterricht in der achten Klasse oder aber ich versuche, das Gefühl dieser Welt einzufangen. Wir nehmen ja auch in der tatsächlichen Welt nicht die Wirklichkeit wahr, sondern die Wirklichkeit nach dem Koordinatensystem, das wir uns in unserem Bewusstsein angelegt haben. Und dieses Bewusstsein entsteht aus unseren Erfahrungen, unserer Sprache. Und darum ist im Roman gerade, wenn er eine exotische Welt beschreibt nicht allein das Was wichtig: Was passiert gerade? Sondern das Wie ist entscheidend. Wie berichte ich über die Geschehnisse, aus welcher Perspektive, mit welcher Sprache, welchem Vokabular, wie bilde ich meine Sätze. Das entscheidet darüber, wie die Welt und ihre Geschichte vom Leser erfahren wird.
: Der Mantel ist ja ein Motiv, das sich aus der Mythologie ableitet, den Nornen, die den Schicksalsfaden spinnen usw. Vielleicht liegt die Vorstellung von Zeit, von der Abfolge der Ereignisse an einem Faden, einem Historiker auch besonders nahe. Ich habe jedenfalls ähnliche Motive schon im Weg nach Altamura und anderswo eingesetzt. Die Geschichte um den Protagonisten Darek möchte ich an dieser Stelle einstweilen nicht fortsetzen das ist ja ein Stück weit coming of age-Roman, und das wäre witzlos. Aber es würde mich zum Beispiel reizen, Ylvias Lebensweg weiter nachzuspüren.
: Bis zum Frühjahr stehen insgesamt drei neue Romane an:
Der Fluch des Dorian Grave schickt ab Oktober noch einmal die Fans des Gothic-Rockers Dorian Grave auf die Reise. Der erste Band ist ja schon ein Stück weit Kult geworden inzwischen. Ich bin bis heute begeistert, dass Baumhaus sich dieses doch sehr speziellen Stoffes angenommen hat.
Der story- und programmplatztechnisch größte der neuen Titel wird Die letzte Offenbarung sein, ein Vatikan-Thriller. Eine Leseprobe ist schon online zu finden. Ich bin äußerst gespannt, wie dieses Buch ankommen wird wenn mich opus dei nicht vorher umnietet.
Und im März 2010 werden wir dann bei cbj den Stein des Raben veröffentlichen, den ersten Band der Geschichten um den Fischerjungen Skagen, dessen größter Wunsch es ist, ein großer Barde zu werden. Das ist dann wieder High Fantasy, und, versprochen: Da sind dann auch wieder Zwerge drin und sogar auf die Herrin der Winde könnte der Leser stoßen.
: Das hoffe ich doch.