Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Drugs, Rock'n'Roll und das Andere

Das Romanheft, das Universum ... und die Dinge dazwischen - Die Multimedia-KolumneDrugs, Rock´n Roll und das Andere

Ich habe im Titel bewusst das Wort mit den drei Buchstaben weggelassen, um keine falschen Hoffnungen zu wecken. Wenn man sich heutzutage so umsieht, denkt man manchmal, man braucht nur ne nackte Tussi aufs Titelbild zu nageln und die Auflage verdoppelt sich. Das da was dran ist, ist glaube ich sogar schon wissenschaftlich überprüft worden. Hier soll es aber nicht um Titelbilder gehen, sondern um Inhalte. Und Heftromane sind weder Comics noch Bilderbücher.
Ob sich das in absehbarer Zeit ändern wird, werden uns die nächsten Pisa-Studien zeigen. Ob allerdings mehr Sex und Gewalt den Heftroman aus der Krise führen, oder zumindest das Verschwinden etwas verzögern wird wage ich zu bezweifeln.

Mir persönlich ist in einem Gruselroman (egal ob Heft oder Hardcover) eine bedrückende, unheimliche Atmosphäre lieber, als wenn das Blut mir dem C-Schlauch verspritzt wird. Zu einem action-lastigen Roman gehört nun mal auch Gewalt, da muss schon mal ein Vampir gepfählt werden oder ein Krimineller erschossen werden. Ich lasse es auch gelten, wenn mal ein Verbrecherschädel platzt, sein Gehirn an die hinter im liegende Wand klatscht und sich die Reste über die neben ihm stehende kreischende Blondine verteilen. Wenn es zur Situation passt, niemals als Mittel zum Zweck und um eine Gewaltszene zu präsentieren, damit eine im Roman drin ist. Mit leiser Stimme sprechende, sich überaus gut erzogen benehmende Verbrecher halte ich für wesentlich bedrohlicher, als wild in der Gegend rumballernde Psychopathen, sowohl im Roman, als auch im echten Leben. Obwohl ich zugeben muss, dass mir im echten Leben weder die eine, noch die andere Spezies persönlich begegnet sind, ich also nicht wirklich sagen kann, in welcher Situation ich mir zuerst in die Hose machen würde.

Und jetzt zum bösen Wort mit F. Halten Sie mich für prüde oder verklemmt, aber ich möchte so etwas nicht lesen. Ich lese um mich zu unterhalten und nicht – wie manche andere – um mich vom Alltag abzulenken. Diese Ablenkung ist durchaus legitim und für viele Menschen sinnvoll, wenn sie mal für zwei Stunden in eine andere Welt eintauchen wollen, um den ganzen Frust und Kummer in Ihrem Alltag wie z.B. Existenzangst, Beziehungsprobleme oder persönliche Verluste kurzzeitig zu verdrängen. Da ich in dieser Hinsicht bisher ein Glückspilz war, lese ich zur puren Unterhaltung. Und da kann mich eine Szene, wenn auch nur auf zwei Seiten beschränkt, in der der Held der Blondine mal zeigt wo der Hammer hängt, nicht unterhalten. Aber wo ist der Unterschied zur Gewalt? Warum akzeptiere ich Gewalt in gewissem Rahmen, wenn sie zur Situation passt und angemessen beschrieben wird (obwohl ich persönlich Gewalt verabscheue) das Zwischenmenschliche aber nicht? Dann beantworten Sie mir die Frage, wie Sex in einem SF- oder Gruselroman zur Situation passt. Bevor Sie mich jetzt falsch verstehen: Keinesfalls sollen in den Romanen nur Mönche und Nonnen vorkommen, die sich mit drei Schritt Abstand unterhalten. Von mir aus kann sich der Raumschiffkommandant täglich mit einer anderen Außerirdischen paaren, und das kann man auch erwähnen. Das muss man aber nicht explizit auswalzen. Man muss doch nicht haarklein aufgedröselt lesen, wie sich des Kommandanten...... bla,bla,bla. Eine kurze Erwähnung und der Rest sollte im Kopf bzw. der Phantasie des Lesers entstehen. Aus dem gleichen Grund muss man auch nicht jede beliebige andere Situation bis ins kleinste Detail beschreiben. Der Leser will in gewissem Rahmen mitdenken. Und weniger ist da oft mehr. Wer erinnert sich nicht an den mehr als peinlichen Mark Hellmann?

Wie könnte die Situation denn aussehen, die eine detaillierte Beschreibung erfordert? Stephen King lies seinen Helden Roland im Dunklen Turm von einem Dämon mehr oder weniger vergewaltigen. Finde ich ziemlich unappetitlich und durch solche Passagen muss ich mich doch eher durchquälen. Möchten Sie von einer Vergewaltigung lesen? In einem Roman? Mit allen Details? Na, ich persönlich nicht, schlimm genug, dass es so etwas überhaupt in der realen Welt gibt.

Andere Situation: der strahlende Held hält nach überstandenem Abenteuer seine Liebste in den Armen und führt sie in die Gemächer. Und Sie wollen jetzt lesen, was die da machen? Wozu denn? Die sollen die Tür hinter sich zumachen und tun und lassen, was sie wollen. Auch der Held hat eine Privatsphäre.

Sollen mehr Jugendliche animiert werden, die Hefte zu kaufen? Pubertierende, die gerne so was lesen würden? „Boah ey, und dann hat der voll die Alte genagelt.“ Bullshit.

Als ich 15 Jahre alt war (1980) hatte der Heftroman seine beste Zeit. Der Jugendschutz war wesentlicher strenger als heute. Wir hatten drei Fernsehprogramme und das Telespiel war auf zwei Balken, rechts und links auf dem Bildschirm, die man hoch und runter bewegen konnte, beschränkt. Da hätte ich solch ein Argument gelten lassen. Aber heute? Die letzten Tabus fallen, im Fernsehen und im Netz gibt es nichts, was es nicht gibt. Wozu sollten da noch in Heftromanen Sexszenen eingebaut werden? Doch nur als Mittel zum Zweck. Sex sells. But who´s buying?

Und kommen Sie mir nicht damit, dass das was Natürliches wäre oder den Realismus im Roman erhöhen würde. Realistisch ist auch, dass John Sinclair Probleme mit seiner Steuererklärung hat, oder aus Zeitmangel kein Bier kaufen konnte und deshalb jetzt noch schnell im Getränkemarkt vorbei fährt. Na, davon schon mal gelesen? Sicher, man könnte das erwähnen, in einem Satz, aber wer möchte denn über zwei Seiten lesen, wie JS mit seiner Steuererklärung kämpft? Auf die Toilette zu gehen, ist auch was Natürliches. Wann waren denn John Sinclair oder Perry Rhodan das letzte Mal kacken? Können Sie sich daran erinnern, wann Larry Brent mal pinkeln war? Oder haben Sie schon mal erlebt, dass Professor Zamorra vor der finalen Auseinandersetzung mit einem Dämon Durchfall bekommen hat? Und wer sagt mir, wo zur Hölle auf der Enterprise die Toiletten sind. Data erwähnt gegenüber Tasha Yar, dass er auf multiple Techniken programmiert sei. Dann schließt sich die Aufzugtür. Viele Folgen später wurde auf diese Situation noch einmal eingegangen. Aber wieder erfährt man nicht, was tatsächlich passiert ist. Es wird wieder nicht ausdrücklich ausgesprochen, obwohl jedem Zuschauer klar sein müsste, was damals passiert ist. Die Szene zwischen Data und Yar entsteht im Kopf des Zuschauers, er soll sich seinen Teil denken.

Dieses Beispiel hinkt natürlich ein wenig, insofern Star Trek eine amerikanische Serie ist, bei der zudem immer Friede-Freude-Eierkuchen zu herrschen hatte. So eine Art Waltons im Weltall. In USA ist es kein Problem zerplatzende Köpfe und raushängende Gedärme im Fernsehen zu zeigen, aber wenn Janet Jacksons Bluse beim Super Bowl verrutscht gibt’s einen Skandal.

Was könnte sonst hinter der Forderung nach mehr Sex stecken? Unsere Welt ist tatsächlich freier und unverklemmter geworden. Na und? Das kann nicht der Grund sein.

Angeblich nagelt Lassiter ja alles, was bei drei nicht auf den Bäumen ist. Da ich noch keinen gelesen habe, kann ich mir kein Urteil erlauben. Würde er sich genau so gut verkaufen, ohne diese kurzen Passagen, reduziert auf den reinen Western? Spekulation!

Und wer hat die Redlight Ranch (oder wie hieß die noch?) gelesen, und vor allem warum? Wegen der Western-Anteile oder wegen na ja Sie wissen schon. Wenn mir jetzt jemand sagen würde, alleine wegen des Western-Anteils kommt mir das so vor, wie die Typen, die behaupten den Playboy nicht wegen der Titten, sondern wegen der ausgesprochen guten Interviews und Reportagen zu kaufen. Das ist für mich deshalb unglaubwürdig, weil es für beides – sowohl Western-Romane, als auch Reportagen – wesentlich bessere Alternativen gibt, allerdings ohne Titten!

Welche Person – und da nehme ich mich gar nicht aus – möchte denn nicht mal wie der Held agieren? Man wird von drei Typen auf der Straße angemacht, lässt den Schreiner drei Särge zimmern und schickt die Motherfucker wie Clint Eastwood mit einem Smith & Wesson in die Hölle. Na, wer hat sich noch nicht bei diesem Gedanken ertappt, wenn er mal wieder einen schlechten Tag hatte?

Möchte man auch als Held agieren, wenn der jeden Tag eine Andere abschleppt? Ich persönlich nicht, ich bin verheiratet und habe in dieser Beziehung keinen Bedarf. Möglich, dass ich in der „guten, alten Zeit“ stehen geblieben bin, als morgens um sieben die Welt vordergründig noch in Ordnung war. Dass man heutzutage solche Szenen einfach einbauen muss, um die Chance auf einen Absatzmarkt zu haben. Dass ich vielleicht verklärt naiv unsere heutige Welt sehe, und denke nach wie vor wären solche Szenen nicht wirklich nötig, obwohl die Leserschaft diese fordert. Möglich? Sie werden mir das bestimmt sagen. Aber fragen Sie mich nicht, in welcher Welt ich eigentlich lebe? Das frage ich mich manchmal selbst.

 

Jochen „Captain Elch“ Stude

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.