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Sarkastisch-fluffige RomCom-Dekonstruierung: »My Crazy Ex-Girlfriend«

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneSarkastisch-fluffige RomCom-Dekonstruierung
»My Crazy Ex-Girlfriend«

Ach, die romantische Komödie, in deren Mittelpunkt immer der überaus schlanke und attraktive weibliche Charakter steht, der sich unsterbliche in einen gut aussehenden Kerl verliebt hat. Ihre mehrgewichtige beste Freundin ist immer mit einem Rat zur Seite. Der Hauptcharakter macht dann im Laufe des Films Anstalten, den Kerl zu kriegen - es folgen mehr oder lustige Situationen und am Ende erkennen Beide: Sie waren schon immer für einander bestimmt. 

Während der romantische Liebessong sich über den Abspann ergießt, geht man mit dem Glauben an die große Liebe, die da draußen auf einen wartet wieder in den Alltag. Es sei denn, man hat den Film gerade mit seiner Liebsten oder dem Liebsten gesehen.

Dass das Genre mittlerweile wie die Hallmark-Weihnachtsfilme auch etwas mehr diverse Optionen aufzubieten hat - Männer können sich auch ineinander verlieben, schön, das wäre vermutlich in Teilen von Texas immer noch ein Skandal - aber im Grunde genommen kennt man das Schema der RomCom, wenn man eine gesehen hat. Und dass diese Schema immer noch erfolgreich ist, das zeigt ja das Remake von „Eine wie keine“. Momentan Platz 1 auf der Beliebtheitsskala von Netflix. Also „Einer wie keiner“, denn diesmal geht es um ein Makeover eines Kerls, das von einer Influencerin - ja, doch, richtig gelesen - durchgeführt wird.

Demgegenüber ist das, was zumindest in Staffel Eins der Serie „My Crazy Ex-Girlfriend“ passiert erfrischen, innovativ und dennoch herzerwärmend. Vor zehn Jahren brach Josh Chan im Sommercamp das Herz von Rebecca Bunch. Zehn Jahre später ist sie erfolgreiche Anwältin in New York, aber zutiefst unglücklich. Zufällig trifft sie Josh wieder, der erwähnt, dass er in den kleinen Ort West Covina nach Kalifornien zieht. Kurzentschlossen bricht Rebecca ihre Zelte in New York ab und reist Josh hinterher. In West Covina hat sie sich eine Stelle in einer örtlichen Anwaltskanzlei gesichert und läuft dort Paula über den Weg, die ihre beste Freundin wird. Für Paula ist die Sache klar: Rebecca und Josh sind füreinander bestimmt, also tut sie alles, um die Beiden zu verkuppeln. Das Problem: Josh hat eine Freundin und dann ist da noch Greg, für den Rebecca ebenfalls Gefühle entwickelt.

Das alleine lässt schon ahnen, dass die Serie nicht den üblichen Gesetzen des Genres folgt. Schön, die beste Freundin ist ebenfalls mehrgewichtig, aber sie - und alle anderen Nebencharaktere - haben tatsächlich passable Handlungsbögen. Ob Mehrgewicht oder das Outen eines Charakters als biseuxell - keine große Sache. Dass die Charaktere durchaus mit Respekt behandelt werden hebt die Serie schon mal aus dem Einerlei hervor. Zudem: Jede Folge hat mindestens einen Song. Womit „My Crazy Ex-Girlfriend“ in das Genre der Musical-Serien fällt - jedenfalls ein bisschen. Wie in einer Oper die Arien dienen die Songs auch hier dazu, das Innenleben der Charaktere sichtbar zu machen. Was in der Serie zu etlichen großartig inszenierten Anspielungen an das Genre des Musicals selbst wie auch die Popkultur führt.

Da wirbelt Paul wie Schneewittchen-Disney durch einen Wald - allerdings liegt da ein totes Reh und die Vögel sind die Mitarbeiter in Kostümen.  Greg fleht Rebecca an, sich ihn doch wenigstens mal anzusehen - wenige Sekunden später sind wir in einem Schwarz-Weiß-Klassiker mit Fred-Astair-Charme gelandet. Wenn Rebecca eine depressive Phase hat, findet sie sich in einem französischen existentialistischem Schwarz-Weiß-Drama in Paris wieder. Das Outing von Rebeccas Chef erfolgt in einer Disco-Nummer - komplett mit Lasern und Schwarzlicht. Die Bandbreite der Songs reicht also tatsächlich von eher klassischem romantischem Musicalmaterial über die Adaption eines irischen Folksongs bis zum Popsong a la Highschool-Musical. Das muss man schon mögen.

Ebenso mögen muss man, dass „Crazy Ex-Girlfriend“ sarkastische Seitenhiebe auf das RomCom-Genre verteilt. Vor allem Heather, Gregs Freundin, hält sich da kaum zurück. Durch die ständige Referenz von Paula an die bekannten Vorbilder werden die Zuschauenden auch immer wieder daran erinnert, dass es hier nicht so idyllisch und romantisch zu geht wie in einem Genre-Film. Wobei: Romantische Szenen gibt es natürlich auch. Und da die Schauspieler wirklich, wirklich gut sind - sie müssen ja singen, tanzen und gleichzeitig glaubhaft ihre Charakter verkörpern - ist man nach einigen Folgen auch wirklich - nun …

Natürlich ist es eine Comedy-Serie. Natürlich geht es immer um Lektionen, die die einzelnen Charaktere lernen müssen. Natürlich ist das alles nichts, was wirklich nachhaltig im Gedächtnis bleibt. Aber … Rachel Bloom als Rebecca ist dermaßen entzückend, anrührend und man möchte sie manchmal einfach nur in den Arm nehmen. Dass sie immer wieder durch ihre Lügen und ihre Impulsivität in überaus konfliktreiche Situationen gerät - und eigentlich ihre Probleme aufarbeiten sollte, allerdings scheitert selbst ihre Therapeutin dadran - sorgt natürlich für den Konflikt in der Folge. Darüberhinaus ist es auch die Frage, die die erste Staffel durchzieht: Finden Josh und sie zusammen? Entscheidet sie sich nicht doch noch für Greg? Am Ende gibt es natürlich eine Antwort, aber Rebecca gelingt es tatsächlich selbst dieses Happy-End wieder in Frage zu stellen - was dann in der zweiten Staffeln zu einigen Entscheidungen führen wird.

Nein, diese Serie ist nicht wirklich für Jede*n. Aber die Songs sind wirklich klasse und auf den Punkt. „Friends, Friends“ hat es auf TikTok zu einigem Ruhm geschafft. Man kann sich rasch in die Charaktere verlieben und fiebert mit ihnen mit, die Nebencharaktere sind mal nicht die üblichen Klischee-Figuren und überhaupt gibt es Entwicklungen in dieser Serie mit denen man einfach nicht rechnet. Wer Netflix hat und Zeit - jede Folge ist 45 Minuten lang, es gibt vier Staffeln - sollte sich zumindest die ersten Folgen anschauen. Übrigens: Die Titelsequenz ist natürlich auch eine Musical-Nummer.

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