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Zwielicht 15 - Weiter gehts

Zwielicht 13Weiter gehts
»Zwielicht 15«

Mittlerweile liegt jetzt die 15. Ausgabe von Zwielicht vor. 2009 als Horrormagazin gestartet, deckt es nun die ganze Bandbreite der unheimlichen Phantastik ab. Dazu kommen wie gehabt interessante Artikel, die man sonst selten findet.

Die Herausgeber Achim Hildebrand und Michael Schmidt gehen ihren Erfolgsweg also weiter.

Zwielicht 15Neue Geschichten
Martin Schemm "Heimatabend" spielt in der Zeit des deutschen Kaiserreichs. Im Jahre 1911 treffen sich die "Geestfreunde" einmal im Monat auf dem Falkenberg in der Nähe von Hamburg. Die sechs Männer sind typisch für die damalige Zeit. Dazu zählen ein Apotheker, ein Lehrer, ein Bauunternehmer, ein Rechtsanwalt und ein Amtsrat. Das Novembertreffen wird denkwürdig. Vor ein paar Tagen hat die Kaiserin Auguste Victoria der neu eingeweihten Kirche in Neugraben eine kostbare silberne Altarbibel gestiftet. Der Vereinsvorsitzende lässt es sich nicht nehmen, persönlich darüber zu berichten. Doch wirkt er merkwürdig abwesend an diesem Tag.
Eine famose Gespenstergeschichte.

Silke Brandt "Der vierte apokalyptische Reiter" nimmt Bezug auf die Eroberung Preußens durch den Deutschen Orden. Professor Islington hat sich vor einigen Jahren intensiv mit der Geschichte des Memellandes befasst. Jetzt erreicht ihn eine Botschaft, in der er um seine Expertise gebeten wird. Ein gewisser Augustinas Tereskinas hat in der Burg K. einen Fund gemacht. Islington soll ein Schriftstück auf Authentizität überprüfen. Es geht um den Deutschen Ritterorden. Haben sich die Ritter damals mit den dunklen Riten der Einheimischen befasst? Der Bittsteller macht einen zwiespältigen Eindruck auf Islington. Er ist der letzte Überlebende der Expedition ins Memelland.

Gruselige Geschichte aus der Kutschenzeit und darüber hinaus mit einem wissenschaftlichen Quellenanhang versehen.

Tobias Lagemann "Nachtschalter" kommt zunächst ganz harmlos herüber. Stefan bestreitet seinen Lebensunterhalt mit einem unterbezahlten und langweiligen Job am Nachtschalter einer einsamen Tankstelle. Sein strenger Chef und manche Kunden bereiten ihm Probleme. Eines Nachts taucht ein merkwürdiger Mann auf. Sein Auto ist nicht zu sehen, er will auch nicht tanken oder etwas anderen kaufen. Stattdessen fragt er, seit wann es diese Tankstelle eigentlich gibt.

Hier bricht das Grauen erst ganz langsam und dann immer schneller über den bedauernswerten Protagonisten herein.

Bei Holger Vos "Rast der Kraniche" geht es um die frustriere Ehefrau Andrea. Vor Jahren hat sie sich von der Goticszene und ihrer Freundin Bel losgesagt und stattdessen Oliver geheirat und zwei Söhne bekommen. Die Freundin hatte sich zuletzt mit der baldigen Ankunft von Außerirdischen befasst und große Hoffnungen auf den Kometen Hale-Bopp gesetzt, der nichts anderes als ein Raumschiff sein soll. Doch um mitzureisen muss man zuerst sterben. Jetzt ist die Familie im Moor um dort Vögel und den Kometen zu beobachten. Nach langer Zeit hat Bel gerade eine Karte geschrieben. Während Andrea voller Sehnsucht an die gemeinsame Zeit zurückdenkt, ist sie plötzlich völlig allein. Alle anderen Menschen und sämtliche Kraniche sind tot. Die Moorbahn transportiert die Leichen ab. Ein Zombieschaffner ist Andreas einziger Ansprechpartner.

Ist immer interessant, wenn Männer sich in Frauen hineinversetzen. ;-)

Christophe Nicolas "Der Pitch" ist eine höchst moderne Geschichte. Im Mittelpunkt steht ein blutrünstiger Router! Clara steht vor einer äußerst wichtigen Videokonferenz. Mit ihrem kleinen Sohn hütet sie das Haus ihrer verreisten Eltern. Leider ist der dortige Router äußerst unzuverlässig und stürzt immer wieder ab. Zufällig entdeckt Clara dann, dass er mit Blut besänftigt werden kann.

Eine erfrischende Geschichte!

Dirk Ryll "Wohin der Grimm der Toten verschwindet" erzählt von Grnchr. Der Tote hält zunächst Wache am Tor. Durch diese Tore gehen regelmäßig Tote ins Reich der Lebenden. Viele haben bei ihrer Rückkehr ihren Grimm verloren. Eines Tages erhält auch Grnchr einen Auftrag. Er soll einen Gegenstand zurückfordern. Dazu muss er den Regisseur David aufsuchen. Dieser ist bekannt für seine erfolgreichen Kunstfilme. Sein momentanes Projekt verspricht noch besser und erfolgreicher als die Vorgänger zu werden. Allerdings ist er mit den Dreharbeiten in Verzug und ihm sitzen die Geldgeber im Nacken.

Eine ganz spezielle Interpretation des Films!

Karin Reddemann "Ansichtssache" erinnert ein wenig an alte Kriminalfilme. Heiratsschwindler Theo begleitet sein jüngstes Opfer zu einer Seance. Er glaubt nicht an Geister. Doch schnell stellt sich heraus, dass sich dort ein illustrer Kreis zur Beschwörung zusammengefunden hat. Es handelt sich ausschließlich um Mörder und beschworen werden sollen ihre Opfer. Man glaubt fälschlicherweise das auch Theo beim Tode seiner Mutter etwas nachgeholfen hat.

Ein betrogener Betrüger. Köstlich!

Vincent Voss "Das Ordnungsamt und das Hexenhaus" schildert die Erlebnisse eines städtischen  Mitarbeiters. Hagen Heinrichs ist im Rahmen seiner Tätigkeit für das Ordnungsamt auch für die Beseitigung illegaler Bauten zuständig. Während er dabei jedoch höflich und nur behutsam im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben vorgeht, sehen sein Chef und seine Kollegin das etwas anders. Sie setzen auf vollendete Tatsachen und verwüsten gern die illegalen Schwarzbauten. Bei einem immer wieder an anderen Standtorten auftauchenden Hexenhaus stoßen sie damit aber an ihre Grenzen.
Ein herrlich ironischer Beitrag von Vincent Voss! Über Bürokratie muss man einfach immer wieder lachen - solange man nicht selbst davon betroffen ist.

Martin Mächler "Verschränktes Schicksal" nimmt sich Nikola Teslas an. Dieser Pionier der Elektrizität entdeckt bei Mächler eine Möglichkeit der drahtlosen weltweiten Elektrizitätsübertragung. Der Schlüssel dazu ist der sogenannte Sekundärraum. Die Geschichte spielt im Jahre 1921. Gierige Investoren drängen den Forscher zu riskanten Experimenten. Eines Tages nimmt er seine Tochter Helen mit ins Labor. Da gerät ein Versuch außer Kontrolle.

Die Story verbindet historisches Flair mit einem tragischen persönlichen Schicksal.


Klassiker

Arthur J. Burks "Stalagmiten" stammt aus den dreissiger Jahren.  Es geht um eine Expedition in eine unterirdische Höhle. Dort gibt es jede Menge Stalagmiten, die den Teilnehmern wie weiße Frauen vorkommen. Die Expeditionsleiterin hat sich in einen der Expeditionsteilnehmer verliebt. Als plötzlich die Lampen ausgehen und die Ariadneschnur verschwindet kämpft sie um ihren Liebsten. Es scheint als ob die "weißen Frauen" es auf ihn abgesehen haben.

Eine beklemmende und athmosphäre dichte Schilderung der unterirdischen Welt. Aber Motive und Handlungen der weißen Frauen weisen große Logiklöcher auf. Übersetzt von Matthias Käther.


Ralph Williams "Kleines Missverständnis" stammt aus den fünfziger Jahren. Die von Matthias Käther übersetzte Geschichte schildert die Probleme eines Handlungsreisenden. Er sucht nach 22 Uhr abends in einer kleinen Stadt nach einer Möglichkeit, eine warme Mahlzeit zu bekommen.
Netter Plot, jedoch war die Schlusspointe für mich relativ schnell vorherzusehen.

Traditionell ist der englische Autor Algernoon Blackwood in jeder Zwielichtausgabe mit einer Geschichte vertreten. "H.S.H" stammt aus dem Jahre 1917 und wurde von Achim Hildebrand übersetzt. Delane hat sich in eine abgelegene Berghütte zurückgezogen. Nach fast einem Jahr des ausschweifenden Lebens in den europäischen Städten hat ihn die Sehnsucht nach einfachem Leben und körperlicher Betätigung übermannt. Doch bald fühlt er sich irgendwie beobachtet. Wie er gehört hat, soll der Geist des bayrischen Königs Ludwig hier umgehen. Da klopft es inmitten einer Unwetternacht an seine Tür.

Algernoon Blackwood ist ein Meistererzähler und auch nach Hundert Jahren hat diese Geschichte nichts von ihrer Eindringlichkeit eingebüßt.

Die Artikel

Karin Reddemann "Teuflische Flüche, eine bitterböse Witwe und ein grausig ungesunder Schönheitssegen" behandelt das Thema Flüche, schildert den historischen Kriminalfall um Belle Gunnes und geht auf den Film "Der Tod steht ihr gut" ein.

Silke Brand "Unter dem Zeichen der Sanduhr: Betagte Protagonisten in der Dunklen Phantastik" steht unter der Prämisse: "Sterblichkeit und Vergänglichkeit sind zentrale Themen der Dunklen Phantastik". Und leicht anzüglich merkt die Autorin an, dass das Thema heute auch aktuell ist, weil die Stammleserschaft der Horrorwelle der 80er Jahre heute selbst dem Rentenalter zustrebt. Im Resümee merkt sie an: "Zu dem übernatürlichen Schrecken kommt der realistische, den wir verdrängen, aber nicht abschütteln können: die Angst im Alter allein, wertlos, hilflos und schwach zu sein, Halluzination nicht mehr von Wirklichkeit unterscheiden zu können und zu wissen, dass der Ausweg nur der Tod - das ultimative unheimliche Unbekannte - sein kann."

Nils Gerrit-Horz "Cultes des Ghoules and Others" ist eine Bibliographie der deutschsprachigen Veröffentlichungen von August Derleth. Der Autor ist in den letzten zwanzig Jahren in Deutschland fast gänzlich von der Bildfläche verschwunden. Aufgrund seiner Verbindungen zu Lovecraft gehört er aber zu den wichtigen Persönlichkeiten der Dunklen Phanstastik.

Meine Gedanken
Michael Schmidt und Achim Hildebrand haben wieder eine abwechslungsreiche und unterhaltsame Ausgabe von Zwielicht vorgelegt. Obwohl sie diesmal weitgehend auf "große" Namen verzichten und dafür verstärkt auf "Newcomer" setzen, gibt es nur starke aktuelle Geschichten, die den Leser schnell in ihren Bann ziehen. Bei den Klassikern können die beiden von Matthias Käther ausgegrabenen Storys mich diesmal dagegen nicht so ganz überzeugen. Die Artikel sind sehr unterschiedlich, zwei sprechen ein allgemeines Publikum an, der dritte ist eher etwas für Spezialisten. Zwielicht 15 gehört für mich wieder zu den heißen Kandidaten für den Vincent Preis.
Zwielicht 15
Zwielicht 15
hrsg. v. Achim Hildebrand und Michael Schmidt
Cover: Björn Ian Craig
2020
294 Seiten
ISBN 9798582913894
EURO 11,99

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