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Kauzige Typen und andere Anekdoten... - Diesmal: Heinz-Werner Höber

Der Heftroman nach HübnerKauzige Typen und andere Anekdoten...

Diesmal: Heinz-Werner Höber

Horst Hübner hat jahrelang bei Bastei und Marken gearbeitet. Dabei erlebte er den Sturm und Drang des Unterhaltungsformats Heftroman mit.

Als Redakteur in Bergisch Gladbach und Köln lernte er zahlreiche Autoren kennen. Darunter gab es Großwildjäger, verhinderte Spione und viele andere mehr. Einige dieser Typen beschreibt Horst Hübner in Anekdoten.

Diese Typen wiesen nicht selten eine bunte, bewegte und teilweise auch tragische Lebensgeschichte auf.

Diesmal geht es um den Mann, der Jerry Cotton war und seine tragisch-komische Geschichte...

Nun komme ich zum Mann, der Jerry Cotton war.

Heinz-Werner Höber sonnte sich in dem Erfolg, den er mit Jerry Cotton hatte. Er hatte möglicherweise das Gefühl, trotz seines Erfolges irgendwie zu kurz gekommen zu sein. Er hat sich dann voll und ganz mit der Person des Jerry Cotton identifiziert. Eines Tages war er mit seinem Bürgermeister in Großenmarpe in einen Umtrunk geraten. Irgendwann im Laufe der Nacht ist eine Schnapsidee entstanden: Höber wollte den Namen Jerry Cotton in seinem Personalausweis stehen haben.

Durch den Alkohol war der Bürgermeister willfährig genug, also sind die zwei zur Bürgermeisterei. Der Bürgermeister hat den Pass in die Maschine gespannt und tippte da ein: Heinz-Werner Höber alias Jerry Cotton und hat auch das Dienstsiegel dahinter geklebt. Jetzt hatte er es schriftlich, er war also Jerry Cotton.

Einige Zeit später ist der Werner mal nach Düsseldorf geraten, hat auch einen Zug durch die Stadt gemacht und ist in einer Wirtschaft gelandet. Er stellt sich an die Theke und irgendwie läuft das Gespräch auf Jerry Cotton hinaus. Darauf sagte dann der Höber: „Ich bin Jerry Cotton.“ Die Zecher haben dann den Mann betrachtet, der behauptete, Jerry Cotton zu sein. Und da stand dann ein hagerer, asketischer Mensch, mit Brille auf der Nase, schütterem Haar, und guckte sie giftig an.

Da ging es „Wer willst Du sein?“ „Ich bin Jerry Cotton! Ich kann Euch das sogar beweisen

Er griff zu seinem Ausweis aber weiter ist er nicht gekommen, da haben die ihn ganz furchtbar verdroschen und aus der Kneipe geschmissen.

Werner war auch eine tragische Figur, dem ist alles das widerfahren, was sonst normalerweise hundert Menschen zusammen passiert. Wir saßen eines Tages in der Konferenz. Bei Gustav Lübbe ging das Telefon, am anderen Ende war ein Mann von der Polizei. Was wir als erstes mitbekamen, war, dass mit Werner Höber etwas passiert war. Doch was war geschehen?

Werner Höber war mit seinem Auto, das er mittlerweile sein Eigen nannte, irgendwo bei Nacht über Land gefahren, über eine etwas wellige Straße. In einer Bodenwelle lag ein Mann mitten auf der Straße und Höber hatte den überfahren. Es stellte sich heraus, dass der Mann schon tot war, als Höber ihn überrollt hatte. Werner hatte also einen Toten überfahren!

Dort in der Nähe fand man auch ein Fahrzeug, mit dem der Tote hingekommen war. Der Tote war mit 99,9%iger Sicherheit ein lang gesuchter Straßenräuber, der da schon seit Monaten die Gegend unsicher machte. Dieser tauchte nächstens an den Straßen auf und spielte einen behinderten Menschen oder täuschte mit seinem Fahrzeug eine Havarie vor, um dann den vorbeikommenden Autofahrer zum Anhalten zu nötigen.

Und wenn das geschehen war, hat er den überfallen, ausgeraubt und fürchterlich verdroschen oder zu Fuß davongejagt.

Das ließ sich alles nur mühsam rekonstruieren, aber für uns stand fest, dass diese Geschichte nur dem Höber passieren konnte. „Höber überfährt einen toten Straßenräuber!“

In der Folgezeit, als Jerry Cotton eine riesige Erfolgsserie wurde, da wurden auch zweiseitige Werbungen im Innenteil der Illustrierten Quick geschaltet. Die Anwesenheit von Heinz-Werner Höber in Bergisch-Gladbach war für immer längere Zeit erforderlich. Zuhause saß seine Frau, die sich mit einem englischen Soldaten aus einer benachbarten Garnison angefreundet hatte. Dieser kam als Hausfreund zu Frau Höber, während der Werner in Bergisch-Gladbach war.

Irgendwann passierte es dann, dass die Frau Höber schwanger wurde, aber nicht von Werner, sondern von diesem Soldaten.

Werner ist zu dieser Zeit in Bergisch-Gladbach geblieben, das war in der Zeit, als er Jerry Cotton-Taschenbücher schrieb. Werner hat damals viele davon verfasst. Dann kam auch die Phase der Verfilmungen dieser Taschenbücher, mit George Nader in der Hauptrolle. Das war gleichzeitig der Höhepunkt und auch der Beginn des Niederganges von Werner.

Für die Filmrechte gab es ein Honorar von 15.000 DM. Das hörte sich verdammt viel an, war es aber trotzdem nicht. 1.500 DM gingen an den Verlag, 7.500 an den Werner und ein Teil ging immer noch für die Begleichung seiner Verbindlichkeiten aus der Festspielgeschichte drauf. Und da fing Werner irgendwann an, aufzumucken. Er lieferte seine Manuskripte unpünktlich ab. Sein Lektor und Redakteur war Rolf Kalmuczak. Zu ihm will ich nur sagen, dass er sehr sehr lange im Verlag geblieben ist, er hat zusammen mit Höber unter den Händen van Buggenums den Jerry Cotton zu dieser unwahrscheinlichen Auflagenblüte gebracht, weil er einfühlsam war und auf die Autoren eingehen konnte. Er hatte vor allem immer wieder Ideen für Themen und für grobe Handlungsabrisse, die er den Autoren vermitteln konnte, vor allem aber dem Höber.

Höber hatte seine Manuskripte immer unregelmäßiger geliefert und kam öfter ins Schwimmen, da er nur das Expose mit dem fertigen Titel und Titelbild hatte, aber der Roman dazu fehlte noch. So ging es natürlich nicht.

Höber wurde dann in verschiedenen Hotels oder Gasthöfen einquartiert und durfte dann dort nächtigen. Morgens wurde er vom Chauffeur geholt, das Auto war dann abgeschafft. Er wurde zum Verlag gebracht und hat nebenan im Häuschen von Lübbe ein Schreibzimmer eingeräumt bekommen. Da saß er dann von morgens bis abends und hat produziert. Abends zog er mit uns in die Stadt und da haben wir die Wirtschaften heimgesucht.

Werner Höber war ja nun wieder Single und stand auf eine Rothaarige, die auf den Namen Hildegund hörte. Nun wollte er der irgendwie imponieren und da standen auch noch andere Absichten im Hintergrund. Höber meinte, dass, wenn man einem Mädchen genug Alkohol zu trinken gab, es nach einiger Zeit auch willig wird. Höber stand auf westindischen Rum, Cutty Sark. Und mit der Hildegund hat er dann Cutty Sark getrunken, ein Gläschen nach dem anderen. Irgendwann wollte er das Mädchen so betrunken haben, dass er sie mit nach Hause nehmen konnte. Das Ende vom Lied war gewesen, dass Höber sternhagelvoll vor der Theke lag. Hildegund hat ihre langen roten Haare geschüttelt und war fast wieder nüchtern. So endete die Geschichte.

Übrigens hat dann ein Verlagskollege, der Rainer Müller, auch bekannt unter dem Namen Ray Miller als Sänger, die Hildegund geehelicht. Dieser Verbindung ist aber kein langer Bestand beschieden gewesen. Rainer Müller war auch ein Mann, der die Weiblichkeit liebte und der sein Talent nicht nur an eine einzige Frau verschwenden wollte.

Höber musste also produzieren und das hat er auch redlich getan. Irgendwann ist dann wieder der Chauffeur zu ihm gefahren, um ihn zu holen, weil der morgens nicht kam. Da hörte man aus dem Gasthof, der darüber lag, dass Höber am Vortag ausgezogen war.

Werner war unauffindbar. Und dann passierte das, was nicht hätte passieren dürfen. Höber hatte sich in den Kopf gesetzt, er hatte es ja auch schriftlich im Ausweis stehen, dass er Jerry Cotton war und dass ihm der Verlag zu vielem verpflichtet sei.

So zog Höber durch die Lande und hat in Pensionen und Hotels bis zum Bayerischen Hof in München domiziliert, manchmal einige Tage, manchmal sogar wochenweise. Die Rechnungen gingen zwecks Bezahlung direkt an den Bastei-Verlag. Das war natürlich keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit.

Der Lübbe hat gesagt, wir müssen den Mann irgendwie festnageln und ihm helfen. Das war der gute Mensch Gustav Lübbe.

Aber der Höber war nicht greifbar und hat sich auch nicht greifen lassen. Irgendjemand hat dem Höber dann ins Ohr geflüstert, dass der Bastei-Verlag durch ihn sehr viel Geld verdient habe. Er solle doch den Lübbe verklagen, damit er an diesem Reichtum partizipieren könne. Und genau das hat Höber getan.

Der Streitwert wurde erst mal auf 500.000 Mark festgesetzt. Dann hat Höber gegen den Verlag und Lübbe geklagt und ist in erster Instanz abgeschmettert worden. Er hatte rechtsgültige Verträge unterzeichnet, er hatte sein Honorar für die Heftroman- und Taschenbuchmanuskripte bekommen. Zudem war der Verlag ihm behilflich gewesen, seine Verbindlichkeiten aus dem Ruhrfestspiele-Engagement abzudecken. Das war mittlerweile bezahlt und aus der Welt geschafft. Er ist dann in Revision gegangen, doch in zweiter Instanz ist seine Klage ebenfalls abgeschmettert worden.

Dann brach Werner Höber seine Zelte ab und ging nach Berlin und hat dann bei der VHS Seminare bzw. Vorlesungsreihen gegeben, wie man Erfolgsautor wird.

Vor ein paar Jahren ist Höber dann in nicht besonders guten Verhältnissen in Berlin verstorben.

Ich habe deshalb so viel von Werner Höber erzählt, da ich ihm damit noch einen späten Kranz auf sein unbekanntes Grab legen möchte.

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