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Fantasy Filmfest 2009: Endstation

Kleinod NürnbergFantasy Filmfest 2009
Teil 4:
Endstation

Provozierende Fragen nach Sinn und Sinnhaftigkeit von Gewaltdarstellung lässt Rudi Fürstberger gar nicht erst an sich heran. Auf die Frage, ob es nicht bizarr sei, wenn das Publikum vor Begeisterung tobt, weil auf der Leinwand eine Frau von einem Autoreifen in Stücke gerissen wird, antwortet Fürstberger sofort: „Nein, wieso?“ Eine Gegenfrage, mit der der Fragesteller ins Aus geschossen wird. Die Gegenfrage bleibt unbeantwortet.

Seit 2002 ist Rudi Fürstberger in festen Händen des Fantasy Filmfestivals und man bemerkt auch sofort, dass er unüberlegte Fragen oder undifferenzierte Aussagen über Gewalt schon des Öfteren im Keim ersticken musste. Er ist der Mann vor Ort. Der erste Ansprechpartner. The Big Cheese. Und da muss man Fans zufriedenstellen und nicht die herbeigequatschten Probleme anderer lösen.

Schlimmster Moment, schönster Moment. Da gibt es so viele, meint der Programmdirektor Rudi Fürstberger. Schlimme Momente vergisst er sehr schnell, „es kann halt so viel schief gehen. Und wir haben alle gelernt, dass, egal was man macht, irgendwas schiefgehen wird. Man muss einfach damit leben können. Ich bin da inzwischen ganz gelassen. Man kann da nicht mehr rumspringen und ausflippen, das machen dann schon einige Leute im Kino.“ Nach kurzer Überlegung fährt Fürstberger fort, „aber der schönste Moment, glaube ich, ist der erste Tag des Festivals, weil man dann da ist, wo man hingearbeitet hat, und zwar mehrere Monate lang. Der volle Saal mit den Fans, der erste Film, der läuft, das ist wie der Startschuss für diesen täglichen Marathon, den wir da vor uns haben.“

Dieser ersehnte erste Tag liegt in diesem Jahr schon 13 Tage zurück, also bereits 13 harte Tage, an denen alles reibungslos am Laufen gehalten wurde. Festival bedeutet ja nicht, dass es sich um einen einzelnen Austragungsort handelt, sondern es umfasst alle Städte. Die einzelnen Programme greifen so ineinander, dass in drei Städten gleichzeitig Filme präsentiert werden. In Nürnberg ist heute erst einmal pures Hollywood beim Filmfest angesagt. Die Eingangskontrollen für THE FINAL DESTINATION sind extrem. Schick schwarz gewandete Menschen mit Knopf im Ohr und ohne Lächeln sehen in jede Tasche. Erst wer sein Handy ganz ausschaltet, darf mit diesem den Saal betreten. Wer im Kino elektronisches Gerät zeigt oder bedient, wird sofort angesprochen. Auch wenn man die Security nicht sieht, sie sehen einen.

„Es gibt ja einen sehr engen Pool von Filmen, die man will, und den kennen natürlich viele. Aber dennoch haben wir versucht und es immer wieder geschafft, Entdeckungen zu machen.“ Als Programmdirektor des 23 Tage umfassenden Festivals ist Rudi Fürstberger sicher, dass sich in Zukunft daran nichts ändern wird. Mit dem vierten FINAL DESTINATION zeigt das Festival einen Film, der wohl weniger das Prädikat ‚Geheimtipp‘ trägt. Aber ein Leckerbissen ist es allemal, schließlich darf er eine Woche vor den meisten europäischen Starts gezeigt werden. Den guten Ruf des Festivals und die ergebenen Fans als Marketing-Werkzeug zu nutzen, gelingt den Verleihern aber nicht. „Natürlich bekommen wir oft Sachen angeboten, das passiert die ganze Zeit, aber wir können auch Nein sagen. Wir suchen aus. Wir bekommen Sachen angeboten und sagen sehr oft Nein.“

Zu THE FINAL DESTINATION muss man nicht Nein sagen. Selbst als reinstes Produkt der Studio-Industrie hat er dennoch alles, was dem Fantasy Filmfest gut zu Gesicht steht. Sehr makaber, äußerst blutig, und so comicartig inszeniert, dass man sich des Vergnügens an den extrem überdrehten Todesarten nicht zu schämen braucht. Auch wenn es Leute gibt, die das anders sehen. Der abschließende Satz von Rudi Fürstberger zu diesem Thema ist, „man muss das einfach im Kontext sehen.“

Natürlich kann es zu Diskussionen kommen oder zu Auseinandersetzungen über bestimmte Filme und ihre Qualitäten. Das Spektrum der gezeigten Filme ist aber auch enorm, gegenüber der eigentlich eingeschränkten Bandbreite von Genres. So hält man sich nicht nur seine Zuschauer, sondern gewinnt weitere hinzu.

„Dieses Jahr haben wir uns sogar gesteigert“, sagt Fürstberger in Bezug auf die Zuschauerzahlen. Gerechnet über das gesamte Festival und alle Austragungsorte zusammen lag der Durchschnitt in den Vorjahren bei 120.000 Zuschauern. 2008 sollen es sogar 125.000 gewesen sein. Das waren ungefähr 1600 verkaufte Karten pro Film, oder anders ausgedrückt, jede einzelne Vorstellung hatte im Schnitt über 200 belegte Sitzplätze. „Wir haben extrem gesteigert in Berlin und Hamburg, Köln, ganz extrem in München in den Vorverkaufszahlen. Ich glaube Nürnberg und Frankfurt bleiben ähnlich wie letztes Jahr. Aber sonst extrem gesteigert, das liegt aber auch an dem Programm. Ein sehr starkes Programm dieses Jahr, das viele neue Zuschauer angezogen hat.“

Rudi Fürstberger betont auch die angereisten Gäste aus Cleveland und New York, als Beleg für den mittlerweile weltweiten Bekanntheitsgrad des Festivals, für den er in aller Bescheidenheit Festivalleiter Rainer Stefan allein verantwortlich macht. „Es war ein Crunch- und Punkfestival und Rainer hat irgendwelche trashigen Horrorfilme gezeigt. Am Anfang war das Programm ein Flyer mit den Titeln. Das waren ein oder zwei Nächte und daraus ist das hier entstanden.“ Nun berichten Variety und Hollywood Reporter als führende Branchenblätter von diesem Festival, und das beeindruckt Fürstberger. „Rainer hat das alleine aufgezogen, alleine durchgezogen und das Festival zu dem gemacht, was es heute ist.“

MOON und DISTRICT 9, in der eigentlich geheimen Sneak-Preview gibt es DESCENT 2 und dazu eben FINAL DESTINATION. Filme, die vor den offiziellen Starts gezeigt werden. Das reizt extrem. Und als Wiederholung einer schon erwähnten Beobachtung: Man sieht die Filme mit einem Publikum, das diese Filme auch sehen will. Das kommt einfach an. Hingegen hat der Action-Kracher THE TOURNAMENT noch gar keinen Verleih. IN THE ELECTRIC MIST genoss eine einzige Vorstellung auf dem Internationalen Film Festival von Berlin. PUSH wird in Deutschland direkt auf DVD erscheinen. Da gibt das FANTASY FILMFEST wenigstens die Chance, zu sehen, was schnell mal ungesehen im Archiv verschwinden kann.

„Wir lassen jedes Jahr Kopien herstellen und jedes Jahr Filme untertiteln, natürlich in Absprache mit den Verleihern“, erklärt Rudi Fürstberger, hat darüber aber vergessen, ob es dieses Jahr acht oder neun Filme waren, die erstellt werden mussten, um sie auf der großen Leinwand präsentieren zu können. „Keine Ahnung. Das Wichtigste, was ich jetzt im Kopf behalten muss, ist einfach, wohin die Kopien gehen. Diese ganze Logistik-Geschichte, weil wir eben immer in drei Städten gleichzeitig sind. Das ist sehr schwierig und aufwendig, da darf nichts vergessen werden.“ Der Programmdirektor nennt es ein Experiment, das Fest innerhalb von 23 Tagen mit fünf, sechs Mann zu stemmen, „das zehrt einfach an jedem. Und es tut sehr gut, tatsächlich zu wissen, ich bin am neunten September fertig und hab danach meine Ruhe. Das ist schon sehr hart. Also einundzwanzig Tage ist die absolute Grenze, was man so schafft, um jeden Tag zu arbeiten.“

David R. Ellis und sene DarstellerJa, aber bis zu diesem Punkt sind es noch zehn Tage. Es gibt nur sehr selten ein paar Minuten, um sich einmal richtig zu entspannen. Rudi Fürstberger nutzt die Gelegenheit und setzt sich eine 3-D-Brille auf. Da spritzt Gedärm, fliegen massenhaft Autoteile, Feuerwalzen schälen sich aus der Leinwand. Das Publikum ist begeistert. Die mit Nachsichtgeräten ausgestatteten Securities stören eigentlich kaum, wenn sie im Auditorium die Stufen  so langsam und leise wie möglich auf und ab wandern. Nach nur 82 Minuten ist das überdrehte Gemetzel vorbei und mit ihm vielleicht sogar der spaßigste Film des Festivals. Hier und da äugen die Schwarzgekleideten noch mal in die ein oder andere Tasche, aber das ist auch gut so. Niemand nimmt Anstoß daran. Die Reputation des Festivals geht einfach vor.

Dass mit dem Ausklang jedes Festivals bereits das nächste Fest eingeläutet, wird Rudi Fürstberger nach 23 Tagen Dauerstress weniger tragisch sehen. „Das ist wenigstens absehbar“, meint er, „da gibt’s die nächsten großen Geschichten, die laufen. Wir gehen dann auf die speziellen Filmmärkte, die sind im Oktober und November. Damit wird alles absehbar.“

Als nette Überbrückungshilfe kommen seit sieben Jahren im Frühjahr die FFF NIGHTS dazu. Der eingefleischte Fan der besonderen Filmkost wird an zwei Abenden in den bekannten Spielorten mit rund 10 vom Festival abgesetzten Filmen verwöhnt. Ein ebenso durchschlagender Erfolg, der ja förmlich nach Expandierung schreit. „Auf gar keinen Fall“, wehrt Fürstberger sofort ab, der Markt sei abgedeckt. „Wenn wir jetzt anfangen im Herbst, Winter und Frühjahr …nein. Die Leute müssen sich auch auf etwas freuen können. Es gibt ja auch eine Erwartungshaltung ans Festival, und wir schauen eben, dass wir die großen Titel auch für das Festival bekommen. Wenn wir jetzt so anfangen würden, dann wären wir ja nur noch ein Vermarkter von Filmen, und kein Festival mehr.“

„Der Reiz liegt schon auch darin, dass das Festival nur einmal im Jahr ist“, betont Fürstberger. Trotz der ungebrochenen Freude am und auf dem Festival selbst, scheint besagter Dauerkartenfan einfach überfordert zu sein. Lange harte Stunden im Dunkeln, und natürlich die Ungewissheit, den richtigen Film ausgesucht zu haben. Gestresst? Überfordert? „Ja“, stimmt der Programmdirektor ohne Mitleid zu, „das gehört eben dazu. Das sind einfach die wahren Filmfans, die sich auch eine Woche Urlaub dafür nehmen. Das ist ja kein normaler Zuschauer, sondern der absolute Fan.“

FANTASY FILMFEST noch bis zum 9. September in Stuttgart und München
 

THE FINAL DESTINATION
Darsteller: Bobby Cambo, Shantel Van Santen, Nick Zano, Haley Webb, Mykelti Williamson, Krista Allen, Andrew Fiscella, Justin Welborn u.a.
Regie: David R. Ellis – Drehbuch: Eric Bress – Kamera: Glen MacPherson – Bildschnitt: Mark Stevens – Musik: Brian Tyler – Produktionsdesign: Jaymes Hinkle ca. 82 Minuten, USA 2009
 
 

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