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Superhelden der zweiten Reihe: „No Heroics“ und „Extraordinary“

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneSuperhelden der zweiten Reihe
„No Heroics“ und „Extraordinary“

Fällt das Wort „Superheld“ haben wir alle längst ein heroisches und strahlendes Bild im Kopf. Superhelden sind die Guten. Sie retten, wenn nicht schon ständig die Welt, dann aber doch ihre jeweiligen Wohnorte.

Gotham ohne Batman, Metropolis ohne Superman - undenkbar. Egal ob Marvel oder DC, Helden schlagen sich nie mit alltäglichen Problemen herum. Geraten nie in peinliche Situationen.

Helden aus dem Marvel- oder DC-Universum dürfen zwar bisweilen hart am Rand des Guten sein - Deadpool, Suicide Squad. Was ihre Kräfte anbelangt sind sie allerdings immer sehr kompetent ausgestattet. Superheldenkräfte können aber in unterschiedlichen Facetten kommen.  Und manchmal auch gar nicht so nützlich sein. Davon erzählen „No Heroics“ und „Extraordinary“.

Sicherlich ist es von Vorteil, eine Minute lang in die Zukunft zu sehen oder Automaten mit der Stimme manipulieren zu können. Aber in „No Heroics“ reichen diese Kräfte nicht für die ganz große Superheldenliga. Wobei die Serie zwischen normalen Menschen und Menschen mit Superkräften unterscheidet. Warum jemand Superkräfte hat oder nicht ist nicht weiter von Belang.

Tatsache ist: Es gibt Helden, die her in Richtung Superman ausfallen und es gibt Helden, die eher kleinere Brötchen backen. Oder die versuchen so heroisch wie Supermann zu sein, aber dennoch scheitern. Wie Alex „The Hotness“, der Hitze kontrollieren kann und der stets gewillt ist die ganz große Superheldentat zu vollbringen.

Dummerweise gelingt es ihm nie - in der ersten Folge brennt er einen Zeitungskiosk nieder beim Versuch zutiefst heroisch zu sein. Dass eine Beziehung zu Sarah „Electroclash“ gescheitert ist -  nun. Sarah selbst ist desillusioniert und im Schatten ihres bekannten Superheldenvaters aufgewachsen. Don „Timebomb“ ist eigentlich im Ruhestand - mit knapp 30 Jahren - wird aber dann doch wieder tätig, Langeweile verträgt er nicht.

Bleibt noch Jenny „She-Force“ mit ihrem heiteren Gemüt und ihrer Superstärke. Alle zusamment treffen sich regelmäßig in der Kneipe „The Fortress“, deren Regeln lauten „No Maske, No Powers, No Heroics“. Dass „No Heroics“ natürlich auf darauf anspielt, dass die Freundesclique keine Heldentaten vollbringt … das sollte einem beim Anschauen der Serie definitiv aufgehen.

„Extraordinary“ spielt wie „No Heroics“ in England, aber im Zentrum steht Jen, die als Einzige ihrer Freund*innen keine Superkräfte hat. Man erhält die eigentlich in der Regel  wenn man 18 Jahre alt wird. So wie Jens Schwester, die Superstärke entwickelt. Jen ist allerdings schon 25 und hat immer noch keine Kräfte.

Sie lebt mit ihrer besten Freundin Carrie, die Tote channeln kann und bei einer Rechtsanwaltsfirma arbeitet und Kash zusammen. Der kann die Zeit bis zu zwei Stunden vor dem eigentlichen Geschehen zurückdrehen. Zu diesem Trio stößt noch Jizzlord, ein Gestaltwandler, der seit drei Jahren als Katze gelebt hat und sich erst mal wieder daran gewöhnen muss Mensch zu sein.

Die Serie zeigt einerseits wie Jen versucht ihre Kräfte zu bekommen, andererseits auch das Leben einer jungen Frau, die auf der Suche nach sich selbst ist. Dabei denkt Jen immer, dass ihr Leben besser wäre, wenn sie Kräfte hätte.

Was aber nicht der Fall ist, denn Kash und Carrie besitzen zwar ihre Kräfte, sind aber selbst alles andere als Helden. Kash möchte das zwar gerne sein, seine Versuche ein Superheldenteam zu führen scheitern aber. Carrie selbst steckt beruflich in einer Sackgasse. Dass Jizzlord ebenfalls nicht in der A-Liga der Superhelden mitspielt ist auch klar.

Beide Serien gehören nicht zu denen, die das Superheldengenre an sich in Frage stellen oder dekonstruieren wollen. Dies tuen Serien wie „The Boys“ oder „Invincible“ und natürlich der Urvater der Supheldendekonstruktion „Watchmen“. Wobei der Comic durchaus noch etliche Ebenen mehr zu bieten hat als der Film.

Eine Parodie wie „Kick Ass“ etwa sind die beiden Serien allerdings auch nicht. Wenngleich es Momente gibt, die einen bewußt machen wie absurd eigentlich manche Dinge sind. Eine Zahnärztin, die die Gefühle der Patient*innen in hörbare Soundtracks umsetzen kann. Das Abschießen von fliegenden Superhelden mit Nervguns. Das Erwärmen von Mirkowellen-TV-Dinnern mit der eigenen Hand.

Natürlich ist das lächerlich und komisch. Aber in beiden Serien nicht das Wesentliche. Stattdessen erzählen beide Serien Geschichten von Menschen wie Du und Ich, die rein zufälligerweise Superkräfte besitzen - oder auch nicht - und wie diese mit ihrem normalen Leben vorankommen. Oder auch eher nicht.

Was enorm erfrischend ist angesichts der ganzen hochheroischen und edlen Superheld*innen aus dem MCU oder dem DCU. Denn diese Helden verehren wir, sie stehen auf einem Podest, auf das wir nicht hinkommen werden. Wir können uns zwar mit ihnen identifizieren, aber sie sind uns dennoch irgendwie fern und unnahbar.

Die Helden von „No Heroics“ und „Extraordinary“ sind das nicht. Sie sind uns näher und vertrauter mit ihren Problemen, ihrem Beziehungsstress, ihren Ängsten davor Freundschaften einzugehen. Vielleicht könnte Marvel das von den kleinen Underdogs lernen. Es muss auch nicht immer die Rettung der Welt sein. Es reicht ja schon, wenn man versucht einigermaßen das eigne Leben zu meistern. Mit oder ohne Superkräfte.

© Christian Spliess (11/2023)

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