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Sex und Essen - Wenn Hitchcock einen richtigen Krimi macht

FrenzySex und Essen
Wenn Hitchcock einen richtigen Krimi macht

Ein pathologischer Triebtäter, der seine weiblichen Opfer mit einer Krawatte stranguliert, versetzt London in Angst und Schrecken. Ein ehemaliger Pilot gerät ins Visier der Polizei. Seine Exfrau ist ebenfalls ermordet worden, und kurz zuvor hatte er sich mit ihr heftig gestritten. Der Verdächtige muss nun seine Unschuld beweisen. - Thriller-Meisterwerk aus dem späten Filmschaffen des Großmeisters Alfred Hitchcock.


Während ein Londoner Politiker seine Zuhörer am Ufer der Themse mit rosigen Visionen über die zukünftige Sauberkeit und den Umweltschutz der Stadt begeistert will, treibt am Flussufer plötzlich eine nackte, nur mit einer Krawatte bekleidete Frauenleiche. Ein weiteres Opfer des seit geraumer Zeit gefürchteten "Krawattenmörders". (1)

FrenzyWenn Hitchcock Krimis drehte, dann waren diese meist im Umfeld von Spionagediensten und Geheimagenten angesiedelt. Dazu gehören ohne Zweifel seine genialen Thriller "Der unsichtbare Dritte", "Der Mann, der zuviel wusste", aber auch Frühwerke wie "Sabotage" und "Eine Dame verschwindet". In der "Der zerissene Vorhang" schreckte er sogar nicht davor zurück, die gefährliche Ost-West-Diplomatik zum Thema zu machen. In all diesen Krimis war der psychologische Faktor außen vor oder eher zweitranging. Andererseits brachte er viele psychologische Krimis wie "Psycho" und "Ich kämpfe um dich". Nicht zu vergessen sein Meisterwerk "Vertigo". Er schaffte es aber auch scheinbar ganz gewöhnliche Krimis zu drehen, die dennoch Meisterwerke wurden. Dazu zählt neben "Das Fenster zum Hof" und "Bei Anruf Mord" auch der Flm "Frenzy". Ein Spätfilm von ihm und für mich schlechthin der Hitchcock. Und das obwohl der Thriller nicht mit den Hollywoodstars von damals aufwartete und eher den Charakter eines Fernsehfilms besaß. Nach Jahrzehnten kehrte Hitchcock aus Hollywood zurück nach London um den Thriller um den Krawattenmörder zu drehen. Ein krawattenmörder im Film - gab es das schon mal? Das müsste man weit in die Filmhistorie hineinforschen und wahrscheinlich würde man das Thema da irgendwo finden. Denn der Mord mit der Krawatte steht irgendwie synonym für den typischen Würger. Ein Mörder aber, der typisch mit der Krawatte mordet, den hat Hitchcock mit diesem Film krimireif gemacht. Und er hat alles in diesen Film hineingepackt. Liebe, Sex, Eifersucht und Essen.
Ihm ging es daraum die Perversion des Täters zu zeigen, der glänzend von Barry Foster gespielt wird. Ein Obst- und Gemüsehändler. Einer der gern schonmal einen Apfel vertilgt, während er mordet. Einen, der eine Leiche shconmal in einem Kartoffelsack verschwinden lässt. Auch wenn er am Ende bemerkt, dass er die verräterische Krawattennadel vergessen hat - in der Hand der Toten. So klettert er auf den LKW und sucht zwischen Kartoffeln nach der Nadel. Allein für diese Szene nahm sich Hitchcock drei Tage Drehzeit.

Und wieder geht es ums Essen, als der Inspektor den Fall lösen will und von seiner Frau mit widerlichen Speisen "verwöhnt" wird. Eine komödiantische Variante fließt auf diese Weise in den Film mit ein. Hitchcock versucht das etwas anrüchige Thema aufzulockern. Für 1971 nicht ungewöhnlich und ein genialer Schachzug. Dennoch kann Hitchcock hier viel freier agieren als in jedem seiner anderen Filmen. Zum ersten Mal gibt es Nacktszenen in einem Hitchcock. Kein Novum, aber dem Zeitgeist der Filme in den beginnenden siebziger Jahren angepasst. Auch die Synchronisation geht in diese Richtung. Flapsige Sprüche, unsaubere Wörter die nicht ganz kinderstubenrein waren. Aber auch bekannte Synchronstars wie Rolf Schult, Christian Brückner und Lothar Blumhagen erwecken den Eindruck einen modernen, völlig neuartigen Hitchcock zu sehen.

FrenzyEin Gemisch aus allen also, auch mit Spannung und Suspense. Die Frage nach dem Mörder stellt sich nicht. Hitchcock war soweiso kein typischer Whodunit-Macher. Ihm ging es eher um die Figuren und ihren Beweggründen. Hier ist es die psychologische Komponente, die Triebhaftigkeit eines Besessenen.

Jon Finch ("Tod auf dem Nil") spielt den unschuldig gejagten. Und das nur, weil seine Exfrau eines der Opfer ist. Dabei hat er logische Argumente, warum er es hätte nicht sein können. Seine Verurteilung am Ende ist deswegen nicht ganz schlüssig. Aber Hitchcock schafft Aufklärung und so wird auch der wahre Täter überführt.

Ich mag diesen Film wegen seines typischen Krimicharakters und wegen dem unterschwelligen Humor. Danach drehte Hitchcock nur noch einen Film. "Familiengrab" war schon eine richtige Komödie und weit entfernt von Suspense. Aber shcon mit "Cocktail für eine Leiche" und "Immer Ärger mit Harry" bediente der Meister der Spannung das komödiantische Fach.

Der spannende Plot, gekonnt gespickt mit schwarzem Humor und brillanten Dialogen, macht Alfred Hitchcocks "Frenzy" absolut sehenswert. (2)

(1)= 3sat
(2)= 3sat
Bild: ZDF

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2016-07-12 10:21
Ich muss gestehen, dass ich mit vielen Hitchcock-Filmen meine Probleme habe und noch nie nachvollziehen konnte, was jetzt so großartig daran sein soll. Gerade seine "psychologischen" Filme finde ich schon länger größtenteils unsäglich, vor allem "Marnie".

Für "Frenzy" konnte ich mich auch nie erwärmen. Ist aber schon lange her, dass ich ihn gesehen habe. Vielleicht würde er mir heute besser gefallen. In meiner Erinnerung ist hauptsächlich die schöne Lokationarbeit präsent.

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