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Uniformen und Übergrößen: Hat Star-Trek ein Problem mit adipösen Charakteren?

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneUniformen und Übergrößen
Hat Star-Trek ein Problem mit adipösen Charakteren?

Anlässlich der neuen Picard-Serie spült mir Facebook momentan eine Reihe von neuen Merchandising-Angeboten in den Stream. Ich fühle mich da zwar nicht angesprochen, weil ich auch bei fiktiven Organisationen mit Uniformen Unbehagen verspüre. Dann hören die Übergrößen eh meistens bei XXL auf, wenn überhaupt und dann sind da immer die Blicke und das Verhalten. Nicht nur von Außenstehenden. Auch von Fans.

Gerade Star-Trek schreibt sich ja auf die Diversität auf die Fahnen. Was Hautfarben anbelangt: Check. Was LBGQ-Charaktere anbelangt: Ja, relativ spät bei DSN, aber check. Was menschliche Körperformen betrifft: Hmm … Harcourt Fenton Mudd fällt mir ein, Cyrano Jones auch. Das war es dann aber. Und diese beiden Beispiele stammen ja schon aus der Ära von Kirk und Co. Mudd etwa hat seinen Bauch in Discovery längst abgelegt. Da fällt einem sonst nur noch Neelix ein, der als Koch ein paar Pfunde zuviel hat. Vielleicht noch Guinan in TNG, aber die sah man auch selten jenseits der Bar und ich kann mich jetzt auch nicht direkt erinnern, wie füllig oder schlank sie war. Und Guinan ist definitiv alles, aber nicht menschlich. Sie sieht nur so aus.

Jetzt kann man argumentieren, dass die Sternenflotte ja eine Organisation ist, die ähnlich wie die Bundeswehr ein gewisses Maß an Fitness voraussetzt und auch darauf drängt, dass diese eingehalten wird. Im Corbomite-Manöver etwa bemerkt Dr. McCoy, dass Kirk einige Pfunde mehr auf die Waage bringt als sonst, also ändert er dessen Diätkarte. Einiges deutetIch darauf hin, dass der Replikator auch gewisse ungesunde natürliche Zusatzstoffe durch künstliche Inhaltsstoffe ersetzt hat. Bekanntlich gibts kein echtes Bier auf der Enterprise. Und Deanna Troi ordert auch störrisch in der achten Folge der dritten Staffel von TNG, <The Price>, <einen echten Schokoladenbecher.> Der Computer fragt nach, was denn bitte echt heißen soll und Deanna gibt zurück: <Nicht eine Ihrer perfekt synthetisierten, genial verbesserten Imitationen. Ich hätte gerne echtes Schokoladeneis, echte Schlagsahne.>

Die Antwort des Computer darauf ist interessant: Zwar ist das nicht in den Einstellungen vorgesehen, diese lassen sich aber überschreiben. Das deutet darauf hin, dass es tatsächlich künstliche Ersatzstoffe für die meisten Mahlzeiten gibt. Vermutlich werden die Replikatoren von Offizieren auf Diät dementsprechend auf eine gewisse Kalorienanzahl programmiert - und wenn man diese überschreitet, warnt der Computer mit sanfter Stimme.

Nun ist die Föderation tatsächlich mit der Bundeswehr vergleichbar: Schließlich ist man nicht nur an der friedlichen Erforschung des Universums beteiligt sondern befindet sich ab und an auch in bewaffneten Konflikten. Seien es Romulaner, die Borg, die Klingonen, die außerirdische Gefahr der Woche … Da muss man schon auf zack sein. Klar. Insofern: Wenn die Föderation an sich schon bei der Aufnahme in die Akademie klar macht, dass man entweder sein Gewicht verlieren soll oder sich das mit der Karriere in der Sternenflotte abschminken kann - das ist ihr gutes Recht als dann doch teilweise militärische Organisation.

Aber was ist dann mit den Zivilisten? Bis auf die schon genannten Ausnahmen oder Außerirdische sind im Star-Trek-Universum selbst die Zivilisten auf den einzelnen Planeten rank und schlank. Auf jedem. Und dafür gibts keine Erklärung. Es wird nie angesprochen. Jetzt kann man vermuten, dass auf der Erde eine höhere Stelle dafür sorgt, dass die Computer dementsprechend immer so programmiert sind, dass sie den Zivilisten das genau Kalorienmaß pro Tag zumessen … Aber das würde auf eine totale Überwachung jedes Einzelnen hindeuten. Kann man sich das im kuscheligen Star-Trek-Universum vorstellen? Wo doch immer wieder über moralische Fragen debattiert wird?

Schön, wenn man sich Discovery anschaut und die Folge <New Eden> kann man hier argumentieren, dass die Siedler ein ländliches Leben führen, kaum industriell hergestellte Nahrung zu sich nehmen und vermutlich nach einem Tag harter Arbeit erschöpft zu Bett sinken. Des weiteren kann man eventuell auch annehmen, dass die Menschheit grundsätzlich die gesunde Ernährung verinnerlicht hat, so dass sie von sich aus so ernähren, wie es ihnen jeweils gut tut. Die Medizin mag mit Sicherheit auch die ganzen Nebenerscheinungen von Medikamenten ausgeräumt haben, die zur Gewichtszunahme führen oder diese Krankheiten generell total beseitigt haben.

Das mag alles sein, aber eine vernünftige Erklärung im Universum a la <Da gabs mal Außerirdische, die irgendwie das menschliche Genom auf Planeten verstreut haben, deswegen sehen die alle so ähnlich aus wie Menschen> - das war doch die Erklärung dafür, oder - gibt es für die ranken und schlanken Zivilisten auf allen Planeten nicht. Jetzt kann man sagen: Ist doch egal. Es ist doch ein fiktives Universum. Was solls.

Nun: Gerade Star-Trek schreibt sich auf die Fahnen die Diversität hochzuhalten. Hautfarben spielen keine Rolle. Das Geschlecht nicht - na ja, das hat eine Weile gedauert aber mit Jadzia Dax hatten wir ja dann auch den ersten lesbischen Kuss in DSN. Star Trek ist das hehre Ideal der Toleranz: Wenn man selbst mit Klingonen Frieden schließen kann, dann kann man das mit fast allen Kulturen. Gut, es geht nicht mit allen Kulturen, aber wie oft in den TNG hochgehalten wird, dass man mit Verständnis weiterkommt als mit Gewalt alleine? Wenn das der Fall ist, warum sind in den neueren Serien keine Charaktere mit Übergewicht vorhanden, die eine positive Vorbild-Stellung einnehmen?

Und: Die Reaktion auf Leute, die etwas mehr auf den Rippen haben und es dennoch wagen in Star-Trek-Uniformen herumzulaufen … ist ähnlich der, wenn Adipöse es tatsächlich wagen im Bikini oder in Badehosen im Freibad herumzulaufen. Nicht nur von Außenstehenden, sondern auch von Star-Trek-Fans selbst. Was ja auch nicht verwunderlich ist, wenn Star-Trek die Ideale der Diätkultur in die fiktive Zukunft verlagert. Dabei ist das Adipositas-Problem komplex und nicht einfach mit <Weniger Essen, mehr Sport> abgetan. Genauso wie Rückenschmerzen verschiedene Ursachen haben können, genauso wie Magenschmerzen vielleicht eine Unverträglichkeit als Grund haben, vielleicht ist da auch ein Magengeschwür entstanden, vielleicht verträgt man auch einfach bestimmte Medikamente nicht - genau so komplex ist das mit der Adipositas.

Während Star-Trek sonst Diversität und Harmonie feiert, bleibt diese Harmonie also offenbar nur den Schlanken und angeblich Gesunden vorenthalten. Es ist also kein Wunder, wenn Fans mit Bauch und Uniform argwöhnisch beäugt werden. Sie erinnern unangenehm daran, dass auch Menschen mit anderen Körpern genauso ein Recht und Spaß daran haben, sich als Captain der Sternenflotte zu führen wie alle anderen auch.

Kommentare  

#1 Laurin 2020-01-31 13:47
Nun ja, bei der Enterprise unter Picard flogen ja auch eine Menge Wissenschaftler und Zivilisten mit, die bei größeren Gefahren eh nichts machen konnten als zusehen und Fingernägel kauen. Die Verhältnisse an Bord sind dabei denen im irdischen Wohnzimmer vergleichbar, so das selbst bei einem Flug von mehreren Jahren nicht wirklich jeder rank und schlank sein müsste. Nur molligere Menschen passen nicht in das Phantasiebild einer (realen) Gesellschaft, welches nicht einmal in der Realität bestand hat (Übergewicht ist auch in den USA durchaus ein sehr hohes Problem, da Gesellschaft Fastfood in den Ballungszentren). Grundsätzlich kann man da das Star Trek-Universum auch nicht mit der wirklichen Welt vergleichen. Bei Astronauten ist eine entsprechende Fitness ja unumgänglich, denn im Gegensatz zu der Besatzung aus einer SF-Serie müssen Astronauten ja quasi mit einer Stahl ummantelten Sprengladung unter dem Hintern ins All fliegen und treffen dabei auf Umstände, die den irdischen in vielen Dingen völlig entgegengesetzt sind und die sie sich eben nicht mit diverser Technik auf futuristischem Niveau zurechtbiegen können. Die Notwendigkeit liegt hier also wesentlich höher als bei Bedingungen wie in der Star Trek Serie. Das eigentliche Problem hier liegt eher zwischen Anspruch und Realität in unserer Gesellschaft begründet, da macht man sich die Welt in einer SF-Serie zumindest mal entsprechend (aber leider unrealistisch und auch etwas ausgrenzend) schöner.
#2 Des Romero 2020-02-01 07:43
Zum Glück gibt es einen SF-Film, der über Diversität mit bestürzender Sachkenntnis berichtet und auch die Probleme Übergewichtiger im Weltraum schonungslos aufdeckt. Und obwohl (T)Raumschiff Surprise oberflächlich als Komödie daherkommt, ist es Regisseur Bully Herbig gelungen, die auf Hochglanz polierte Fassade unserer Gesellschaft einzureißen. So gibt es nicht nur stark untersetzte Intellektuelle, sondern auch schlanke Vollidioten, beispielhaft und mitreißend überzeugend verkörpert von Til Schweiger.
Das ist echte Vielfalt! Da legt Herbig den Finger auf die Wunde und lässt das Auflachen zu einem schmerzvollen Schrei werden.
#3 AARN MUNRO 2020-02-03 10:35
Unabhängig von SF hatte Shatner als T.J. Hooker ja mehrere Seasons/Staffeln lang gezeigt, dass er auch als Dicker sehr (schnaufend-laufend) entschlussfreudig was drauf hat.
Erwähnt sei noch, außrerhalb der SF allerdings und damit natürlich nicht im Weltraum: Cannon und Nero Wolfe.
#4 AARN MUNRO 2020-02-03 10:38
Im Perry RHodan war das übrigens bei Hans Kneifels Romanen auch so. Dort gab es weder Alte noch Dicke noch Kinder. Alle earen jung, hübsch, kräftig-muskulös und sportlich.Sehr idealisiert.Immerhin ließ er graue Schläfen zu und Gesichtsfalten um die Augen.

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