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Selbstverleger bei Tolino kommen im Print

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneSelbstverleger bei Tolino kommen im Print

Das Verhältnis zwischen Selbstverlegern und Verlagen war lange Zeit von Missgunst und Abneigung geprägt. Während die Verlage spöttisch auf Rechtschreibfehler, Bleiwüsten und mangelnde Qualität hinwiesen, so waren für die Selbstverleger Verlage ignorant, die Hochburg des Besserwissers und hatten ja keine Ahnung von der Qualität des Werkes.

Mittlerweile hat sich das geändert.


Nicht nur schon durch BOD und Konsorten. Book on Demand war ja bekanntlich eines der ersten Portale, dass für verhältnismäßig wenig Geldaufwand gedruckte Literatur herstellte - die Kleinverlagsszene wäre ohne diese Dienste sicherlich um einige Facetten ärmer.

Seitdem aber jeder mit Amazon oder Apple elektronische Telemedien mit Textinhalten herstellen kann - im Volksmund eBooks genannt - spüren aber die Verlage wohl auch, dass sie auch im Sinne der Kundenbindung irgendwas unternehmen müssen. Bevor der nächste Bestsellerautor auf die Idee kommt im Selbstverlag zu veröffentlichen und dann bei Amazon landet. Dass dabei Amazon, Apple und Tolino auch mehr und mehr in die Rolle von Verlagen hineinschlüpfen erweitert dabei eher die Chancen für diejenigen, die bisher im Selbstverlag tätig waren.

Dass jetzt tolino books startet darf dann nicht mehr allzusehr überraschen. Nachdem man jetzt das Filialnetz für die Hardware erweitert hat, zur Buchmesse neue Modelle vorstellen will passt es natürlich wie Faust aufs Auge, dass man dann gleichzeitig a la Amazon auch in das Verlagsgeschäft selbst geht. Wobei die gedruckten Exemplare dann natürlich auch bei den neuen Partnern Osiander und Mayersche verkauft werden. Fürwahr ein netter Kreislauf: Wenn man eh schon den Content hat, warum ihn dann nicht in neuer Form verwerten. Dagegen ist nichts zu sagen, wenngleich zwei Dinge bei der Meldung des Börsenblattes dann doch nachdenklich stimmen.

Zum Einen: Man sei davon überzeugt, dass "im Selbstpublishing Bücher mit hoher Qualität entstehen" und diese sollten neuen Lesern zugänglich gemacht werden, so tönt es von Seiten des tolino publishing Hauses. Das klingt danach, als wollte man im Gegensatz zur alten Verlagswelt endlich seinen Frieden mit den Selbstverlegern machen. Das wäre schön und sicherlich hat die Aussage auch einiges an Gewicht - da werden einige der anderen Verlage sicherlich aufhorchen, aber Experimente mit Bücherplattformen auf denen Selbstverleger ihre Werke einstellen hats in der Branche ja auch schon länger gegeben. Vermutlich hört man von diesen Experimenten nichts mehr weil sie noch einen Schritt vor der Veröffentlichung ansetzen - wer ein gut geschriebenes eBook bei einem Vertrieb einstellt, darf auf gute Verkaufszahlen hoffen. Und gute Verkaufszahlen im eBook werden sicherlich ausschlaggebend sein für die Auswahl von den Titeln, die dann auch im Print erscheinen dürfen. Wie gesagt: Wenn man guten Content hat, dann verwertet man den auch mehrmals. Allerdings: Hohe Verkaufszahlen bedeuten nicht immer unbedingt auch hohe Qualität. Aus dieser Sicht gesehen ist die Aussage von tolino publishing wohl eher so zu verstehen, dass man natürlich Selbstverleger total knorke findet, sofern die a) bei tolino publizieren und b) schon online genügend Käufer gefunden haben. Sicherlich werden noch andere Kriterien bei der Auswahl eine Rolle spielen, aber dieses plötzliche "Seid umschlungen, Millionen, diesen Kuss der ganzen Welt"-Pathos sollte man doch realistisch betrachten. Sofern es im Kampf gegen Amazon was nützt, scheint die Branche ja auch wirklich alles zu machen... 

Zum Anderen: Es ist ja sehr bequem wenn man Inhalte, die schon einmal gut gelaufen sind erneut verwertet. Andererseits sind Verlage aber auch dazu da neue Talente zu fördern und zu entdecken, die vielleicht nicht gerade einen Bestseller landen aber dennoch für den Literaturbetrieb wichtig sind. Solange die Kriterien für die Auswahl der Tolino-Telemedien nicht klar sind ist immer die Gefahr beinhaltet, dass man immer auf das setzt, was sich bewährt hat. Damit hätten aber diejenigen, die experimenteller schreiben oder die nicht im Trend sind keine Chancen. Wenn nur das gedruckt wird, was elektronisch schon gut läuft - Big-Data sei Dank weiß man das ja bei den Vertrieben - werden gerade diejenigen, die Selbstverleger sind und die Neues ausprobieren vom System geschnitten. Damit wird man zwar Talente fördern, aber nur solche die Verkaufschanchen haben und die dem Verlag die meisten Einnahmen beschweren. Eine solche Schmälerung der Vielfalt kann aber nicht im Interesse des Lesers sein, auch wenn nicht jeder gleich von sich behaupten kann, er habe den Ulysses von Joyce als angenehme Abendlektüre empfunden. Verlage sind gewinnorientierte Unternehmen - wenn aber nur dieses Seite des Geschäfts überwiegt, dann sollten wir uns auf eine Zukunft gefasst machen, die immer mehr desselben anbietet. Dutzende von Regalen mit Vampir-Romanzen hatten wir ja schon...

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