Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Zwei zermürbende Tage... - Am Set von Toxic Lullaby – Tag 2

Ich am SetZwei zermürbende Tage...
Am Set von Toxic Lullaby – Mein Tag 2

Mein Tag 2 am Set von Toxic Lullaby begann um 21:50 Uhr am Freitag. Ich hatte geduscht. Zuckerrübensirup löst sich zum Glück aus Bart und Achselhaaren, wenn er mit heißem Wasser versetzt wird. Kurze Zeit später begann er: Der Muskelkater. Wie lange hatte ich so eine schon nicht mehr. Das war wie zu meiner Zeit als aktiver Fußballer.

Da wurde in der Saisonvorbereitung Kondition gebolzt. Ohne Ende. – Nun heute reichen 15 mal 50 Stufen, um meine Muskeln zu übersäuern. Einziges Hilfsmittel: Gymnastik. Ich begann ohne Verzögerung mit ein paar Übungen, um mich Samstag auch noch bewegen zu können.

8:00 Uhr aufstehen, Kaffee, Frühstück, kaum noch Muskelkater übrig. Tief durchatmen und ab zur Straßenbahn. Die Muskeln sind relativ beweglich, aber es ist kälter als am Freitag. Und dann begann...


Der 2. Tag

(Samstag, 9:30 Uhr bis ca. 19:15 Uhr)
Der Schlachter Ich war tatsächlich der erste am Set. Kurz nach mir traf Horst Nowack ein, eine der vielen guten Seelen am Set. Auch John, Samantha Richter (die Hauptdarstellerin), Swantje und Andrea Glowig gehörten zu den ersten.

Zuerst brachen John und ich auf, um einige Knochen und Original Schweinedärme und Innereien wie Zunge, Leber (ganz wichtig), Nieren und all das Zeug was sich in einem Schwein befindet ans Set zu schaffen.

Mich stört so was nicht, denn ich bin ein Landei und habe bereits im zarten Alter von vier Jahren bei Hausschlachtungen das Blut gerührt, wenn der Schlachter – nach dem Bolzenschuss – die Gurgel der Sau aufschlitzte. Daher war der Anblick und der wirklich leichte Geruch (das waren frische Abfälle) völlig normal – für mich. Aber nicht für das Team, so dass nur vereinzelte Stücke im Film Verwendung finden. Schade drum. Die Därme und Innereien hätten der Schlachterszewne deutlich mehr Atmosphäre verliehen. Zehn Meter Darm geben einen hoch atmosphärischen Wandschmuck. – Inzwischen sind die Teile des Schweins legal entsorgt.

Nachdem diese Aktion beendet und beim Team für Entsetzen sorgte (Kommentar eines Freundes: Splatter-Filme drehen wollen, aber nicht mal ein paar Gedärme ertragen und dann noch Koteletts essen...) abgeschlossen war, begann für mich wieder das Warten, denn bevor ich dran war, mussten erst noch ein paar Szenen in den Kasten. Dann musste das Set mehrfach umgebaut werden. Aber als Ralf erschien war sein munterer Kommentar: „Gegen 16:00 Uhr bist Du abgedreht!“ – Regisseure sind manchmal sehr optimistisch.

Also saß ich erst einmal entspannt auf einer Bank im Catering-Zelt, trank wahlweise Kaffee oder Cola, mümmelte Kekse, rauchte, schwatzte las und - wartete. Natürlich! Was denn auch sonst. - Aber das hatten wir ja schon.

Samantha Richter drehte mittlerweile die Szene unmittelbar vor meinem ersten Satz. Dann musste das Set noch umgebaut werden. Plötzlich hieß es dann: Der Schlachter soll sich drehfertig machen. Also ab in die Jeans, hinein in die ausgetretenen Turnschuhe und dann das Shirt aus. Gott! War das kalt. Zum ersten (aber lange nicht zum letzten) Mal an diesem Tage verfluchte ich, den Entschluss und der Schürze mit freien Oberkörper zu agieren.

Und nun folgte der zweite Fluch. Ich zog die Schürze an. Die war nicht vorgewärmt und war schweinekalt und klebte sogleich wieder am Körper. Boaah – Das war schweinekalt!!!! Und ich fluchte und tobte, aber das gab sich anch kurzer Zeit und ich stiefelte ans Set.

Bettina war kurz für ein paar Fotos erschienen und verschwand dann wieder, weil es so kalt war... Aber ich hatte ja unbedingt mitspielen wollen. Da hatte ich dann den Salat. Und am Set kam man dann mit einer Schüssel (Film-)Blut auf mich zu, um die Zuckerübensirup-Lebensmittelfarbschicht zu erneuern, damit ich so aussah wie in den Szenen vom Abend davor (denn diese spielen quasi im Anschluss, der noch zu drehenden Szenen).

Exkurs: Das Wort Anschlussfehler ist ganz wichtig im Film. Denn man darf nicht den Irrglauben aufsitzen, dass ein Film nach der chronologischen Methode gedreht wird. Also: Die erste Szene zuerst, die Letzte zuletzt. Nee. So geht das nicht. Und weil das eben ein Tohuwabohu ist, muss immer jemand darauf achten, dass das Aussehen von Set und Personen dem entspricht was anliegt. Also pinselte Swantje munter drauflos. Kathleen überwachte den Vorgang. Und ich wurde wieder mit Blut überträufelt, das a) an mir haftet und auch b) meine Arme anpappt.

Der Butcher Meine Szene mit Samantha (die Eloise spielt) wird dann von Ralf gedreht. Darin erfährt die ‚Heldin’ des Films viel Unangenehmes, so dass sie sich übergeben muss. Ich hantiere auch mit Kunst-Innereien herum. Zunächst drehten wir die Szene ohne nackte Leiche auf der Schlachtbank. Auf diesen Auftritt bereitete sich Swantje noch vor. Und so wie ich im Stehen teilweise fror, beneidete ich sie nicht um diesen Auftritt.

Wir drehten aus verschiedenen Winkeln diese Sequenz. Dann gleich den Anschluss, im Nachbarraum, wo Eloise noch ein paar Dinge erfahren muss und sie schlussendlich niedergeschlagen wird.

Dann durfte ich wieder warten, weil a) noch eine andere Szene gedreht werden musste und die nackte Swantje in einigermaßen privater Atmosphäre für ihren Auftritt als Leiche geschminkt werden konnte. – Das ist natürlich zu respektieren. Immerhin sind die Zeiten, da man jede nackte Frau gesehen haben musste in seligen pubertären Zeiten zurückgeblieben.

Ich wurde in eine Wolldecke gehüllt, die sofort an mir pappte. Dann wartete ich und wartete ich, bis es dann hieß: Schlachter drehfertig ans Set.

Jetzt drehten wir die Szenen mit der Nackten. Swantje versuchte tapfer das Zittern zu unterdrücken und tapfer tot und unbeweglich zu sein. Nun drehten wir die schon mal gedrehte Sequenz mit Samantha erneut. Es war eben nur noch die geöffnete nackte Leiche dabei. Das klappte recht gut, nur dass ich mir noch einen Hänger leistete und damit Swantjes Leiden verlängerte...

Dann wieder Pause. Der Pastor und Samantha mussten ran. Ich schlotterte mich ins Cateringzelt und wartete tapfer vor mich. Ich klebte wie Sau... Und 16:00 Uhr war längst vorbei. Ich hatte noch die Szenen unmittelbar vor meinem letzten Kampf zu absolvieren.

Gerrit Reinecke Irgendwann wurden Gerrit und ich dann ans Set gerufen. Es war längst nach 18:00 Uhr. Wir erschienen und drehten munter drauf los. Und als wir die Szene im Kasten wähnten, fiel das fatale Wort: Anschlussfehler!!!!!

Shit: Alles noch mal. Ich war brav Gerrit gefolgt. Unglücklicherweise hatten wir am Abend davor entschieden, dass ich voran stürmte, damit Gerrit noch mal fliehen konnte (um dann später zu sterben)...

Also noch mal. Auf geht’s. Aber als die Szene im Kasten war, jubelte ich, suchte Feuchttücher und wurde netterweise von Andrea Glowig nach Hause gefahren. Hipp, Hipp, Hurra....

Doch: Trotz des Frierens, dem Zuckerrübensirup und all der Warterei. Diese zwei Tage möchte ich nicht missen. Danke Ralf.

Ich freue mich auf, den Film und das Making of...
 
Es wird noch ein paar Tage dauern, aber dann wird Ralf Kemper sein Produktionstagebuch im Zauberspiegel auf Vordermann bringen. Er hat viel zu erzählen. Eine Woche Tunnel, Schnneechaos, Außenaufnahnmen in einer Hotelruine. Da kommt bald viel spannender Stoff.

 

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.