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Missverständnis Bodypositivity: Es geht nicht um Gesundheit

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneMissverständnis Bodypositivity
Es geht nicht um Gesundheit

Aber - Schnappatmung - das kann doch gar nicht sein. Weil es doch um Bodypositivity geht. Da geht es doch, wenn man den aktuellen Diskussionen lauscht, angestoßen von einem ZDF-Format, um Körpferformen! Um dick_fette Körperformen - wenn man den Medien Glauben schenken mag. Kaum ein Artikel über Body-Positivity, der nicht mit dick_fetten Körpern bebildert wird. Kaum eine Debatte über Body-Posititivy, die nicht abgleitet in eine Für-und/oder-Wider gegen fette Körper.

Und damit im Kern an dem Vorbeigeht, was die Bewegung nun eigentlich sein möchte: Eine Rebellion gegen Körper-Ideale an sich.

Über die Frage, was Schönheit ist, kann man sich trefflich streiten. Die Ideale wandeln sich. Jetzt ist zum Beispiel wieder der Heroin-Chique der 90er en vogue. Spindeldürre Models, die über den Laufweg stolzieren und die man am liebsten mit viel Liebe und viel Essen füttern möchte. Seltsamerweise ist das offenbar nicht so das Problem, wobei doch an allen Ecken und Orten darüber geklagt wird, wie furchtbar Instagram und andere Netzwerke Jugendlichen Körperformen vormachen, die auf keinen Fall so gesund sind. Kim Kardashian muss sich nur den Po liften lassen, schon werden die Netzwerke mit Nachfolgerinnen überflutet, die unbedingt auch so aussehen wollen. Markus Lanz könnte eine ganze Sendung über das Thema gestalten. Seltsamerweise wird dem Thema Fettleibigkeit aber scheinbar mehr Zeit eingeräumt als der Frage, ob gewisse Schönheitsideale für Jugendliche wirklich so gesund sind.

Bodypositivtiy setzt sich für die Abschaffung unrealistischer und diskriminierender Schönheitsideale ein. R-E-S-P-E-C-T für alle Formen. Egal ob groß, klein, ob zu dünn, zu dick, zu viel Cellulite, zu viele Krähenfüsse. Falls jemand jetzt hüpfende Frauen von einer Werbekampagne in Unterwäsche vor sich sieht - nun ja, so ähnlich. Bodypositivity stellt die Frage: Was für Körperideale gibt es? Woher kommen sie? Warum denken wir, dass ein Ideal besser ist als das Andere? Und das sind Fragen, die nichts mit Gesundheit per se sondern mit der Gesellschaft an sich. In was für einer Gesellschaft möchten wir leben? In einer, in der Menschen ständigem Hass wegen ihrer Körper ausgesetzt sind? Oder in der sich Jede*r vorwerfen lassen muss, nur weil er seinen Körper zeige verherrliche er irgendetwas? Und warum kann man eigentlich nicht mal seinen Mitmenschen in Ruhe sein Leben leben lassen ohne sich ständig einmischen zu wollen? So grundsätzlich mal ein bisschen Respekt und Höflichkeit? Wo sind die eigentlich abgeblieben in unserer Gesellschaft? Gute Frage. Nächste Frage.

Dass Bodypositivity mit dick_fetten Menschenbildern verknüpft ist, ist einerseits aus der Geschichte der Bewegung verständlich - dick_fette, dazu auch noch teilweise schwarze Frauen haben die Bewegung ja gegründet. Andererseits aber regt der dick_fette Körper auch auf. Er provoziert. Er provoziert, weil er einem gewissen Ideal im Wege steht. Eines gegen das Bodypositivity sich richtet: Dem Ideal, dass nur der schlanke Körper alleine Gesundheit gepachtet und vor allem verdient hätte. Das führt zur Diskriminerungen, die angesprochen werden müssen. Und es führt dazu, dass Medien - weil sich alle Leute gerne über fette Körper aufregen und über Gesundheit mutmaßen müssen - natürlich den Scheinwerfen eher nicht auf Untergewichtige, Rollstuhlfahrende, Kleinwüchsige und andere Körperformen richten. Denn das bringt keine Quote. Oder Aufmerksamkeit in den sozialen Medien.

Ob Bodypositivity schützt oder schadet ist eine Frage, die wissenschaftlich leider nicht beantwortet wird. Denn immer, wenn zu dem Begriff geforscht geht, geht es halt eher um das Auftreten von Körperbildern in den Medien. Eher weniger um gesundheitliche Aspekte. Es gibt einige Studien mit kleineren Gruppen, die positive Hinweise geben. Aber eher zu Health At Every Size. Nicht unbedingt generell zu Bodypositivity. Was unterschiedliche Ansätze sind, die gut zusammengehen. Aber HAES ist ein anderes Konzept. Ob sich durch Bodypositivity nun Gesundheit erlangen oder verlieren lässt - das ist wissenschaftlich bisher nicht erforscht.

Womit wir dann am Ende beim Glauben angekommen sind. Vielleicht auch nicht unbedingt. Natürlich: Wenn ich meinen Körper erstmal akzeptiere so wie er ist - ohne, dass ich durch falsche Filter, durch komische Kosmetiktrends oder der Einstellung, ich sei zu dick obwohl ich das nicht sei - kann ich mich auch anfangen, um ihn zu kümmern. In welcher Art und Weise das passiert ist dann halt die Sache der einzelne Person. Vielleicht mag es uns auch falsch vorkommen, wie man sich um den Körper kümmert. Vielleicht aber sollten wir auch einfach eingestehen: Respekt und Höflichkeit im Umgang mit Leuten, die wir nicht kennen, deren Geschichte wir nicht kennen sollte eigentlich immer noch selbstverständlich sein. Und nein: Gesundheit und Bodypositivitiy sind nicht gleichzusetzen. Das sollte man wissen. Ebenfalls auch: Solange wir keine soliden wissenschaftlichen Daten in der Hand haben - solange ist es halt auch eine Fehde zwischen Glaubenseinstellungen.

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