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Eine Legende wird vierzig Jahre alt - Die Dämonenkiller-Chronik 72

Dämonenkiller zum 40.Eine Legende wird 40 Jahre alt
Die Dämonenkiller-Chronik (72. Teil)

Aus Anlass des vierzigjährigen Jubiläums der Dämonenkiller-Serie habe ich eine Chronik erstellt, die sich mit der Geschichte der Serie beschäftigt.

Heute beschäftigen wir uns mit dem Dämonenkiller-Exposé 98, daß Ernst Vlcek am 2. Februar 1976 für seinen Wiener Autorenkollegen Kurt Luif geschrieben hat. Viel Spaß beim Lesen...

97

DAS NARBENGESICHT
DER KERKERMEISTER
Dämonenkiller 98
Schauplatz: London - Japan
Zeit: Gegenwart: 3. Dezemberwoche Vergangenheit: 1586
Autor: Luif-Davenport
Termin: 31.3.1976

Titelbild: AK 5792
Ein Kerker, im Hintergrund ein kleines Halbbogenfenster mit Gitterstäben, darunter in die Steinwand eingelassener Eisen­ring.
Vorne, das ganze Bild beherrschend, ein scheußlich anzusehendes Narbengesicht, das den Betrachter aus rotgeäderten Augen ansieht. Es muß sich um eine Art Folterknecht handeln. Er hält einen Prügel so, als würde er gegen einen Gefangenen gerade zum Schlag ausholen. Er hat rote Kutte.
Halbglatze, seitlich hängt das Haar lang und strähnig herab. Er hat die gelben Zähne gefletscht, von dem ovalen Mund ziehen sich Narben und Falten sternförmig übers Gesicht. Auf der linken Backe hat er eine sichelförmige Narbe.

Situation:
Im vorangegangen Band wurde der Dämonenkiller beim Rettungsversuch für die dreizehn entführten Kinder arg lädiert. Zum einen fügten ihm garstige Dämonen(vieher) Blessuren zu, zum anderen hat der Ys-­Spiegel an seinen Kräften gezehrt. Es wurde ausgesagt, daß Dorians Gesundheitszustand besorgniserregend sei.
Zu Beginn dieses Bandes hat sich sein Zustand noch verschlechtert, so daß er in ein Krankenhaus eingeliefert werden muß. Versuche, Dorian mit Hilfe Weißer Magie aufzumöbeln, sind gescheitert. Coco hat sogar daran gedacht, ihm den Ys-Spiegel abzunehmen, weil sie ihn für Dorians Befinden verantwortlich macht. Doch dagegen wehrte sich Dorian.
Nun versuchen die Ärzte einer Privatklinik ihre Künste an ihm. Selbstverständlich hat Coco alle möglichen Dämonenbanner rund um Dorian angebracht, damit er vor Schwarzer Magie geschützt ist - und immerhin hat er seinen Ys-Spiegel.
Bitte aussagen, daß es sich bei diesem Spiegel, eine fast ultimate magische Waffe, um ein "zweischneidiges Schwert" handelt, in dem Sinne, daß sich bei seiner Anwendung fast immer schreckliche Nebeneffekte einstellen.
Coco steht noch stark unter dem Eindruck des Telefongesprächs: Sie wurde anscheinend von Dorian aus irgendeinem Teil der Welt angerufen, obwohl Dorian doch gleichzeitig neben ihr im Bett lag. Und sie gab Dorian den Hörer, so daß dieser mit sich selbst  telefonierte.
Was für eine Teufelei steckt dahinter?
Dies nur erwähnen, damit der Zusammenhang gewahrt bleibt, tiefschürfende Betrachtungen sind nicht notwendig.

Auf keinen Fall diesbezüglich Überlegungen anstellen, die die  Pointe vorwegnehmen würde!

Handlung:
Dorians Zimmer in der Privatklinik. Coco hat alle anderen verscheucht, weil Dorian seine Ruhe braucht. Der Dämonenkiller liegt wie im Fieber da, phantasiert in der fremden Sprache, die ihn der Spiegel gelehrt hat. Und dann hat er einen hellen Moment, verlangt von Coco, daß er ihren gemeinsamen Sohn noch einmal sieht.
Du wirst nicht sterben, versichert Coco. Du wirst leben.
Dorian aber hat nicht ans Sterben gedacht. Viel mehr meint er, daß er fort müsse. Er hat eine Verabredung mit Unga und Magnus Gunnarsson. Die darf er nicht versäumen. Er muß hin, um jeden Preis.
Aber - falls er für immer fortgehe - möchte er noch einmal seinen Sohn sehen. Coco verspricht es (ohne es ernst zu meinen), damit er sich wieder beruhigt.

Achtung: Daran denken, daß Coco ihn verhext hat und ihm ein pfenniggroßes Hexenmal in der Herzgegend verpaßte. Sie hat es gespürt, daß er sie irgendwann verlassen wird, deshalb hat sie sich die Möglichkeit geschaffen, ihn von überall zu sich rufen zu können. Falls er geht, so hat sie die Möglichkeit, ihn an sich zu binden. Sie würde das auch tun, denn sie ist felsenfest davon überzeugt, daß sie beide zusammengehören.

Dorian tröstet Coco. Er sagt, daß er den Tod nicht fürchtet.
Schon einmal, als Michele da Mosto, sei er an der Kippe gestanden, und dann hatte er noch ein langes Leben - erfreute sich noch fünfundzwanzig Jahre bester Gesundheit und lebte glücklich mit seiner Frau O-Yuki (was Schnee heißt) bis ins Jahr 1610.
Coco geht sofort darauf ein, sagt 0-Yuki sei doch ein japanischer Name. Dorian bestätigt das, will aber nichts darüber erzählen, obwohl Coco ihn dazu drängt, weil sie möchte, daß er auf andere Gedanken kommt. Vielleicht bessert sich auch sein Zustand, wenn er an sein glückliches Leben als da Mosto denkt.
Bist du damals nach Japan gegangen fragt sie ihn.
Ja, antwortet er, ich folgte einem Hilferuf meines Freund und Dieners Franca Marzi gefolgt. Mehr will er dazu aber nicht sagen. Er beginnt wieder zu phantasieren.
Coco läßt einen Wachtposten bei Dorian zurück (Fred Archer oder Abi Flindt, den man aus Basajaun geholt hat) und macht sich auf den Weg in die Jugendstilvilla. Vielleicht findet sie in Dorians Samm­lung Aufzeichnungen über da Mosto, dann könnte sie bei Dorian viel­leicht Assoziationen erwecken.
Doch sie kommt in der Jugendstilvilla nie an. Als sie die Privatklinik verlassen will, spürt sie die dämonische Ausstrahlung. Sie wittert Gefahr - und sucht sie. Dabei tappt sie in eine Falle. Sie ist auf einmal von Dämonendienern umzingelt, versetzt sich in einen rascheren Zeitablauf, um ihnen zu entkommen.
Doch gerade das wollte ihr Gegner. Er hat eine Art "Zeitfalle" errichtet, aus der sich Coco aus eigener Kraft nicht befreien kann. Sie merkt plötzlich, daß sie nicht mehr in die normale Zeit zurück kann. Sie ist gezwungen, sich für alle Zeit in einem rascheren Zeit­ablauf zu bewegen, bis ihre Kräfte aufgebraucht sind.
Um sie ist die Welt zur Bewegungslosigkeit erstarrt. Und als sie versucht, ihre Umgebung zu beeinflussen, muß sie feststellen, daß sie von der Realität durch eine unsichtbare Barriere getrennt ist. Sie kann sich mit niemand in Verbindung setzen. Als sie ver­sucht, mit einem Lippenstift eine Nachricht auf einen Spiegel oder sonst wohin zu schreiben, so geht das nicht. Der Hermaphrodit Phillip könnte ihr helfen, doch der ist in Basajaun.
Coco scheint rettungslos verloren.
Da meldet sich Olivaro. Der Dämon mit dem Januskopf gibt zu, daß er ihr diese Falle gestellt hat. Sie ist in seiner Hand. Er könnte sie nun töten - das heißt, er braucht nur zu warten, bis sie sich im schnelleren Zeitablauf "totgelaufen" hat.

Achtung: Bitte herausstellen, daß diese Zeitfalle besonders raffiniert ist und nur unter besonderen Bedingungen aufgestellt werden konnte.

Olivaro ist aber im Moment gar nicht an Cocos Tod interessiert. Er will mit ihr sprechen. Wenn sie dazu bereit ist, wird er sie aus der Falle entlassen. Coco hat keine andere Wahl, sie stimmt dem zu.
Und dann weist Olivaro ihr den Weg in ein Versteck - er hat sich im Wachsfigurenkabinett eingenistet: ein gutes Versteck, denn unter tags, wenn die Besucher durch die Schauräume strömen, sind er und seine Dämonendiener zur Bewegungslosigkeit erstarrt und tun, als seien sie selbst Schaustücke. Erst in der Nacht, wenn sie unter sich sind, werden sie lebendig und frönen ihren dämonischen Riten.
Coco ist wieder frei, aber sehr geschwächt. Olivaro hat sie in seiner Gewalt. Seine schaurigen Diener verlangen Cocos Tod, aber davon will der Januskopf nichts wissen.
Er unterhält sich mit Coco über Dorian. Olivaro sagt, er wisse, warum Dorian über seinen Lebensabend als Michele da Mosto nicht sprechen will. Dorian hat ein kleines, "köstliches" Geheimnis, das seinem Image als Dämonenkiller nicht gut tut.
Dorian verdrängt die Erinnerung daran.
Olivaro könnte ihm dazu verhelfen. Das will doch auch Coco, oder nicht? Coco ist da nicht mehr ganz sicher. Wovor sie sich denn fürchte? will der perfekte Verführer Olivaro wissen. Habe sie etwa Angst, die Wahrheit über Dorian zu erfahren? Fürchtet sie, einen dunklen Fleck auf seiner makellosen Seele zu entdecken?
Olivaro behauptet, daß er ihr und Dorian doch nur helfen wolle. Er mag Luguri ebensowenig wie sie. Olivaro gibt aber auch zu, daß er nicht will, daß Dorian nach Hermes Trismegistos suche. Und ist das nichts auch in Cocos Sinn? Sie will Dorian doch nicht verlieren.
Und Olivaro versichert auch glaubhaft, daß er Dorian nichts antun könne, solange er den Ys-Spiegel hat.
Coco geht auf Olivaros Vorschlag ein. Sie entfernt den Schutzwall der Dämonenbanner um Dorian und bringt ihn an einen anderen Ort - in das leerstehende Reihenhaus in der Abraham Road. Dort kann Olivaro ungefährdet Kontakt zu ihm aufnehmen.

Umblenden zu Dorians Freunden. Unga ist überraschend aufgetaucht. Er ist gekommen, um Dorian an seine Pflichten zu erinnern. Dorian muß seinen Weg gehen - und Unga will ihn notfalls mit Gewalt auf diesen bringen. Unga ist mit Magnus Gunnarssons Privatmaschine nach London gekommen, und in diesem Flugzeug wird er Dorian mit sich nehmen.
Als er jedoch in die Privatklinik kommt - Dorians Freunde bringen Unga Ablehnung entgegen -, ist Dorian fort. Der zurückgebliebene Wachtposten weiß zu berichten, daß Coco alle Schutzmaßnahmen beseitigt hat. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß sie Dorian fortgebracht hat.

Umblenden ins Reihenhaus.
An Dorians Zustand hat sich nichts geändert. Er phantasiert immer noch. Seine Körperverletzungen sind aber nicht lebensgefährlich; sie sind das kleinere Übel.
Olivaro - immer in sicherer Entfernung des Ys-Spiegels und vielleicht gar nicht körperlich hier - bedrängt Dorian, sich an die letzten Jahre seines Lebens als Michele da Mosto zu erinnern.
Dorian murmelt davon, daß ihm O-Yuki eine gute Frau gewesen war. Sie waren glücklich bis zu seinem Tod im Jahre 1610... Aber Einzelheiten weiß er über dieses Leben nicht.
Olivaro meint, er solle sich nur nichts Falsches einreden. Soll er doch versuchen, seine Erinnerung an da Mosto durchzuackern, bis zu jenem Tag, als er O-Yuki kennenlernte. Er soll der Wahrheit ins  Gesicht sehen!
Bei dem Wort "Gesicht" schreit Dorian plötzlich. Er ruft etwas, so ähnlich wie: "Kein Gesicht! Da ist kein Gesicht... nur ein glattes eiförmiges Ding..."
Und dann beruhigt er sich und beginnt zu erzählen.

Vergangenheit: 1586
Bald nach den Abenteuern in Prag, hat sich Michele da Mosto von seinem Diener Franca Marzi getrennt. Das heißt, Marzi verließ ihn. Denn Michele erreichte aus Venedig die Nachricht, daß er als letzter da Mosto die Geschäfte seiner Familie übernehmen soll. Marzi wollte aber nicht mitkommen, er ist ein Abenteurer.
Nun, fast zwei Jahre später, hört Michele wieder von Marzi. Und zwar erreicht ihn dessen Hilferuf, als Michele gerade in Portugal weilt, um dort Handelsverträge auszuhandeln. Die Portugiesen haben ja praktisch ein Handelsmonopol mit dem Fernen Osten, mit China und Japan. Michele hat viel über diese Länder gehört - doch für Venedig sind diese Länder unerreichbar.
Von einem Jesuitenpater erfährt Michele, daß er Marzi in Japan traf. Marzi war unter die Piraten, Wako genannt, gegangen und diente dem grausamen Daimyo Gori. Als Marzi jedoch versuchte, eine Gefangene des Daimyo, O-Yuki mit Namen, zu befreien, da setzte dieser die beiden in Tokoyo aus.
Tokoyo ist der Name für ein unbekanntes Land, oder ein Bezirk, von dem kein Wanderer wiederkehrt, oder das Feenland. Kokuo ist der Herrscher dieses Landes und der Ausdruck "Tokoyo na Kokuo" bedeutet "Herrscher von Niemandsland".
Der Pater und Missionar machte sich auf die Suche nach Marzi, als er von dessen Schicksal erfuhr. Er fand Marzi - dieser war ein Gefangener des Kokuo und stand unsägliche Qualen aus. Marzi hatte in seiner Not an Michele gedacht, und nun verlangte der Kokuo ein Lösegeld für Marzi.
Michele macht sich sofort auf den Weg nach Japan. Er nimmt sein bestes Schiff, das mit Kanonen bestückt ist, seine Ladung besteht aus "modernsten" Gewehren, auf die die Japaner ganz wild sind, und er nimmt sein gesamtes Vermögen mit, um Marzi auszulösen. Michele Marzi nimmt als Passagiere auch eine japanische Delegation mit, die nach Europa kam, um im Auftrag ihres Daimyos, die westlichen Länger zu bestaunen. Michele rechnet damit, daß er mit Japanern an Bord unbehelligt bleiben wird.
Sein Schiff erreicht nach langwieriger, beschwerlicher Fahrt Japan. Der Daimyo, dessen Delegation er sicher ans Ziel brachte, gibt ihm sechs Samurais mit, die ihn beschützen sollen, wenn er sich nach Tokoyo begibt.
Man erzählt sich schaurige Geschichten über dieses unbekannte Land. Es ist eine Insel, deren Küste von Krabben mit Menschenge­sichtern auf den Rücken bewacht werden und in denen die Seelen von Verstorbenen leben. Es soll dort Jikininki (menschenfressende Kobolde) geben. Und von O-Yuki, die Gefangene, die Marzi befreien wollte, soll eine Mujina sein, sagt man sich.
Michele kann nicht erfahren, was eine "Mujina" eigentlich ist, er merkt nur, daß die Japaner dieses Wesen noch mehr fürchten als den furchtbaren Kokuo von Tokoyo.
Dennoch will Michele alles tun, um Marzi zu retten.
Sein Schiff findet dank der sechs Samurai die unbekannte Insel. Seine Männer weigern sich, Land zu betreten. Nur die sechs Samurai begleiten ihn.
Das Land wirkt unheimlich. Doch Bedrohungen zeigen sich nicht.
Michele macht Rast, schickt zwei seiner Samurais auf Erkundigung. Sie kommen nicht zurück. Tags darauf findet man sie. Tot - sie haben Harakiri gemacht, wo ihre Gesichter waren, ist eine glatte eiförmige Fläche.
Man kann sich das Rätsel nicht erklären. Was schreckliches haben die Samurais gesehen, daß sie gezwungen waren, sich selbst zu entleiben? Wo sind ihre Gesichter?
Es geht weiter.
Da hört Michele das Schluchzen einer Frau. Er geht dem Weinen nach, findet ein Mädchen, das ihr Gesicht in dem abgewinkelten Arm verbirgt und weint.
"O-jochu" spricht Michele sie an, er weiß inzwischen, daß dies eine höfliche Anredeform ist, die man unbekannten Damen gegenüber anwendet und etwa bedeutet "ehrenwertes Fräulein".
Sie kann etwas portugiesisch und sagt, ohne den Kopf zu heben, daß sie 0-Yuki heißt. Gerade als sie Michele das Gesicht zuwenden will, springt ein Samurai hinzu, schreit, daß sei eine Mujina und stößt Michele zur Seite. Michele sieht nicht, was passiert. Aber er hört den Samurai schreiend davonlaufen (als er das Gesicht des Mädchens erblickt hat). Später wird seine Leiche gefunden: er hat Harakiri gemacht. Das Gesicht fehlt ihm.
Schließlich kommt Michele zu einem Palast. Er hat alle Samurais auf die gleiche Weise verloren. O-Yuki sah er aber nicht mehr. Und hat keinen Blick auf ihr Gesicht getan und weiß noch immer nicht, was eine Mujina ist.
Der Palast scheint verlassen. Michels dringt ein. Er findet nirgends ein menschliches Wesen. Nur einmal glaubt er, das Narbengesicht vom Titelbild zu sehen. Doch als er die Verfolgung aufnehmen will - bricht urplötzlich die Nacht herein, und auf einmal ist der Palast von Leben erfüllt. Schrecklich anzusehende Krieger umzingeln ihn, werfen ihn in den Kerker. Niemand hört auf seine Beteuerungen, daß er gekommen ist, um das Lösegeld für Marzi zu zahlen. Man kümmert sich nicht um ihn. Nur einmal blickt das schreckliche Narbengesicht zu ihm in die Zelle. Und dann unterhält sich das Mädchen, das sich O-Yuki genannt hat durch das Zellenfenster mit ihm. Jetzt zeigt sie ihm das Gesicht, es ist wunderschön. Sie sagt, daß sie eine Gefangene des Kokuo sei und von ihm ein Kind erwarte. Würde Michele mit ihr fliehen? Michele sagt, daß er gekommen sei, um seinen Freund Marzi zu holen. Doch O-Yuki meint, daß Marzi vielleicht gar nicht mehr mit ihm gehen wolle.
Endlich führt man Michele dem Kokuo vor. Es ist ein mittel-großer Japaner mit eisengrauem Haar. Dieser sagt, daß es noch lange nicht soweit sei, um den Grund für Micheles Hiersein zu erörtern.
Michele wird in den Kerker geworden. Das Narbengesicht nimmt sich ihn vor, foltert ihn. Michele erkennt, daß es kein Japaner ist. Und das Narbengesicht erklärt, daß Franca Marzi verfügt habe, daß Michele alles das durchmachen müsse, was ihm selbst widerfahren sei. Michele müsse in den Schmetterlingskäfig.
Michele erfährt bald, was das bedeutet. Man zerschneidet ihm mit Klingen das Gesicht, dann wird er in einen Käfig mit Tausenden von Schmetterlingen gesteckt. Diese umflattern ihn, der Staub ihrer Flügel drängt in seine Wunden, läßt sie schwären, am Ende der Tortur sieht Michele so aus, wie sein narbengesichtiger Folterknecht.
Und da erfährt Michele, daß dies sein ehemaliger Freund Marzi sei. Und daß dieser nur den Hilferuf ausgesandt habe, um Michele hierher zu locken - der Kokuo habe es verfügt.
Und warum das alles?
Bevor Michele eine Antwort bekommt, kommt die Nachricht, daß es soweit sei. Michele weiß nicht, was die plötzliche Hektik zu bedeuten hat. Im Palast herrscht heller Aufruhr, die schrecklichen Nachtkrieger scheinen einem Höhepunkt entgegenzufiebern, ein lange erwartetes Ereignis scheint bevorzustehen.
Man bringt Michele in den Garten. Vollmond. Auf einer Matte liegt O-Yuki. Das Gesicht verschleiert oder in ihrer Armbeuge verborgen. Sie schluchzt hemmungslos. Ihr Körper zuckt unter den be­ginnenden Wehen. Rund um sie bilden knieende Schreckensgestalten einen Kreis.
Michele muß vor ihr niederknien. Vor ihm liegt ein Schwert, wie Samurai es haben. Hinter ihm steht der narbengesichtige Marzi, nun willenloser Diener und Folterknecht des Kokuo. Der Kokuo ist eben­falls anwesend. Er sagt: Michele, du wirst jetzt Harakiri begehen.
Marzi meint nicht ohne Spott, daß er mit dem Schwert bereitstehe und Michele im entscheidenden Augenblick beistehen werde.
Alles wartet darauf, daß Michele rituellen Selbstmord begeht.
Links und rechts von ihm, haben zwei junge Männer Platz genommen. Ihr Oberkörper ist nackt. Auch sie haben Schwerter und schicken sich an, Harakiri zu begehen. Sie sind sozusagen, die Animateure für Michele. Er ist auf magische Weise gezwungen, ihre Handlungen nach­zuvollziehen. Sie beginnen mit dem Zeremoniell...

Gegenwart:
Den Rest der Geschichte Dorian in der Gegenwart erzählen lassen.
Der Leser soll erkennen, daß hier irgendetwas nicht stimmen kann, daß der Handlungsfaden der Geschichte gerissen ist.
Dorian sagt, daß er den Bann abwerfen konnte. Anstatt sich selbst zu töten, köpfte er zuerst Franca Marzi, dann rettete er O-Yuki, kaum daß sie entbunden hatte und floh mit ihr. Außerhalb des Palastes traf er auf seine Leute, mit Gewehren bewaffnet, die ihre Angst überwunden hatten. Gemeinsam flohen sie zum Schiff. Michele ging nach Nagasaki, wo er sich niederließ und mit O-Yuki bis an sein Lebensende glücklich war.
Olivaro lacht ihn aus. Sie machen sich selbst etwas vor, Dorian. Die Geschichte hat einen ganz anderen Ausgang genommen. Kommt ihnen die Erinnerung an die letzten fünfundzwanzig Jahre von Micheles Leben nicht selbst irreal vor? Alles, was nach der Harakiriszene kam, haben Sie sich selbst eingeredet. Nichts davon ist wahr.
Wollen Sie die Wahrheit erfahren?
Doch in diesem Augenblick tritt Unga wie ein Wirbelwind auf den Plan.
Olivaro zieht sich augenblicklich zurück. Es soll nicht publik werden, daß er seine Fühler nach Dorian ausstreckte. Er will weder Luguri offiziell ins Gehege kommen, noch bei Hermes Trismegistos anecken.
Coco schweigt ebenfalls über den Kontakt zu Olivaro. Sie ist zu Unga reserviert, weil er ihr Dorian wegnehmen will. Und Unga, höflich aber bestimmt, läßt sie auch nicht im Zweifel. Er ist gekommen, um Dorian zu holen: Magnus G. wartet, wird langsam ungeduldig.
Dorian ist bereit. Er will mit Unga gehen. Aber er ist noch Rekonvaleszent, fiebert. Er soll mit einem Rettungswagen zum Flughafen gefahren werden. Coco weicht nicht von seiner Seite.
Sie stellt Unga zur Rede. Dieser sagt, sie dürfe nicht so egoistisch sein und Dorian nur für sich wollen. Dorian ist zu Höherem bestimmt. Ob Unga es auch für richtig halte, was Dorian da tue - immerhin hat er sich mit allen seinen Freunden verfeindet, die Magische Bruderschaft verhöhnt und ist aus ihr ausgetreten - will Coco von dem Cro-Magnon wissen. Und erwidert, daß es nicht um seine Meinung gehe, die sei nicht wichtig. Es komme einzig darauf an, was Dorian wolle. Und Dorian sagt es deutlich: Wenn er erfolgreich gegen die Dämonen kämpfen wolle, dann könne er es nur aus dem Untergrund tun. Er muß ein ganz neues Leben beginnen. Und er will die Macht - mehr als alles andere.
Coco ködert ihn in ihrer Verzweiflung. Das ist ein Fehler. Ob er sich nicht ein Leben an ihrer Seite vorstellen könne, zusammen mit ihrem Kind. Wenn er das wolle, wird sie ihn ins Versteck führen.
Dorian erbittet sich Bedenkzeit. Er will sich nicht sofort entscheiden, will es sich überlegen. Als Unga es nicht hört, bestellt Dorian Coco nach Island. Dort werde er ihr seinen Entschluß mitteilen.
In diesem Augenblick, Unga muß einige Formalitäten wegen des Flugzeuges erledigen - er hat von Magnus G. falsche Papiere -, meldet sich wieder Olivaro.
Olivaro dringt beschwörend in Dorian: Erwehren Sie sich der falschen Erinnerung. Haben Sie den Mut, sich zur Wahrheit zu be­kennen. Denken Sie daran, was damals wirklich geschah...
Und Olivaro erreicht es, daß Dorian die Barriere, die er selbst, oder sein Unterbewußtsein rund um seine Erinnerung errichtet hat, niederreißt. Und er erlebt es noch einmal, was damals wirklich geschah.

Vergangenheit:
Dorian sieht wieder die Szene vor sich. Vor ihm O-Yuki, mit verdecktem Gesicht, die ihr Kind bekommt. Links und rechts von ihm die beiden Besessenen, die sich anschicken, Harakiri zu machen - und denen es Michele da Mosto gleichtun muß.
Und dort der Kokuo. Er sagt zu Michele, daß er alles über ihn wisse, daß er in früheren Leben Baron de Conce, Juan Garcia de Tabera und Georg Rudolf Speyer geheißen habe - und daß Alraune, die nun in der Unterwelt von Kreta lebe, sein Geheimnis preisgegeben habe, um sich an ihm zu rächen. Und er, der Kokuo habe Michele nun hergelockt, um diese Rache zu vollziehen. Er werde hier einen ganz besonderen Tod sterben, während O-Yuki ihr Kind gebiert, und dieses Zeremoniell habe den Sinn, daß Michele da Mosto alias in seiner nächsten Inkarnation den Dämonen dieser Welt nicht mehr die Quere kommen könne.
Deshalb müsse er hier und zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt das Harakiri vollziehen. Sein ehemaliger Freund Marzi werde auf die Einhaltung des Zeremoniells achten.
Als O-Yuki ihr Gesicht entblößt, sieht Michele daß sie keines hat. Das ist also eine Mujina.
Und da folgt Michele dem Beispiel der beiden Besessenen, er bohrt sich den Stahl des Samurai-Schwertes in den Leib, zerschneidet sich ihn nicht kreuzweise, sondern immer von unten nach oben. Und während er das tut, ihm die Schmerzen fast die Besinnung rauben, sieht er, daß sich der Kopf des Kokuo um 180 Grad wendet - und er sieht das Gesicht von Heinrich Cornelius von Mudt, den er in seinem Leben als Baron de Conde kennenlernte und den er heute unter dem Namen Olivaro kennt. Der Dämon mit dem Januskopf.

Gegenwart:
Dorian ist wie vor den Kopf geschlagen. Er hat immer geglaubt, daß er Olivaro in all den Jahrhunderten nie mehr begegnet ist. Und jetzt erfährt er, daß er Michele da Mosto den Tod gebracht hat.
Olivaro jedenfalls hat sein Ziel erreicht, er hat den Dämonenkiller verunsichert. Olivaro entfleucht.
Dorian hat den Augenblick des Schmerzes, als er seinen Körper durch Harakiri entseelte ganz genau miterlebt. Aber was war danach?
Er erinnert sich dann nur noch, daß er im Jahre 1610 geboren wurde.
Was war in den dazwischenliegenden fünfundzwanzig Jahren? Welche Existenz hatte er da gehabt? Er weiß es nicht. Er will aber auch nicht glauben daß er fünfundzwanzig Jahre nicht existiert hat.
Diese Überlegungen machen ihn noch ganz verrückt.
Cocos Stimme reißt ihn in die Realität zurück. Es kommt der Abschied für sie beide. Offiziell weiß Coco ja nicht, wohin Dorians Reise geht. Doch er hat ihr anvertraut, daß er sich auf Island mit ihr treffen will. Und zwar bei Gunnarssons Gehöft!
Obwohl Dorian nervlich ziemlich zerrüttet ist, befindet er sich gesundheitlich auf dem Weg der Besserung. Er kann das Flugzeug aus eigener Kraft besteigen.
Unga sagt Coco zum Abschied, daß sie nicht versuchen soll, Dorian nachzuspionieren. Er soll seine Chance haben, ohne daß andere ihn zu beeinflussen versuchen.
Als das Flugzeug startet, ist Coco, als fliege damit ein Stück von ihr selbst fort. Sie glaubt jetzt, daß es nicht recht war, ihren Sohn gegen Dorian auszuspielen, den DK damit geködert zu haben.
Und im Flugzeug zermartert sich der DK den Kopf darüber, was in den fünfundzwanzig Jahren gewesen sein mag, die zwischen seinem Leben als Michele da Mosto und seinem 6. Leben lagen.
Das Glück an der Seite O-Yukis war nur eingebildet, da macht er sich nichts mehr vor.
Deshalb brennt die Frage in seinem Gehirn: Was war mit seinem 5. Leben? Wer war er da?
Keine Spekulationen darüber anstellen, keine weiteren Aussagen machen.

Zur Einleitung - Zum ersten Teil - Zur Übersicht

Kommentare  

#1 Heiko Langhans 2014-05-30 13:15
So ziemlich der fieseste DK-Roman der alten Serie. Nichts für schwache Nerven.
#2 Thomas Mühlbauer 2014-05-30 19:06
Eine Art Schlüsselroman, der die Phase klassischen Grusels beendet; danach bricht für über dreißig Bände die Gigantomanie über den Dämonenkiller herein.

Abschied musste man als Leser auch von Michele da Mosto nehmen, der im Vergleich zu den anderen Inkarnationen immerhin ein reifes Alter (46 Jahre) erreichen durfte :D. Andreas hat es an anderer Stelle schon recht treffend erwähnt, dass man die Figur nicht in dem möglichen Umfang genutzt hat, den man sich gewünscht hätte. In gerade mal sieben Romanen wurden Micheles Erlebnisse geschildert, andere Leben wurden noch stiefmütterlicher behandelt, was man auch nach vierzig Jahren nur bedauern kann.

Und selten hat Olivaro rücksichtsloser und teuflischer agiert als in diesem Roman...
#3 Andreas Decker 2014-06-01 11:44
Die Qualitätssprünge sind schon bemerkenswert. Zuerst die sehr schwachen Vorromane, dann wieder dieses Art Kammerspiel.

Wäre der Zyklus auch nur halb so sorgfältig wie dieser Roman durchgeplant gewesen, hätte das so viel besser sein können.

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