Sanderson, Brandon: Elantris

CoverElantris
(Elantris)
von Brandon Sanderson
aus dem Amerikanischen von Ute Brammert
erschienen: 2007 (Deutschland), 2005 (USA)
896 Seiten, 14,00 €
ISBN: 978-3-453-52167-
Heyne Verlag

Fans fantastischer Literatur sollten den Namen Brandon Sanderson auf alle Fälle schon mal gehört haben, egal, ob sie eines seiner Bücher gelesen haben oder nicht. Denn nach dem Tod von Robert Jordan ist es kein geringerer als Sanderson, der den finalen zwölften Band der Reihe Das Rad der Zeit nach den Vorgaben des Großmeisters fertigstellen darf.

 

Natürlich stellt sich sofort die Frage, ob der Amerikaner dieser Aufgabe gewachsen ist. Kann er es wirklich schaffen, eine der größten Fantasysagas aller Zeiten zu einem würdigen Abschluss zu bringen? Auf seiner Homepage gibt er sich bescheiden und gesteht freimütig ein, Jordan niemals das Wasser reichen oder ihn gar ersetzen zu können. Doch bedeutet das, dass man Angst haben und um ein gelungenes Ende der Rad der Zeit-Reihe bangen muss?

 

Meiner Meinung nach mitnichten. Allen Schwarzsehern sei gesagt: Werft einmal einen Blick in Sandersons Werke. Er ist wirklich guter Schriftsteller, der sein Handwerk versteht. Schon mit seinem Erstling Elantris, einer einbändigen Fantasysaga, beweist er Talent und Einfallsreichtum.

Elantris, das ist der Name einer Stadt, die bis vor zehn Jahren von wunderschönen, mächtigen Bewohnern beherrscht wurde. Elantrier, das waren Menschen, die als ganz gewöhnliche Menschen geboren wurden und lebten, bis zu dem Tag, an dem sie eine geheimnisvolle Verwandlung durchmachten, die ihre Körper erstrahlen ließ und ihnen magische Fähigkeiten verlieh. Jeden konnte diese Veränderung zu jeder Zeit treffen, und es war eine große Ehre, ein Elantrier zu werden.

Doch dann, über Nacht, wurde die Verwandlung zum Fluch. Die Stadt verfiel in rasender Schnelle und aus den einst erhabenen Elantrier wurde vor sich hin vegetierenden Kreaturen, nicht tot, aber auch nicht am Leben. Das prächtige Elantris wurde zu einer Stätte der Hoffnungslosigkeit. Die Stadt war dem Untergang geweiht.

Zehn Jahre später wird Raoden, der Kronprinz von Arelon, vom Fluch der Elantrier getroffen. Den Tod seines Sohnes vortäuschend, schafft ihn der König in aller Heimlichkeit hinter die Mauern der sterbenden Stadt Elantris, wo all die Unglückseligen eingesperrt werden, die der Fluch trifft. Doch Raoden ist nicht bereit, sich seinem Schicksal zu ergeben. Er schart Getreue um sich und versucht, das Geheimnis von Elantris' Niedergang zu lösen.

Unterdessen kommt Raodens Braut, Prinzessin Sarene von Teod, nach Arelon. Sie kann sich kaum vom Tod ihres zukünftigen Gatten erholen, da ist sie schon wieder gefordert, denn ein mächtiger Feind streckt seine Klauen nach ihrer neuen Heimat aus. Schon bald ist Sarene in eine Reihe politischer Intrigen verstrickt, in deren Zentrum der charismatische fremdländische Hohepriester Hrathen zu stehen scheint.

Mit Elantris ist Brandon Sanderson ein kleines Meisterwerk gelungen. Politische Ränkespiele, eine ebenso faszinierende wie gefährliche Ruinenstadt, Magie und Flüche – es ist ein abwechslungsreicher und spannender Mix, den der Autor seinen Lesern bietet.

Die Handlung wird auf drei Ebenen erzählt, aus der Sicht Prinz Raodens, aus der Sicht von Sarene und schließlich aus der von Hrathen. Der Kampf ums Überleben in Elantris, Hrathens Versuche, Arelon unter die Herrschaft seines Kaisers zu bringen und Sarenes Anstrengungen, genau dies zu verhindern, all das bekommt der Leser hautnah mit, Kapitel für Kapitel aus einer anderen Perspektive. Sanderson gelingt es, diese Handlungsstränge perfekt miteinander zu verbinden und so ein einheitliches Ganzes zu erzeugen, das erstaunlich vielschichtig und komplex ist, gleichzeitig aber immer verständlich und spannend bleibt.

Das Faszinierendste an Elantris ist aber wohl die Welt, in der die Geschichte spielt. Sie ist wirklich einzigartig. Eine erstaunliche Interpretation von Magie und magischen Fähigkeiten und einzigartige fantastische Wesen (ich sage nur: Seonen) bringen einen immer wieder zum Staunen und machen das Lesen so zu einem großen Vergnügen. Selten kann man einen fantastischen Roman lesen, der vollkommen auf Elfen, Zwerge, Kobolde uns Co. verzichtet, der aber gleichzeitig so voller Wunder und Magie ist.

Dazu kommt dann noch Sandersons Schreibstil. Keine Frage: Die Handlung des Romans ist überraschend düster. Trotz allem gelingt es dem Autor, seine Story niemals bedrückend wirken zu lassen. Das Buch lässt sich flüssig lesen, Dialogszenen und Beschreibungen stehen im richtigen Mischungsverhältnis und sorgen dafür, dass die Handlung auch ohne große Actionszenen dynamisch und mitreißend wirkt.

Will man unbedingt Kritik üben (und was wäre eine Rezension ganz ohne eine solche?), kann man anmerken, dass die meisten Personen mit Ausnahme der drei Hauptcharaktere recht flach bleiben. Zwar hat sich Sanderson Mühe gegeben, sie facettenreich zu präsentieren, doch ihnen fällt einfach zu wenig Aufmerksamkeit zu, als dass sie wirkliche Tiefe erreichen. Dadurch erscheinen sie leicht stereotyp, und gerade bei den arelischen Adeligen hat man Probleme, sie auseinanderzuhalten. Doch man sollte bedenken: Raoden, Sarene und Hrathen sind liebevoll gezeichnet und zeigen, dass sich Sanderson durchaus auf Charakterdarstellungen versteht.

Besonders erstaunt hat mich, dass es tatsächlich gelungen ist, eine derart vielschichtige Saga in nur ein Buch zu packen, ohne dass die Handlung gehetzt wirkt. Hier muss man dem Autor ein echtes Lob aussprechen.

Elantris ist ein Buch, das seinesgleichen sucht. Brandon Sanderson ist hier ein echt großer Wurf gelungen, in den jeder Fatasyfan einmal reinschnuppern sollte. Fans von Robert Jordan sollten dies auf alle Fälle tun, und sei es nur tun um eine Ahnung zu bekommen, was sie im letzten Band der Rad der Zeit-Reihe erwartet. Und meiner Meinung nach ist mit Sanderson genau der Richtige gefunden worden, um die Serie zum Abschluss zu bringen. Er mag nicht Robert Jordan sein, aber er ist eine enorm würdige Vertretung.

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