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Illuminati – Angels & Demons

Illuminati – Angels & DemonsIlluminati – Angels & Demons

Wie sich die Geschichte doch wiederholt. Kaum hatte man die ersten Pressevorführungen hinter sich, verebbten plötzlich böse Widerworte, verstummten die peinlichen Anschuldigungen. Mit dem regulären Kinostart war auch der Hauch des Mystischen, des Verbotenen, des Skandales verraucht. Man könnte sogar sagen mit weißem Rauch. Das Konklave der Zuschauer hat gewählt. Ja, wir haben wieder einen Film. Genauso spektakulär, wie die Papstwahl im Film selbst. Zweifellos ist ILLUMINATI ein gewaltiger Film, einer, den man gerne als Großereignis benennt.

Und ILLUMINATI ist um Längen raffinierter umgesetzt als sein finanziell erfolgreicher Vorgänger. Aber wie eben auch sein Vorgänger schafft es Ron Howard nicht, sein Publikum mitzunehmen. Der Zuschauer hechelt lediglich hinterher, stets bemüht, der erhaltenen Komplexität des in der deutschen Ausgabe über 700 Seiten umfassenden Romans zu folgen.

Durch die Bemühungen, Liebhaber und Fans des Buchs SAKRILEG – DA VINCI CODE nicht zu verärgern, legten sich Drehbuchautoren und Regisseur selbst filmische Stolpersteine in den Weg. In Absprache mit dem Schriftsteller Dan Brown sollte das nicht mehr passieren. Brown erschuf sich damit sogar einen Job als Ausführender Produzent bei dieser Produktion. Man straffte, strich und änderte. Das kommt der filmischen Umsetzung wirklich sehr zugute, macht die Geschichte aber noch lange nicht weniger komplex. Während ganze Handlungsstränge hinten runterfielen, erhielt man teilweise ganze Dialogpassagen aus dem Roman bei. Damit gelang, was in den letzten Jahren nur Peter Jackson beschienen war: Eine vollkommen zufriedenstellende Romanverfilmung.

Symbolologe Robert Langdon wird vom Vatikan gebeten, bei der Aufklärung eines Entführungsfalles zu helfen. Durch sein vorangegangenes Abenteuer hat er sich bei der katholischen Kirche keine Freunde gemacht, aber gewiss ihren Respekt erlangt. Es ist der Tag, an dem ein neuer Papst gewählt werden soll und die vier ‚bevorzugten‘ Kandidaten auf das Amt für den Heiligen Stuhl sind entführt worden. Zudem wurde aus den Laboratorien von CERN unter Anwendung unerbittlicher Methoden ein Behälter mit Antimaterie gestohlen, welcher scheinbar anschließend irgendwo im Vatikan versteckt wurde. Zu den Vorfällen bekennen sich die Illuminati, ein Jahrhunderte alter Geheimbund aus Wissenschaftlern wie zum Beispiel seinerzeit Galileo. Seit Jahrzehnten waren die Illuminaten nicht mehr aktiv gewesen, aber nun möchten sie grausame Rache an der kirchlichen Institution nehmen, von der sie dereinst grausam gejagt und teilweise hingerichtet wurden. Antimaterie in Staubkorngröße könnte den ganzen Vatikan zu Nichts verdampfen. Die Illuminati haben allerdings wesentlich mehr Antimaterie aus CERN entwendet. Und dabei bevölkern abertausende Gläubige die heilige Stadt in freudiger Erwartung auf einen neuen Papst. Der endgültige Sieg der Wissenschaft über die Religion könnte bevorstehen.

Ein Roman lässt sich leichter lesen als ein Film ansehen, der den Handlungsspielraum beibehält. Zur Ehrenrettung muss man auch sagen, dass selbst Dan Brown seinen Lesern nicht zugesteht, bei den komplizierten Aufgabenstellungen mitzurätseln, welche Robert Langdon lösen muss, um die Katastrophe zu verhindern. Im Buch wie im Film wird man gnadenlos mitgerissen. Doch zumindest schafft es Howard, einige ruhige Momente zu inszenieren, die nicht einfach nur Zeit zum Verschnaufen lassen, sondern den Darstellern Freiraum zum Spielen und Interagieren geben. Bei einer Auswahl wie Hanks, McGregor, Müller-Stahl und Skarsgard will man das aber auch haben, dass man diesen illustren Kreis auch mal in Ruhe beobachten kann. Dabei hält Howard wunderbar die Balance immer wieder im richtigen Augenblick anzuziehen, oder Fuß vom Gas zu nehmen. Etwas, das dem ersten Teil nicht beschienen war und als deutliches Manko zu sehen war, weil es ihn nicht spannender machte, sondern nur den Zuschauer atemlos zurückließ. Und mit Thure Lindhardt als Sicherheitsbeamten hat man ein relativ unbekanntes Gesicht gefunden, dem man besonders gerne  zusieht und der in dieser Riege großer Namen sehr positiv auffällt.

Die Veränderungen von Drehbuch zur Romanvorlage kommen allesamt der Geschichte zugute. Besonders die verschobene Charakterisierung des Killers dürfte einige Zuschauer überraschen, ist aber wirklich originell, weil glaubhaft umgesetzt. Weniger gelungen ist allerdings die Umsetzung in der letzten Viertelstunde, wo die Geschichte zu einem plausiblen, aber leider viel zu versöhnlichen Ende gebracht werden soll. Die Filmversion gesteht dem vermeintlichen Illuminatus nicht zu, in einer wenngleich verblendeten, aber im Grunde doch ehrenwerten Absicht zu handeln. Wo Brown aus dem sogenannten Bösewicht eine nachvollziehbare und im weiteren Sinne sogar verständliche Absicht herausholt, eine Absicht, die sich durchaus aus dem derzeitigen Zustand unserer Gesellschaft ableitet, bleibt dieser im Film nur ein versponnener Eiferer. Zudem findet der Film nach dem gelungenen, atemberaubenden Showdown noch lange kein Ende, obwohl da die Spannung längst abgeklungen ist. Man könnte den Eindruck gewinnen, die Macher konnten sich einfach nicht von ihrer Geschichte verabschieden. Zu sehr hat man sich da wieder ans Buch gehalten, wohingegen bekannt sein müsste, dass beim Lesen andere Mechanismen funktionieren.

Totinos Kameraarbeit lässt eigentlich keine Wünsche offen. Mit seinen Grau dominierenden Bildern passt sich die Stimmung einfach gut an die Thematik an und er weiß, wann man was und wie viel von der Szenerie zeigen muss, oder wann die Charakter in den Vordergrund müssen. Die Kamera verschmilzt unaufdringlich mit dem Rhythmus des Filmes, ohne die Bilder zu überfrachten, was sich eigentlich anhand der Massenszenen angeboten hätte. Doch anstatt der verlockenden Epik zu erliegen, werden die Geschehnisse stets über die Figuren abgehandelt. Nur Hanley und Hills Bildschnitt verfällt an wenigen Stellen in die moderne Auffassung von unübersichtlicher Bildführung. Doch im Groben ist gerade dieser Film ansich sehr puristisch geschnitten, fast schon konventionell langsam, was ihm aber nichts von seinem Spannungsaufbau nimmt. Musikalisch baut man dann auch noch auf Altbekanntes, in dem lediglich Joshua Bell mit seiner Violine Hans Zimmers ‚Chevaliers de Sangreal‘ etwas variieren kann. Der Einfluss der Musik auf einzelne Szenen ist aber längst nicht so markant wie beim Vorgängerfilm. Eigene, nur angelehnte Themen wären ILLUMINATI besser zu Gesicht gestanden.

Der technische Höhepunkt ist allerdings ohne jeden Zweifel die Rekonstruktion der verschiedenen römischen Drehorte, für die es anfänglich Drehgenehmigungen gegeben hatte, die allerdings unter dem Einfluss des Vatikans zurückgezogen wurden. Die Leistungen von Produktionsdesign, Ausstattung und Bühnenbau sind einfach überwältigend. Dabei kommt der Film mit wesentlich weniger computergenerierten Bildern aus, als es für eine Produktion dieser Größenordnung mittlerweile üblich wäre. Zu keinem Zeitpunkt macht irgendeine Kulisse den Eindruck, im Studio entstanden zu sein. Jede Kapelle, Kirche oder der Dom sind einfach überzeugend, genauso wie alle anderen Örtlichkeiten im Vatikan. Da Totinos Kamera diese Drehorte eher wie zufällig und dadurch sehr unaufdringlich in Szene setzt, verleiht das dem gesamten Film einen unglaublichen Realismus.

ILLUMINATI, als erster Robert-Langdon-Roman nun als zweiter verfilmt, ist in erster Linie eine erstklassige Romanverfilmung. Er ist eigenständig gesehen ein durch und durch respektabler Film geworden. Doch er ist noch lange kein perfekter Film. Vielleicht weil er gerade am Ende merklich an Fahrt verliert, oder die Musik sich nicht so besonders hervor tut. Aber er ist spannend, sehr gut gespielt und im obersten Bereich in all seinen technischen Aspekten. Er wird nie wirklich langweilig und ist teilweise auch mit unaufdringlichem Humor gespickt. Und er macht sich für seine im Vorfeld polternden Gegner unangreifbar, weil er sich einer eindeutigen Stellung gegenüber der katholischen Kirche und ihren Methoden entzieht. Und tatsächlich gehört eine befürchtete Kritik, die man anfänglich in dem Film vermutete, auch überhaupt nicht in eine Geschichte, der im weitesten Sinne eine Schnitzeljagd zugrunde liegt. Also bleibt der schwarze Rauch aus, der signalisieren soll, dass kein Ergebnis erzielt wurde. Weißer Rauch steigt empor und die Menge jubelt. Es gibt die Reibungspunkte, aber nichtsdestotrotz haben wir einen sehenswerten Film.


Illuminati – Angels & Demons
mit Tom Hanks, Ewan McGregor, Stellan Skarsgard, Ayelet Zurer, Nikolaj Lie Kaas, Pierfrancesco Favino, Thure Lindhardt, Armin Müller-Stahl u.a.
Regie: Ron Howard – Drehbuch: David Koepp, Akiva Goldsman – Kamera: Salvatore Totino – Bildschnitt: Dan Hanley, Mike Hill – Musik: Hans Zimmer, Joshua Bell – Produktion Designer: Allan Cameron – Ausstattung und Bühne: Keith Cunningham, Dawn Swiderski, Patte Strong-Lord, Jeff Markwith
USA / 2009 – circa 138 Minuten

Kommentare  

#1 Pisanelli 2009-05-25 17:51
Ah, ich dachte schon, Ihr habt den Film vergessen ;-)
Also, als Historikerin kann ich mit den Büchern von Dan Brown nicht soviel anfangen, vor allem das Sakrileg hat mir gar nicht gefallen, wenn die kriminalistischen Seiten auch nicht ganz schlecht sind. Den ersten Film konnte man demgemäß auch relativ in die Tonne kloppen, da er sehr nah am Buch dran war.
Illuminati hat mir als Film wesentlich besser gefallen, ich kann da nur zustimmen, dass das Drehbuch wirklich mehr auf Film abgestimmt wurde. Ewan McGregor und Armin Müller-Stahl haben Tom Hanks dabei sogar fast an die Wand gespielt, ich fand sie toll als Kirchenleute. Ganz großartig fand ich die Kamera, da gab es einige sehr schöne Szene, vor allem in Slow Motion. Die Kulissen gabe da natürlich auch viel her. Sehr - wie soll ich sagen - entspannend fand ich auch mal, dass im Film die Kirche mal nicht in Schwarz-Weiß-Malerei an den Pranger gestellt wurde, sondern einige intelligentere Gedanken in Hinsicht auf die Diskussion von Glaube und Wissenschaft dargestellt wurden und es dem Zuschauer überlassen blieb, wie er es sehen möchte.
#2 Mainstream 2009-05-25 22:40
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Aber, aber. Man liest Dan Brown doch nicht mit den Augen einer Historikerin. Ich sehen diese beiden Robert Langdon Romane als reine Populär-Mystik. Verschwörungstheorien sind eben einfach angesagt und was würde sich da mehr anbieten als die weltumspannende Kirche?

Für mich liegt der Reiz eigentlich darin, reale Situationen, Ereignisse und geschichtliche Hintergründe zu einer vollkommen neuen Geschichte zusammen zu basteln. Und alles passt. Also so gesehen, finde ich Dan Brown sehr geschickt und intelligent. Den Mythos Kirche anzukratzen trifft dann auch noch schön den Nerv der Zeit, weil es noch immer die einflussreichste Institution in der Welt ist. Dahingehend hat mir die Geschichte von DA VINCI CODE sogar viel besser gefallen. ILLUMINATI ist ja vorher geschrieben worden und man merkt dem Buch einfach an, das Brown da noch übt, was er mit DA VINCI CODE vollenden konnte.

Doch wer immer das Ganze tatsächlich ernst nehmen will, der hat einfach selbst schuld.

Das schönste persönliche Erlebnis bei dem aktuellen Film finde ich den veränderten Charakter des arabischen Killers, der wirklich überrascht und kein Klischee erfüllen muss.
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#3 Pisanelli 2009-05-26 08:32
Also, bei Illuminati hat er sich wenigstens noch was selbst ausgedacht. Bei das Sakrileg hat er nur uralte Legenden in einen Topf geschmissen, die so große Lücken in der Chronologie und Logik aufweisen, dass man Zahnschmerzen kriegt.
Sakrileg war eine sehr alte, oft erzählte Geschichte, die ich außerdem in "Gabriel Knight" in einer anderen Version auch schon als PC-Spiel zocken konnte. Ein Unding, dass der Kerl damit soviel Geld verdienen konnte...
Und sorry, da er sich auf "historische Tatsachen" beruft und sogar einigermaßen seriös erscheinen will damit, muss ich es auch als Historiker lesen. Und da kann ich nur milde lächeln...
#4 Andrew P. Wolz 2009-05-27 16:03
Ich geb euch beiden recht: Liest man das Buch wie von Mainstream vorgeschlagen, macht es am meisten Spaß. Allerdings weiß ich aus Erfahrung, dass viele glauben, alle Fakten im Buch seien wahr. Das ist nicht der Fall und daher irreführend. Sicher glauben sogar viele Leser, die These ist wahr. Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Irrglaube zum Erfolg beigetragen hat. Und die Tatsache, dass viele glauben, Dan Brown hätte als erster hierüber geschrieben.

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