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Professor Zamorra 1153 - Die Untoten von Port-au-Prince

Professor Zamorra - Der Orden der Tausend

(Amulette-Zyklus, von Adrian Doyle)

Band 1153 Die Untoten von Port-au-Prince

in diesem Auftakt zum Amulette-Zyklus zeigt Adrian Doyle seine Meisterschaft im Grusel. er nimmt uns mit ins exotisch-urtümliche Haiti, führt uns in eine dubiose Absteige und auf einen unheimlichen Friedhof. es geht um Voodoo, Magie und natürlich das Böse selbst. dazu die Auswüchse menschlicher Gefühle. ein nachgerades klassisches Setting also! doch obendrauf, quasi als Sahnehäubchen, eine unerhörte Entwicklung für die Serie ... 

die verzweifelten Eltern Gabin und Liv Massedrier können den nahenden Tod ihres Sohnes Luc nicht abwenden, ihre einzige Hoffnung ist ein Voodoo-Kult, der ihnen das geliebte Kind nach dem Tod wieder ins Leben zurückholen soll. das kostet mehr Geld, als die Eheleute aufbringen können. ihnen hilft der US-Amerikaner Atwood Church, dessen Familie vor Generationen schon durch Baumwolle reich geworden war, und dessen Arbeit sich heute auf wenige Grundsatzentscheidungen im Konzernmanagement beschränkt. so kann er uneingeschränkt sein Steckenpferd reiten, das Jagen von Mythen, und das Schreiben von Büchern zu diesem Thema. seine Tochter Ann assistiert ihm dabei.

aktuell recherchiert er in Haiti Voodoo-Rituale und generell andere Methoden, wie Menschen den Tod überlisten. das Unglück der Massedriers bietet ihm die Chance, genau diesen Fragen nachzugehen, deshalb übernimmt er die Kosten. der Voodoo-Kult, der sich selbst nur Société nennt, soll davon nichts erfahren. nach dem tatsächlichen Ableben des Jungen wohnen Atwood und Ann der Wiederauferstehungs-Zeremonie in einer großen Gruft bei, allerdings versteckt in einem Seitenraum. dabei fällt Ann zunächst in eine Ohnmacht, ihr Vater flieht mit ihr vorzeitig zurück ins Hotel, zur Tarnung hatten sie ein besonders schäbiges gewählt, in dem niemand die reiche Familie vermuten würde. in der Nacht kommt es zu einem unheimlichen Besuch - Luc ist aufgetaucht, und versucht Ann zu entführen. es ist dabei nicht klar, ob Luc noch tot oder schon wiederbelebt ist. Atwood verliert beim Kampf gegen Luc das Bewusstsein, als er wieder zu sich kommt, ist Ann tatsächlich weg.

mein Kindle sagt mir, dass wir bereits 27% tief im Roman liegen, als der Autor endlich ins Schloss Montagne blendet, wo Nicole und der Professor Trübsal blasen. der letzte Fall hängt ihnen noch im Gemüt. in diese morose Stimmung platzt der Anruf von Church senior, er kennt Zamorra von einem Vortrag, und bittet ihn nun um Intervention. Zamorra sagt zu - mittels der Regenbogenblumen geht es zuerst nach Florida und von dort nach Haiti. Atwood hält es im Hotel nicht aus und fährt zu den Massedriers, die befinden sich bereits in der Gewalt der Société, auch er wird eingesackt. als unser Heldenpärchen in der Absteige ankommt, finden sie zwar von Mr. Church keine Spur, stoßen aber auf zwei offenbar magisch beeinflusste Handlanger der Société. Zamorra setzt sie zunächst mit seinem Amulett außer Gefecht, doch sie werden von einer stärkeren, unheimlichen Macht weiter angetrieben. Nicole und Zamorra lassen die beiden ziehen und folgen ihnen mittels Taxi auf einen riesigen Privatfriedhof, bis hin zu einer Gruft.

in eben dieser erlebt die wieder zu sich gekommene Ann Church, wie sich Luc Massedrier aus seinem Steinsarg erhebt. den Befehl gibt dazu eine Art Zombie, die eher aussieht wie eine ausgetrocknete Mumie. kontrastierend dazu die bunten Gewänder, die dieses Wesen trägt, das sich selbst als Der Erste bezeichnet. unsere Franzosen kommen ebenfalls an der Gruft an, müssen versteckt miterleben, wie Atwood grausam gefoltert wird. ein weiterer Scherge des Voodoo-Kults, der Baron Samedi, formt nach seinem Willen Voodoo-Puppen, und malträtiert sie und damit das Opfer mit Nadeln.

die Gruft ist von einem magischen Leuchten erfüllt, und Zamorras Amulett reagiert auf das Leuchten - es reißt sich los und zischt ab durch die Mitte. verblüfft verbergen sich nun die beiden, geben aber nicht auf, und rufen den örtlichen Polizeinotruf. Samedi und der Erste verlassen die Gruft, statt der Polizei treffen nur noch mehr Mitglieder der Société ein. Zamorra und Nicole flüchten nun in die Gruft, Nicole verschließt sie mithilfe ihres Dhyarra Kristalls. da tritt Baron Samedi wieder auf den Plan, seine Voodoo-Puppen formen jetzt Zamorra und Nicole, und er setzt die beiden außer Gefecht. als sie wieder zu Sinnen kommen, sehen sie den schwer verletzten Atwood Church in den Armen seiner Tochter sterben, während Samedi in einer grausamen Aktion den ebenfalls verschleppten und bereits völlig apathischen Eltern Lucs im wahrsten Sinne des Wortes den Todesstoß gibt.

der Erste versucht sich am Kristall Nicoles, und er scheint ihn anfangs beherrschen zu können, der mumifizierte Zombie blüht förmlich wieder auf. der Effekt hält nicht lange, niemand manipuliert unbefugt und ungestraft einen Dhyarra-Kristall. der Erste krepiert ganz elendiglich, und reißt dabei den Baron Samedi und den wieder auferstandenen Luc mit in den endgültigen Tod. gleichzeitig nehmen auch die vor der Gruft stationierten Mitglieder des Kults Reißaus.

Zamorra will dem Leuchten auf den Grund gehen, und wieso es möglich ist, dass in dieser Gruft Tote wiederbelebt werden konnten, und sich dabei im Laufe der Zeit ein Voodoo-Kult darum entwickeln konnte. er stößt dabei auf eine magisch geschützte Truhe, die er mit Nicoles Kristall öffnen kann - und hunderte Amulette, wie auch Zamorra eines trägt, sausen aus dem vormaligen Gefängnis und fliegen in die Nacht hinaus... damit erlischt auch das Leuchten in der Gruft, und der Stern Merlins, den unser Held normalerweise trägt, kehrt wieder zurück zu seinem Träger.

am Ende nehmen Zamorra und Nicole Ann mit zu sich auf château Montagne.

Fazit

wie schon eingangs erwähnt, ein starker Einstieg in den Zyklus. was wie eine atmosphärische Voodoo-Geschichte erscheint, bekommt plötzlich eine weitreichende Dimension - hunderte, ja tausend silberne Scheiben, die Zamorras Amulett gleichen, wurden plötzlich freigesetzt. was hat das zu bedeuten? sind das Kopien? ist Zamorras Amulett tatsächlich nichts besonderes, nur eines von ganz vielen? das wäre fatal, denn wir wissen von Merlins Stern, dass er von seinem Träger gesteuert wird - und der kann Gutes aber auch Böses damit wirken. also tausend neue Gegner? wow. Weinland macht da ein riesen Fass, ähm Füllhorn auf.

die Geschichte fängt eher wie ein Thriller an, geht es um Lösegeld, oder gar Auftragsmord, wir sind ja im kaputten Haiti. bis ich merke, dass es sich um Voodoo dreht, zapple ich schon im Netz. originell die Figur des Mythenjägers Atwood Church (sic!), die für sich genommen schon durchaus schlüssig ist. geschickt nutzt sie der Autor aber auch als Bindeglied zu Zamorra, der muss ja immerhin auch in die Geschichte rein.

es geht also sehr düster los, die Stimmung auf Schloss Montagne ist auch deprimiert. das ändert sich auch durch den als spaßigen Nebenprota angelegten Taxifahrer Jaime, der ein wenig Leichtigkeit reinbringt, ohne allzu lächerlich zu wirken, übrigens. wie er Bammel vor dem Privatfriedhof der Société hat, kommt durchaus authentisch rüber. auch die Szene im Hotel, als der untote Luc versucht, Ann zu entführen, ist klassisch gruselig, und hält die Spannung in der Handlung weiter aufrecht.

nochmal übrigens, dieses "inzwischen waren sie beim Du angekommen" lässt mich immer wieder schmunzeln, gerade wenn die Handlung zb in anglophonen Ländern spielt. obschon, hier auf Haiti wird Zamorra wahrscheinlich französisch reden, das ja auch tu & vous unterscheidet; so gesehen lass ich das hier mal durchgehen.

überhaupt, dieser Friedhof. eigentlich ein abgedroschenes Setting, doch der Autor schafft es auch hier, nicht klischeehaft zu werden. er versucht nicht, mir mit übertrieben klingenden Eigenschaftswörter eine bestimmte Atmosphäre aufzudrücken, er lässt die Nacht, die Lichtverhältnisse, die Gruft sozusagen "selbst sprechen". gelingt ganz wunderbar. meckern könnte ich lediglich darüber, dass der Autor uns weiß machen will, dass man sich in einer Gruft in einem Nebenraum so verbergen könnte, dass man im Hauptraum nix davon merkt.

also, Gruselstimmung pur, von Anfang weg. dann wird's aber auch wirklich brutal. da werden den Voodoo-Puppen Nadeln durch den Kopf getrieben, dass dem Opfer Atwood förmlich die Augen rausspringen, und den Massedriers der Schädel platzt und das Gehirn spritzt. ja, der Autor kann auch gore! aber es wirkt nicht billig, sondern als logische Strafaktion von Baron Samedi.

das hier das Amulett ein Eigenleben zeigt, und seinen aktuellen Träger damit in große Verlegenheit bringt, ist in der Serie nicht neu. auch dass der Dhyarra-Kristall, je nach Ordnung, nicht von Kreti und Pleti bedient werden kann, akzeptiere ich. dass er aber so allmächtig ist, dass er auf Gedankenbefehl hin Materie umformen kann, halte ich für einen Fehler. da muss dann immer auf Druck Nicole außer Gefecht gesetzt werden, damit sie ihn nicht einsetzen kann. ich vergleiche das mit dem Kreuz von John Sinclair, Formel reicht, die Dämonen verbrutzeln. auch da werden dann die unmöglichsten Windungen gedreht, damit er diese Formel eben nicht rufen kann.

eine flüssige Geschichte, die Spannung reißt nicht wirklich ab, der Gruselfaktor ist ebenfalls konstant hoch. bei der Bewertung nach Gruselroman-Forum Punkten schwanke ich zwischen "gut" und "sehr gut" also 4,5 von 6 möglichen Punkten.

das offensichtliche KI-Titelbild ist zwar durchaus atmosphärisch, und dürfte auch dem prompt "male mir eine Voodoo-Szene, wo ein Kind wieder zum Leben erweckt wird" ganz gut entsprechen. es hat halt nur leider in der Form überhaupt nichts mit der Geschichte zu tun. und das ärgert mich offen gestanden, wenn die für das Cover Verantwortlichen so unordentlich arbeiten. gerade bei Zamorra kommen mir die Cover häufig sehr unpassend vor, teilweise qualitativ sogar fragwürdig. aber gut, das wird meiner Begeisterung für die Geschichte nicht schmälern. der Autor, der hier sehr sauber gearbeitet hat, hätte sich halt auch dasselbe von den Verlagsleuten verdient.

Professor Zamorra
1153 Die Untoten von Port-au-Prince

Autor: Adrian Doyle (Manfred Weinland)
Titelbild: keine Ahnung
Verlag: Bastei
Erscheinungsdatum: 07.08.2018

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