Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Der Passierschein A 38 und die Frage, ob die Welt verrückt ist

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneDer Passierschein A 38 ...
... und die Frage, ob die Welt verrückt ist

Diese 10 Minuten sollte man sich gönnen, denn der Ausschnitt aus „Asterix erobert Rom“ – über dessen Gesamtqualität man streiten kann – hat einen sprichwörtlichen Ausdruck geprägt: „Passierschein A 38“ als Ausdruck für eine Situation aus der man wegen dessen Absurdität einfach nicht entkommen kann. Verwandt ist sie dem berühmten Catch 22, der bekanntlich beweist dass man nicht verrückt sein kann wenn man sich verrückt meldet.

Während Catch 22 einer genaueren Untersuchung bedürfte kann man anhand des Videos aus „Asterix erobert Rom“ aber sehr schön etwas über Kommunikation und Weltkonstrukte lernen.

Die Aufgabe erscheint leicht, es handelt sich um einen verwaltungstechnischen Vorgang: Asterix und Obelix sollen sich den Passierschein A 38 besorgen. Aus dem „Haus, das Verrückte macht“. Eine der Aufgaben, die Cäsar den beiden Galliern stellt um zu testen ob diese wirklich Götter sein können. Das direkte Auftragsgespräch ist eigentlich klar, auch wird deutlich dass die Szene eine Parodie auf so manchen Behördengang und Verwaltungen ist. Aber das ist erstmal nicht der Punkt.

Denn: Als Asterix und Obelix das Haus betreten haben sie ohne es zu wissen die „normale Welt“ – die Welt, in der sie bisher ohne Zweifel und Paradoxien kommuniziert haben – hinter sich gelassen. Sie agieren daher erst mal so wie bisher – normalerweise würde der Pförtner ihnen in der „normalen Welt“ sofort Auskunft geben, sie stoßen aber hier schon auf eine Kommunikationsstörung: Der Pförtner ist schwerhörig, mag es aber nicht so sehr wenn man ihn anbrüllt. Nachdem klar ist, dass keine Galeere angemeldet werden soll bekommen Asterix und Obelix eine Handlungsanweisung: Schalter eins, Korridor links, letzte rechte Tür.

Das Haus, das Verrückte macht
Allerdings: Es gibt keine rechte Tür. Asterix und Obelix handeln daher so, wie sie es normalerweise gewohnt sind und öffnen die Tür des letzten Büros links. Und werden mit einer recht absurden Szene konfrontiert – der erste Hinweis darauf, dass wir es hier nicht mehr mit der Welt zu tun haben, die wir kennen aber seltsamerweise scheint das Asterix und Obelix nicht ganz so zu stören den Zuschauer. Vielleicht nehmen die Beiden das auch eher schmunzelnd-amüsiert hin: Den schaukelnden Beamten, der empört darauf hinweist, dass doch ein Plan im 6. Stockwerk hängen würde. Da ist dann auch Schalter 1 verzeichnet.

Und hier könnte man auch aus eigener Erfahrung mit seufzen: Ja, die meisten Pläne für Gebäude hängen nie dort, wo sie sinnvoll wären. Dass der Plan in Stockwerk 6 hängt ist natürlich noch eine absurde Übertreibung des Ganzen, zumal der Plan in kleinster Weise hilfreich zu sein scheint – ein wirres Symbolgehäufe, aus dem immerhin Asterix aber den Standort von Schalter 1 herauszufinden scheint. Er ist – natürlich – ganz unten. Erdgeschoss rechter Korridor.

Gebracht hat das nichts: „Oh, da sind sie hier falsch. Versuchen Sie mal Schalter 2.“ – „Gleich hier nebenan?“ – Nein, denn daneben ist Schalter 8. Warum das so ist kann keiner erklären, daher – zurück zum Anfang und zum Pförtner. Wieder scheitert die Kommunikation, die Frage nach Schalter 2. Der Pförtner ist verzweifelt: „Einmal wollen sie das Eine und dann wollen sie wieder dasselbe.“ Aber auch Asterix ist allmählich am Rande der Weißglut. Er kommt einfach nicht voran. Immerhin treffen Asterix und Obelix auf jemanden, der recht normal zu sein scheint – den Präfekten, der sich auch an die Regeln hält, die Asterix und Obelix kennen – und die Situation klärt: Eine erneute Auskunft führt endlich zum Schalter 2. Der dezente Hinweis – „wo ist der denn wieder hingekommen“ – auf die paradoxe Welt, in der Kommunikation nicht so funktioniert wie sie sollte – fällt wohl dem Zuschauer auf, aber nicht Asterix und Obelix. Schalter können in der Welt, die wir kennen nicht einfach so den Ort und Platz wechseln? Darüber sollte man allerdings mal nachdenken…

Wobei: „Noch genauer können sie nicht informiert werden“ stimmt zwar – Schalter 2 wird dann auch erreicht, aber Asterix hat seine liebe Mühe mit seinem Anliegen durchzukommen. (Und der Präfekt hat nur eine Teilinformation weitergeleitet, er ist allerdings auch nicht zum Passierschein befragt worden muss man ehrenhalber schreiben.) Asterix ist nicht an der Reihe. Wann er an der Reihe ist, weiß er nicht und kann das auch nicht erschließen. Deswegen versucht er die Kommunikation der beiden Damen zu unterbrechen – was bei den ersten Malen nicht gelingt. Das, was Asterix schließlich erreicht ist eine Auskunft: Er brauche das blaue Formular und das erhält er in einem anderen Büro.

Von jetzt ab wird das Tempo angezogen: Schalter Zwei ist nicht besetzt, erneut landen die Beiden beim Pförtner. Und „ohne rosa Formular, kein blaues Formular“ – dafür braucht man aber wieder einen Antrag. Gelbes, grünes, hellgraues Formular – Asterix und Obelix werden von Büro zu Büro geschickt und sind in einer Welt verfangen, die so unübersichtlich ist dass letzten Endes fast Obelix verrückt zu werden droht. Warum eigentlich?

Eine ver-rückte Welt
Wie schon geschrieben: Asterix und Obelix versuchen in einer Welt zu kommunizieren, die nach und nach immer komplexer und ver-rückter wird. In dieser Welt kommt man mit Höflichkeit und Bitten nicht unbedingt weiter. Beim Pförtner hilft letzten Endes nur Brüllen. Stattdessen wird man um das gewünschte Ziel zu erlangen von einem selbstbewussten und selbstbestimmten Individuum durch die Art der Kommunikation zu einem Befehlsempfänger, dessen Versuch die Regeln dieser Welt und damit der Kommunikation zu durchschauen und zu beherrschen letztlich scheitern muss. Denn: Die Regeln, nach denen diese Welt funktioniert sind Asterix fremd und nicht bekannt. So wie er nicht weiß wann er an der Reihe ist obwohl keiner vor ihm am Schalter steht. Dabei ist die eigentlich Kommunikation – abgesehen vom Pförtner – durchaus klar und verständlich: Es sind lauter Anweisungen, Appelle die an ihn gerichtet werden. Allerdings erklären diese Befehle nichts, was auch nicht der Sinn von Befehlen ist. Der Sinn von Befehlen ist das bedingungslose Gehorchen – und wer zu Beginn in diesem Haus als selbstbewusste und selbstbestimmte Persönlichkeit hineingeht wird aufgrund der ver-rückten Welt die er nicht durchschaut kurz über lang verrückt.

Solche Situationen sind auch im Alltag durchaus nicht fremd – und können von der Erfahrung mit Behörden komplett losgelöst werden, obwohl die Szene an sich natürlich bei Behörden und Ämtern meistens ähnlich sein kann. Aber wir können auch im Alltag unversehens an einen Punkt gelangen, an dem wir den Eindruck haben gegen Windmühlen zu kämpfen, von Kleinigkeiten aufgerieben werden und wir die Regeln für diese Welt nicht kennen oder glauben klar kommuniziert zu haben und dann am Ende doch feststellen: Man versteht mich einfach nicht. Was also ist zu tun? Wie kommt man aus dieser Weltkonstruktion ohne Schaden zu nehmen wieder raus?

Systemüberwindung
Asterix erkennt ein Muster um den Formular-Anträgen Einhalt zu begeben. „Schlagen mit den eigenen Waffen“ heißt für ihn zwar einen Passierschein zu verlangen, aber nicht A 38. Sondern A 39. Damit bringt er die konstruierte Welt aus dem Gleichgewicht – denn einen Passierschein A 39 gibt es gar nicht. Da aber für die Beamten, die sich ihre Welt erschaffen haben, sich an ihre eigenen Regeln halten – andere scheinen sie nicht zu kennen – kommt es zum Chaos. Denn wenn es einen Passierschein A 38 gibt, dann ist die Möglichkeit eines Passierscheins B 39 nicht von der Hand zu weisen. Die Fahndung nach diesem aber führt zum Zusammenbruch des Systems. Letztendlich gewinnt Asterix seine Persönlichkeit wieder, kehrt das Verhältnis um: Er erteilt jetzt die Befehle und sieht amüsiert zu wie die Räder letztlich ins Leere laufen. Um am Ende dann den Passierschein A 38 in die Hand gedrückt zu bekommen.

Asterix dreht also den Spieß um. Er findet die Lücke im System. Letzten Endes macht er uns damit Mut: Selbst wenn wir nicht wissen wie die Kommunikationsregeln vonstatten gehen, selbst wenn wir gegen Windmühle laufen – man muss nicht verrückt werden. So wie es billiger ist eine vegetarische Pizza mit Schinken zu bestellen anstatt der Pizza direkt mit Schinken können Systeme unterlaufen werden. Manchmal ist es nicht so einfach wie hier in der Szene, manchmal ist der Catch 22 gar zu drohend übermächtig erscheinend. Manchmal aber kommen wir auf den richtigen Gedanken wenn wir an der Wand stehen und nicht weiterkönnen. Asterix stellt sich letztendlich für einen Moment außerhalb des Systems: Er kommt mit dem Zaubertrank hier nicht weiter, aber er erfindet sich neue Möglichkeiten.

Es stimmt: So einfach macht es uns die Welt nicht immer. Immerhin aber ist das, was Asterix macht ein Hoffnungsschimmer für all diejenigen, die das nächste Mal in einer ausweglosen Situation stecken. Vielleicht ist die gar nicht so aussichtslos. Man muss sie eventuell nur von einer anderen Seite betrachten.

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.