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Trauer, Verlust und Neuanfang: »WandaVision«

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneTrauer, Verlust und Neuanfang
»WandaVision«

Unsere Gesellschaft redet nicht gerne über den Tod. Über den Verlust und über die Trauer auch nur ungerne. Das ist kein Thema, dass zur positiven Aufpropfung des Lebens passt. Lieber optimieren wir uns selbst und sind geneigt, Trauernden den Rat zu geben, doch ab jetzt wirklich mal wieder ins Leben zu gehen. Dass Trauer unterschiedlich erlebt wird und man auch Jahre nach dem Tod eines Menschen noch lange nicht damit abgeschlossen ist, das wird von unserer Gesellschaft gut und gerne ignoriert.

Sicherlich ein Thema über das man reden müsste - und über das Fernsehserien durchaus das Ein oder Andere zu sagen haben. So wie WandaVision.

Schauen wir zuerst auf das Finale, denn das hat etliche Fans etwas enttäuscht zurückgelassen. Statt der großen kosmischen Erweiterung des Marveluniversums, statt des Gastauftrittes von Doctor Strange endet die Serie zwar durchaus spektakulär, allerdings nicht so kosmisch, wie die Fans mit ihren Theorien das wahrhaben wollten. Wobei man durchaus anmerken muss: Einige Dinge sind nicht aufgeklärt und man kann vermuten, dass diese das auch nie werden. Wer ist diese Person im Zeugenschutzprogramm, die Woo auf einmal vermisste? Wie vermag Agatha es einem ganz normalen Menschen die Fähigkeiten von Quicksilver zu verleihen? Eine Kette reicht da als Erklärung nun ich wirklich nicht aus. Und wenn Westview wieder normal wird - wie geht das mit der Bestrafung Agathas zusammen? Wird die Rolle dann weitergespielt? Muss wohl, aber … Warum reagiert Monika so negativ auf die Erwähnung von Captain Marvel? Nun ja. Es gibt also neben den offensichtlichen Leerstellen, die andere Filme und Serien füllen müssen auch noch Löcher, die wir vermutlich als Leerstelle stehen lassen müssen. Gigantisch ist das Finale nicht. Das Thema Leerstellen und das Füllen derselben ist definitiv jedoch das Thema, dass die Serie prägt.

Der Tod hinterlässt immer Leere. Leere, die man verarbeiten muss und Leere, die man füllen muss. Leere, die Wanda in einen Zustand der Verzweiflung geworfen hat. Dass Wanda, nachdem sie Vision Körper besucht hat und vor den Anfängen dessen steht, was einmal Vision Vorstellung von einem Lebensabend darstellt, dass sie dann aus sich heraus eine Welt erschafft in der alles perfekt ist … Das kann man durchaus nachvollziehen. Wer hätte nicht schon nach einem Todesfalls sich die Folgen seiner Lieblingsserie angesehen, sich ins Bett gekuschelt mit Tee und den Liebelingsbüchern? Oder hätte sich nicht in andere Dinge gestürzt, nur um sich abzulenken? Denn Ablenkung ist das, was Wanda ja erreichen möchte. Und auch perfekt erreicht hat. Der Vision in ihrer Welt ist alles das, was sie in ihrem Herzen bewahrt hat. Ebenso wie die Kinder ein Teil von ihr sind. Die perfekte Familienidylle, die von dem ablenkt, was sich Wanda nicht eingestehen möchte oder sich noch nicht eingestehen kann.

Gegenübergestellt wird Wanda dann die Figur der Monika Rambeau - und es wird auch deutlich, wie chaotisch die Ereignisse aus Endgame sich auf die Gesellschaft auswirken. Während Wanda sich in die Behaglichkeit zurückziehen kann, ist das Monika, die den Tod ihrer Mutter verarbeiten muss, nicht gegeben. Hier greift die Serie das Konzept des Trauerns und Verlustes nochmal auf, allerdings hält sie sich nicht damit auf. Allerdings zieht oder flüchtet sich Monika in eine andere Art von Zurückweisung der Trauer. Sie stürzt sich in die Arbeit. Sie versucht überhaupt nicht irgendwelche Leerstellen aufkommen zu lassen, stattdessen zeigt die Serie sie ja - bis auf den Westview-Charakter von ihr - permament bei der Arbeit. Permanent bemüht, Dinge zu organisieren und hinter das Geheimnis von Westview zu kommen. Tränen und Trauer, dafür bleibt keine Zeit. Wobei es schade ist, dass die Serie das hier etwas unter den Tisch kehrt. Vielleicht hätte der Charakter von Monika durchaus auch noch davon profitiert, dass gezeigt wird, wie sie eben doch noch trauert oder zumindest in einigen Momenten mit dem Schicksal ihrer Mutter ringt. Das hätte ihr etwas mehr Tiefe verliehen. Die Glaubwürdigkeit der Szene, in der Monika versucht Wanda davon zu überzeugen, dass sie nicht ihre Feindin ist und dass sie nachfühlen kann, wie es ihr geht - diese Glaubwürdigkeit fehlt dann leider etwas. Der gewünschte Martha-Moment trifft hier eh dank Agatha nicht ein, allerdings fehlt der Szene dann auch definitiv die Tiefe, die sie haben könnte. Wenn wir vorher gesehen hätten, dass auch Monika nicht die perfekte seelenlose Figur ist, die sie vorzugeben scheint.

Springen wir zurück zum Anfang. Die Gesellschaft gibt uns Muster vor, wie wir mit Trauer und Verlust umzugehen haben. Dazu gehört die schwarze Kleidung, das anständige Abwarten bis man sich wieder neu verheiratet. Dazu gehört, dass wir vermittelt bekommen, dass die Zeit der Trauer nach dem Begräbnis allmählich vorbei sein sollte. Das Muster, das Wanda allerdings für sich nutzt - und das schon beim Tod der Eltern einsetzt - ist das der Sitcom. Das sich im Laufe der Zeit auch ändert, zeigt, dass Wanda sich mehr und mehr mit der Trauer auseinandersetzt. Vor allem natürlich wegen der äußeren Einflüsse, aber auch weil der von ihr gestaltete Vision Dinge hinterfragt. Ein Teil von ihr also, dem bewußt wird: Auf Dauer kann das Ganze nicht funktionieren. irgendwann wird sich die unterdrückte Trauer Bahn verschaffen und dann könnte es mit einer Explosion enden. Was es ja mehr oder weniger auch tut. Und wie heftig sich Wanda dagegen wehrt, dass äußere Einflüsse ihr das Ganze verderben - das kann man ja bei Monika Rambeau sehen, die durch die vier Wände - dezenter Hinweis an uns - zurück in die wirkliche Welt geschleudert wird. Das entschiedene Nein betrifft auch den SWORD-Agenten, der als Imker bei ihr auftaucht. Zu Beginn will Wanda nicht, dass ihr jemand das Paradies vermiest. Zudem: Offenbar ist Wanda auch von ihrem eigenen Zauber umwoben worden. Sie leugnet ja, dass sie in Westview alles kontrolliert, sie weiß auch nicht zu Beginn, wie das alles zustande gekommen ist. Erst auf Agathas Drängen und unter ihrem Einfluss gibt sie den Erinnerungen Raum.

In dem Wanda sich aber mit den Erinnerungen beschäftigt, kommt sie der Verarbeitung ihrer Trauer ein Stück näher. So kann sie zum Schluss sich von ihren Kindern und auch von Vision verabschieden - in der Hoffnung, dass sie ihn und die Kinder irgendwann mal wiedersieht. Was, da wir Comics ja zur Genüge kennen, demnächst vermutlich im Doctor-Strange-Film der Fall sein sollte. Charaktere sterben zu lassen trauen sich Comic-Zeichner nicht richtig, denn wenn sie einen der Hauptcharaktere beerdigen, verliert der Comic ja auch ein beachtliches Stück für die Leser*innen. Es gibt ja keinen Grund, einen Batman-Comic zu kaufen, wenn Batman tot ist. Auf Dauer wird auch der Name dann schwierig. Daher stehen Comic-Charaktere in der Regel wieder aus dem Grab auf. Manchmal auf sehr merkwürdige Art und Weise - erinnert sich jemand daran, als Batman durch die Zeit reiste? Mann, war das krude.

Was jetzt als Neuanfang auf die Figuren wartet? Monikas Zukunft steht in den Sternen, wie es kurz angedeutet wird. Wanda hat sich zurückgezogen und erforscht offenbar Wege und Mittel, wie sie ihre Kinder zurückbekommen kann. Agatha bleibt in der Rolle der Neugierigen Nachbarn gefangen. Werden die Bürger*innen von Westview wieder normal leben können? Was wird mit SWORD? Dass Monika hier die Leitung übernimmt ist eher unwahrscheinlich. Neuanfänge kommen selten mit kompletten Antworten daher. Und in dem Fall ist das Absicht, schließlich soll der nächste Film ja noch gesehen, die nächste Serie rezipiert werden. Insofern: Sicherlich wäre es interessant, einen Blick in die Seelen der Bürger*innen von Westview zu werfen. Denn auch hier geht es um Trauer und Verlust - ein Teil des Lebens, das sie gelebt haben, war schließlich nicht ihres. Mit der Tatsache muss man auch erstmal fertig werden. Vielleicht ist es das, was WandaVision uns vor Augen führt: Egal wie lange es auch dauert - irgendwann geht alles wieder seinen gewohnten Gang. Fragt sich nur, was normal ist.

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