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Der Heftroman ist tot, aber er stirbt nicht

Das Romanheft, das Universum ... und die Dinge dazwischen - Die Multimedia-KolumneDer Heftroman ist tot, aber er stirbt nicht

Och nööööö, nicht schon wieder, höre ich Sie bis hierher rufen. „Noch einer dieser ewigen Schwarzseher. Ich kanns nicht mehr hören, der Heftroman ist noch nicht tot“

Richtig! Noch nicht, aber lassen Sie mich erklären: Es ist wie bei jeder anderen Frage dieser Art nicht das OB, sondern das WANN, mit Ausnahme der dritten ultimativen Frage vielleicht.

Stirbt der Heftroman nächstes Jahr, oder erst in zwanzig Jahren? Keine Ahnung. Allerdings habe ich mittlerweile herausgefunden, warum der Heftroman über kurz oder lang verschwinden wird. Es existiert ein weitreichendes Netzwerk, das mit allen Mitteln verhindern will, dass sich der Heftroman weiterhin am Markt behaupten kann. Einzelne Autoren, Verlags- und Vertriebsmitarbeiter sowie mancher Händler gehören bereits dazu.

Man schaue in diverse Foren und auf diverse Leserseiten: Abonnierte Hefte werden verspätet zugeschickt, immer wieder wird den gleichen Autoren schlechte Arbeit bescheinigt, Verlage stellen Nachauflagen, oder gleich ganze Serien ein, alter Käse wird in neuer Verpackung nochmals angeboten, einzelne Hefte sind nicht lieferbar. Das Projekt „Tilgung der minderwertigen Publikationsform Heftroman aus dem hochwertigen deutschen Literaturmarkt zur Förderung klassischer Kulturgüter“ (Codename: Eraser) ist bereits vor vielen Jahren angelaufen und hat unsere Gesellschaft mittlerweile recht tiefgründig und erfolgreich infiltriert.

Dieses Land braucht wieder einen Literatur-Nobelpreisträger im Speziellen und wieder hochwertige Literatur im Stil von Goethe und Schiller, die in späteren Jahren zu Klassikern avancieren im Allgemeinen. Da kann es nicht angehen, dass dieser kitschig bunte Schund den guten Ruf deutscher Gegenwartsliteratur beschädigt, bzw. die Förderung eines solchen Rufs behindert. Wäre Faust möglich gewesen, wenn Goethe Heftromane gelesen hätte?

Stellen Sie sich vor, Sie wären der Chef einer Firma, die gerade einen millionenschweren Auftrag an Land ziehen könnte, der potentielle Auftraggeber wird durchs Werk geführt. Da sorgen Sie doch auch dafür, dass alles sauber und aufgeräumt ist und alle Mitarbeiter was Sinnvolles zu tun haben. Und keiner Ihrer Angestellten sturzbetrunken aus einer Ecke torkelt und dem zukünftigen Goldesel auf den Anzug kübelt.

Die Vorstellung, dass die Nobelpreiskommission beim Anblick eines Heftromancovers  ohnmächtig zusammenbricht, hat da eher abschreckenden Charakter.

Nein, ich fordere hier an dieser Stelle keinen Nobelpreis für Jason Dark. Erstens würde das doch zu weit führen und zweitens ist es doch so, dass die Werke von Nobelpreisträgern und Schwergewichts-Literaten irgendwie „Schwäre Gost“ sein müssen, die außer dem Autor keiner versteht. Seine Schulterklopfer und die Feuilleton-Redakteure versuchen zwar überzeugend darzustellen, sie wüssten genau, um was es geht, die Realität ist allerdings eine Andere.

Projekt Eraser reicht viel weiter in den Untergrund, als ich bisher dachte. Kennen Sie den Vorspann der Serie „Outer Limits“, die aus den 90er Jahren? Da wo dieses Haus zu sehen ist, von dem sich dann die Wurzeln immer tiefer in den Untergrund ziehen? So muss man sich das vorstellen.  Der Heftroman ist keine deutsche Erfindung. Ob es in anderen Ländern auch solche Projekte gibt? Oder operiert Eraser sogar weltweit und der sperrige deutsche Name ist nur eine Art Zweigstelle, speziell für den deutschen Markt?

Vor kurzem geriet ich in Unkenntnis der eigentlichen Sachlage ins Visier dieser Projektgruppe. Sowohl auf geisterspiegel.de, als auch auf zauberspiegel.org erschienen in kurzem zeitlichem Abstand Artikel zum Thema Zukunft des Heftromans. Das weckte die Aufmerksamkeit der Projektgruppe, schließlich ist die Online-Durchsuchung längst Realität. Denn wer heute Schundromane liest, könnte darin die Anregung finden sich irgendwann selbst in die Luft zu sprengen.

Man war ihnen also auf die Schliche gekommen und sie versuchten gegenzusteuern. Am darauf folgenden Dienstag drohte der Drehständer in meinem Bahnhofskiosk unter der schieren Last der Heftromane zusammenzubrechen. Eindeutig ein initiiertes Ablenkungsmanöver. Da gab es nicht nur die sonst üblichen Frauen-, Arzt-, und Heimatromane, sowie gefühlte zwanzig verschiedene Landser-Auflagen. Nein, auch der in letzter Zeit aus besagtem Drehständer verschwundene Jerry Cotton war wieder da, nebst sämtlichen(!) aktuellen Ausgaben des Bastei Mystery-Programmes, in jeweils mehrfacher Ausführung. Sogar Zamorra war wieder da, den ich an anderen Dienstagen mühsam zwischen Ärzten, denen die Frauen vertrauen (warum auch immer) rauswühlen musste. Meistens wurde aber gar kein Zamorra an diesen Kiosk geliefert, oder in unserer Stadt gibt es noch einen Zamorra-Leser, der mir regelmäßig zuvorkommt und den einzig gelieferten Roman vor mir kauft. Wie auch immer.

Freudig teilte ich diesen Umstand voreilig in einem Forum mit, um am darauf folgenden Dienstag festzustellen, dass Projekt Eraser wiederum zugeschlagen hatte und den Urzustand wieder hergestellt hat. Keine Bastei-Serien, nicht mal mehr ein Perry Rhodan. Man wiegte mich in falscher Sicherheit und als ich ihnen auf den Leim gegangen war, sogar unfreiwillig zu ihrem Erfüllungsgehilfen wurde, als ich durch meinen Forumseintrag verkündete, bei uns wären genug Romane vorhanden, schalteten sie wieder einen Gang runter und begannen nun damit mich ganz gezielt vom Kauf von Heftromanen abzuhalten.

Gegenüber unserem Bahnhof befindet sich eine Wohnstraße mit vielen kostenfreien Parkplätzen. Genauer müsste ich eigentlich sagen, befand. Die Straße ist zwar immer noch da, allerdings sind die Parkplätze nicht mehr kostenfrei. Umso seltsamer, da diese Parkplätze nie von Bahnfahrern blockiert waren, es fanden sich immer und zu jeder Zeit genügend freie Parkplätze. Und jetzt soll ich – bevor ich einen Heftroman für 1,50 kaufe- noch zusätzliche 1,50 an Projekt Eraser bezahlen, den die haben ganz sicher die Parkautomaten aufgestellt. Um von  Anwohnern gegründeten Bürgerinitiativen aus dem Weg zu gehen, erhielten diese Parkausweise. Zusätzlich patrouillierten staatlich finanzierte Wegelagerer in Extraschichten in diesem Bereich, so dass man sich vor die Wahl gestellt sah, entweder 1,50 zusätzlich zum Heftroman an Projekt Eraser zu entrichten (was eine Preissteigerung von 100% bedeutet!), oder 30 (in Worten: dreißig!) Euro für den netten rosa Zettel an die Stadtverwaltung zu bezahlen.

Wenn Sie jetzt denken, im Stile von No-risk-no-fun einfach schnell aus dem Auto zu hüpfen und sich binnen weniger Sekunden den Roman aus dem Regal zu greifen, zu bezahlen und unter Nichtbeachtung der roten Fußgängerampel zurück zum Auto zu sprinten:  Falsch gedacht!

Projekt Eraser hat hier gleich zwei Sicherungen eingebaut. Zum einen positionierten sie einen Rentner an der Kasse, der just in dem Moment, in dem Sie zahlen wollen vor Sie tritt und auch bezahlen will. Er hat das Geld natürlich passend, behauptet er zumindest. Muss ich noch mehr sagen? Sie können sich selbst ausrechnen, wie lange es dauert, bis er erstens seinen Geldbeutel gefunden hat, zweitens den Geldbetrag tatsächlich passend zusammengeklaubt hat- unter ständiger Verwechslung der verschiedenen Geldstücke mit Hosenknöpfen und dergleichen- und drittens verwickelt er regelmäßig die Verkäuferin zum Abschluss in belanglose Gespräche, während ich durch die Scheibe des Bahnhofskiosk die anrückenden Regierungstruppen beobachten kann.

Nachdem ich den Kiosk endlich verlassen habe, aber nicht ohne den Eraser-assimilierten Rentner rüde zur Seite zu rempeln, stehe ich vor schon erwähnter roter Fußgängerampel. Dort gibt es zwar einen Druckknopf, um grün anzufordern, aber hier hat sich Projekt Eraser einen besonders perfiden Plan einfallen lassen. Unsere Stadtbusse haben eine sogenannte Grünanforderung. Das heißt, dass wenn sich ein solcher Bus einer Ampel nähert, diese auf grün schaltet. Die Fußgänger an besagter Ampel haben also rot, und zwar so lange, bis der Bus an der Ampel vorbei ist. Ich habe beobachtet, dass Projekt Eraser einen Bus ständig vor dem Bahnhof hin und her fahren lässt, äußerlich nicht von den „offiziellen“ Stadtbussen zu unterscheiden, aber offenbar mit Grünanforderung ausgestattet. Da stehen Sie also an der roten Ampel, während der Bus vor Ihnen hin und her fährt und Sie dabei beobachten können, wie das rosa Zettelchen ordentlich unter Ihrem Scheibenwischer befestigt wird. Kaum ist der Zettel angebracht, drehen die Politessen ab und das ist dann das Signal für den Bus, so zu tun als müsste er doch noch woanders hin fahren.

Nachdem es mir dennoch aller Widrigkeiten zum Trotz jetzt schon mehrfach gelungen ist an meine Romane zu kommen, ohne zusätzliche Kosten an wen auch immer zu entrichten, indem ich nämlich den Rentner diesmal vor dem Bezahlen rüde zur Seite gerempelt habe und unter Lebensgefahr bei roter Ampel die Straße mittels Grenadierrolle überquerte, brachte ich Projekt Eraser so richtig gegen mich auf. Vielleicht hätte ich doch nicht freundlich mit Heftromanen winkend an den nahenden Kassiererinnen vorbei fahren sollen.

Das öffentliche Niederknüppeln meiner Person direkt auf dem Bahnhofsvorplatz kam nicht in Frage. Das wäre zu offensichtlich gewesen, die Bevölkerung war noch nicht soweit. Also versuchten sie es durch die Hintertür, indem sie auf der gegenüberliegenden Seite der Bahngleise kostenlose Parkplätze anboten. Den Kiosk konnte man direkt vom Parkplatz mittels einer Brücke über die Schienen erreichen, ein eigentlich zumutbarer Weg, aber das war nicht das Problem. Der Parkplatz selbst war das Problem. Es ist einer dieser Parkplätze, auf dem sie wahlweise Ihr Autoradio verlieren, oder – wenn Sie im richtigen Moment dazukommen- Ihre Zähne gleich mit dazu. Projekt Eraser sorgte nämlich auch hier dafür, dass sich ständig marodierende Horden verschiedenster Nationen um und auf dem Parkplatz aufhielten, um nach neuer Hehlerware Ausschau zu halten. Ich habe sowohl meine Zähne, als auch mein Autoradio noch. Da diese Falle zum Himmel stank bin ich auch nicht reingetappt, sondern verfiel auf eine neue List.

Meine Frau ist eine Schulfreundin von einer der Damen mit den Knöllchen. Jetzt lud ich also regelmäßig dienstags meine Frau ins Auto, parkte frech auf dem ersten freien Parkplatz und ging demonstrativ langsam in Richtung Fußgängerampel, während meine Frau im Auto wartete. Ich hatte ja jetzt Zeit, der Bus konnte fahren, bis ihm das Benzin ausging und auch der Rentner konnte von mir aus seine 500-Euro-Rechnung mit 1-Cent-Stücken bezahlen.

Wenn ich gut gelaunt zum Auto zurückkehrte fand ich regelmäßig meine Frau vor, die sich angeregt mit ihrer Schulfreundin unterhielt. Zum Einen schien die Kassiererin noch nicht von Eraser assimiliert, oder sie konnte sich nicht vollständig mit deren Zielen identifizieren und zum Anderen schützten mich unsere von Eraser noch nicht vollends ausgehebelten Bundesgesetze in Form der Straßenverkehrsordnung. Dort ist geregelt, dass man für einen Parkplatz nichts bezahlen muss, wenn man sein Auto nicht verlässt. Vermutlich wird das aber demnächst geändert.

Ende gut, alles gut? Natürlich nicht. Seit letzter Woche ist die Straße komplett gesperrt, mit rot weißen Absperrbaken unpassierbar gemacht. In der Zeitung wurde behauptet, Kanalsanierungsmaßnahmen würden diese Sperrung erforderlich machen. Ich lach mich tot. Nicht nur Innenministerium, Stadtverwaltung und Verkehrsbetriebe waren unterwandert, auch in der sogenannten freien Presse hatte Projekt Eraser bereits Einzug gehalten.

„Dann fahr doch mit dem Fahrrad, Du fauler Sack“ möchten Sie mir zurufen. Würde ich ja gerne tun, ist gut für die Gesundheit, aber nicht gut für mein Fahrrad. Sofern ich nicht möchte, dass dieses nächste Woche auf irgendeinem Basar in fernen Landen angeboten wird, oder in Einzelteilen bei Ebay versteigert wird, lass ich das lieber bleiben. Die oben erwähnten Horden haben sich neue Geschäftsfelder erschlossen und ihr Tätigkeitsfeld über Autoelektronik hinaus erweitert. Sie transportieren jetzt zusätzlich und unentgeltlich Fahrräder, ohne das Wissen des Besitzers natürlich und unter Zuhilfenahme schwerer Gerätschaften in Form von Bolzenschneidern, um das Fahrrad überhaupt transportierbar zu machen. Also keine gute Idee.

Am Ende dieses Textes bin ich auch am Ende meiner Weisheit angelangt. Gut möglich, dass dies meine letzte Kolumne war. Ich habe erfahren, dass demnächst  in unserer Stadt ein neues Möbelhaus gebaut werden soll; mit Betonfundament. Wie weit die wohl gehen? Bis zur letzten Konsequenz? Werden Personen, die das System durchschaut haben tatsächlich im Sinne des Projektnamens „ausradiert“? Bisher hatte ich gehofft, der Projektname Eraser bezöge sich lediglich auf die Entfernung der Heftromane, aber doch nicht auf die Leser gleich mit dazu.

Der Grund warum ich das hier aufgeschrieben habe ist auch eine Maßnahme zum Selbstschutz. Die wissen, dass ich alles weiß. Und jetzt habe ich mein Wissen mit Ihnen liebe Leser geteilt. Wenn die jetzt was gegen mich unternehmen wollen, fällt das auf. Deshalb fordere ich Sie liebe Leser auf: lassen Sie dieses Wissen nicht ungenutzt. Projekt Eraser ist bereits tiefer in unserer Gesellschaft verwurzelt, als wir glauben. Jeder könnte dazu gehören. Kämpfen Sie dagegen an, geben Sie ihr Wissen weiter und achten Sie auf Ihre Umgebung. Projekt Eraser steht auch schon neben Ihnen. Achten Sie auf den Bus, auf den Rentner, auf welche Tricks auch immer, die die sich gerade in Ihrer Stadt ausgedacht haben. Wenn Sie mit offenen Augen durch die Welt gehen, werden Sie sie erkennen. Und dann können Sie ihnen ähnliche Nadelstiche beibringen wie ich, oder wie die Terraner der Kolonne TRAITOR. Schweigen Sie nicht, wenn Sie Eraser erkennen. Teilen Sie Ihre Erkenntnisse mit Anderen. Zeigen Sie denen, dass sie erkannt sind.

Wir brauchen keinen Literaturnobelpreis. Wir wollen Heftromane. Wir wollen Ghouls, Zombies, Raumschiffe, Gigantomanie und Bergdoktoren (na gut, die nicht gerade). Lasst Euch das von den ungezählten unerkannten Heftromanlesern gesagt sein, liebe Eraser-Crew. Lange genug habt ihr uns dazu gezwungen, im Schatten der großen Literatur zu leben, uns teilweise dafür zu schämen Heftromane zu lesen, indem ihr die Gesellschaft gegen uns sensibilisiert habt. Aber jetzt seid ihr durchschaut, jetzt ist Schluss damit. Wir haben den Kampf aufgenommen. Und wenn ich Eure neuesten Machenschaften durchschaut habe, dann werde ich wieder darüber berichten. Hier an dieser Stelle.. Es sei denn...

...der Chefredakteur gehört auch schon dazu.

Jochen „Captain Elch“ Stude

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