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Eine »unheimliche« Mischung - Dämonenkiller – Die Taschenbücher: Das Phantom aus dem Spiegel

Eine »unheimliche« Mischung: Dämonenkiller – Die TaschenbücherDas Phantom aus dem Spiegel

Der kommerzielle Erfolg der Marke "Dämonenkiller" muss in der Tat beträchtlich gewesen. Nicht nur wurde die Serie bereits nach 17 Heften aus dem Vampir-Horror-Roman ausgekoppelt, um sich fortan allein auf dem Markt zu behaupten.

Innerhalb kürzester Zeit wurde die Serie auch auf wöchentliche Erscheinungsweise umgestellt. Zeitgleich brachte man im März 1975 eine Taschenbuchreihe auf den Markt.


Eine »unheimliche« Mischung: Dämonenkiller – Das Phantom aus dem SpiegelDas Phantom aus dem Spiegel
von Ernst Vlcek
Dämonenkiller Taschenbuch Nr. 13
Erstveröffentlichung
Februar 1976

Der Roman:
Deutschland. 1975. Ich-Erzähler Paul Fux kauft bei der ihm bekannten Antiquitätenhändlerin Ingeborg einen mannshohen Standspiegel aus dem Barock. Aber er schließt das Geschäft mit ihrem Helfer Rudolf ab, der es seltsam eilig hat, das Teil loszuwerden. Innenarchitekt Paul sucht ein Geschenk zum Hochzeitstag. Frau und Kinder sind gerade auswärts, während er die neu bezogene Wohnung fertig renoviert.

Der Spiegel zieht Paul in seinen Bann. Blut tropft heraus, es sind Stimmen zu hören, die Spanisch sprechen. Paul verliert das Bewusstsein, die Nachbarn beschweren sich über den nächtlichen Lärm. Da meldet sich Ingeborg. Angeblich hat Paul eine Fälschung gekauft. Sie will den Spiegel austauschen. Es gehe um Leben und Tod. Paul hält das für Unsinn. Nach einem Zeitungsartikel reimt er sich alles zusammen. In der Villa des reichen Manrique wurde eingebrochen. Der Spiegel ist Diebesgut.

Zufällig läuft Paul seine Kundin Ellen über den Weg, mit der er eine kurze Affäre hatte. Ellen lädt sich selbst ein, gerät in den Bann des Spiegels und verführt Paul. Der Innenarchitekt ist fasziniert von ihrer Reaktion auf den Spiegel und will das am nächten Abend wiederholen, will die Stimmen auf Tonband aufnehmen. Am nächsten Morgen ist Ellen offensichtlich gegangen, ohne dass Paul es mitbekam, und die Polizei steht vor der Tür. Er erhält eine Anzeige wegen Ruhestörung.

Mit dem Tonband besucht Paul seinen alten Freund Christian, einen Übersetzer. Christian ist fasziniert von dem altertümlichen Spanisch, von dem Mann und den beiden Frauen, die da sprechen. Zu Hause erhält Paul einen Anruf vom Fliesenleger, der endlich den Rest der Arbeiten im Bad erledigen will. Paul versteht das nicht, ist das Bad doch schon längst fertig. Er ignoriert das, da ihn Ingeborg mit dem ehemaligen Besitzer des Spiegels Manrique zusammenbringen will. Der Mann will den Spiegel gar nicht zurück, er will nur mit Paul reden.

Natürlich tappt Paul in eine Falle. Manrique bringt Paul in seinen privaten Folterkeller und überwältigt ihn. Er behauptet, der Spiegel habe ihn unsterblich gemacht. Er sei der Bruder eines spanischen Inquisitors. Sie machten Jagd auf den Adligen Don Philipp, der mit Menschenopfern einen Zugang zum Spiegel erhielt und so seinen Häschern entkam, indem er hineinstieg. Nun sitz der Dämon im Spiegel. Manrique studierte den Spiegel und verlängerte damit sein Leben. Bis der gestohlen wurde. Jetzt ist er überzeugt, dass Don Philipp in den armen Paul gefahren ist. Also foltert er Paul, um den Dämon hervorzulocken.

Bald ist Paul nur noch ein Wrack. Am Ende führt Manrique die Folter in Pauls Wohnung vor dem Spiegel fort und ist davon überzeugt, Don Philipp wieder in den Spiegel gejagt zu haben. Er befreit Paul und entschuldigt sich. Paul fühlt sich trotz der Qualen eigentlich ganz gut. Dann tritt der Dämon aus dem Spiegel und bringt Manrique um. Paul erleidet einen Filmriss.

Er kommt vor Ingeborgs Antiquitätengeschäft wieder zu sich. Er bricht ein und wird Zeuge, wie sein schwer misshandeltes Spiegelbild die Antiquitätenhändlerin heimsucht. Ingeborg hatte in der Zwischenzweit den Spiegel ausgetauscht. Die ganze Zeit stand die Fälschung in Pauls Wohnung, darum ist Manrique gescheitert. Jetzt klagt der gefolterte Paul, das Spiegelbild, sie an. Währenddessen schleicht sich der vom Dämon besessene Paul an die die Antiquitätenhändlerin und ihre Helfer an und bringt alle um. Dann schafft er den Originalspiegel zurück in die Wohnung. Don Philipp hat nun seinen Körper übernommen und ist nicht zufrieden über das Chaos, das Paul verursacht hat.

Übersetzer Christian kommt vorbei und führt begeistert das übersetzte Gespräch von Don Philipp und seinen Opfern vor. Um ihn loszuwerden, drückt ihm Paul eine zweite Aufnahme in die Hand, die er bei Ellens zweitem Besuch machte. Da taucht plötzlich seine Ehefrau Regine auf. Sie erkennt ihn nicht wieder. Paul/Don Philipp gibt sich zuerst als Freund ihres Mannes aus, dann greift er sie an. Auf der Flucht durch die Wohnung entdeckt Regine zuerst die ermordete Ellen, die hinter den Fliesen liegt, dann den toten Manrique. Bevor Don Philipp sie töten kann, ist Christian mit der Polizei und Irrenärzten da. Auf dem zweiten Tonband war der Mord an Ellen zu hören. Paul landet im Sanatorium. Don Philipp ist verschwunden.

Als es Paul besser geht, erhält er in der Anstalt Besuch von Christian. Der Übersetzer gibt sich als neuer Körper von Don Philipp zu erkennen. Aber Paul hat ihn erwartet. Er ersticht den Mann mit einem gebastelten Messer. Während man ihn wieder in die Zwangsjacke packt, überfällt Paul Unsicherheit. Was, denn der Dämon nun in einen anderen eingefahren ist? Aber jetzt kennt Paul seine Lebensaufgabe. Er muss den Kreis der Verdächtigen dezimieren.

Bewertung:
Als Ernst Vlcek diesen Roman schrieb, lag die Indizierung der Heftserie noch in der Zukunft. Natürlich weiß man nicht, wann genau er die Arbeit an "Das Phantom im Spiegel" beendete. Mutmaßlich irgendwann 1975, als die Heftserie genau wie der Autor noch in vollem kreativem Saft standen. Seine Produktivität in diesen Jahren ist erstaunlich; er hatte einen echten Lauf. Hier finden sich diverse Themen, die man auch aus den Heften kennt. Aber im Gegensatz zur Serie gibt es auch eine Portion Ambivalenz, was das übernatürliche Element angeht und dem Roman deutlich nutzt.

"Das Phantom im Spiegel" ist anders angelegt als noch Vlceks Roman "Blutige Tränen". Sowohl stilistisch wie auch konzeptionell. Stützte sich die Nr.1 noch auf Lokalkolorit und Schwarze Magie, ist der Schauplatz hier recht diffus. Paul Fux und seine Clique könnten genausogut in Österreich wie in Deutschland leben. Dafür ist man ein Kind seiner Zeit. Man feiert gern, nimmt auch mal Drogen, und im Zeitalter der sexuellen Befreiung nimmt man es mit der Treue nicht so genau. Da muss einerseits ein sündhaft teures Hochzeitstagsgeschenk her – der Spiegel -, der dann ironischerweise gleich als Instrument der Verführung dient. Ansonsten steht hier der aufstrebende, gehobene Mittelstand im Zentrum der Handlung. Das Bad der Traumwohnung muss mit grünem Marmor gefliest sein, und es gibt einen Fitnessraum und eine Sauna. Und für den Spiegel legt unser Held 3000 Mark auf den Tisch, 1976 eine fürstliche Summe.

Für Inquisition, Hexen und Folterinstrumente hat sich Ernst Vlcek interessiert. Dieses Themengebiet bildete das Fundament des frühen Dämonenkillers, und auch hier kommt es in großer Ausführlichkeit zum Einsatz. Die Szenen mit Pauls Folterung nehmen viel Platz ein, ob es nun der Spanische Stiefel, Daumenschrauben oder Garrotte sind. Gelungen grauenhafter als die recht detaillierte Folterschilderung ist dabei die Darstellung von Manriques durchaus glaubhaft geschildertem Bedauern, dass er das alles doch nur tut, um Paul vor dem Bösen zu retten. Der Irrsinn religiöser Doktrinen. Ein zeitloses Thema, das in Zeiten des Extremismus nur wieder an Aktualität gewonnen hat.

Aber geht es in der Geschichte nun um einen leibhaftigen Dämon oder wird Paul ganz einfach nur verrückt? Ist Manrique irrsinnig oder tatsächlich ein paar hundert Jahre alt? Letztlich ist beides möglich, im Grunde kann es sich der Leser aussuchen. Natürlich wird hier vordergründig die Geschichte einer Besessenheit erzählt, gestützt durch die Figur des angeblich unsterblichen Manrique. Und warum sollte der offenbar mit beiden Beinen im Leben stehende Paul so plötzlich zu einem psychotischen Mörder werden? Oder von der Folter im Handumdrehen geheilt sein? Aber der Autor lässt geschickt viele Punkte einfließen, die genauso gute Argumente für den Wahnsinn bieten. Die dafür nötige Ambivalenz bekommt Ernst Vlcek gut hin. Paul ist das Paradebeispiel des unzuverlässigen Erzählers. Man kann sich auf seine Worte nicht verlassen. Alles könnte sich auch nur in seinem Kopf abspielen.

Das Ende ist großes Kino. Ein Schauereffekt jagt den nächsten. Ob es nun die eingemauerte Leiche im Bad ist, der Angriff auf die Ehefrau, der Aufenthalt in der Irrenanstalt, der Mord an seinem Freund und schließlich Pauls endgültigen Absturz in den Irrsinn, es folgt eine unerwartete Wendung nach der anderen. So zielsicher war Vlcek danach nur noch selten in seinem Horrorwerk. Was sicher nicht zuletzt daran liegt, dass der Roman in einem Umfeld entstehen konnte, in dem der Jugendschutz das Genre noch nicht so im Würgegriff hatte, die Schere der Selbstzensur noch nicht so allgegenwärtig im Kopf der Autoren war.

Dieser Roman ist eine der (wenigen) Glanzleistungen der Dämonenkiller-Taschenbücher, erst recht, was die deutschen Beiträge betrifft.

Life on Mars
Die 70er. Man legt Leonard Cohens "Suzanne" und Captain Beefhearts "Mirror Man" auf, während man über den Lärm von türkischen und jugoslawischen Untermietern schimpft.

Das Titelbild
Es ist nicht das letzte Thole-Titelbild der Reihe, aber danach kamen nur noch zwei relativ beliebige Anthologiebilder. Möglicherweise diente es dem Autor sogar als Inspiration zu seinem Roman; man schrieb ja oft nach den Bildern. Es ist der perfekte Abgesang auf einen Künstler, dessen Arbeiten für den Erfolg von Pabels Gruselschiene mindestens genauso verantwortlich sind wie der Inhalt. Wenn nicht noch mehr.

Copyright © by Andreas Decker

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Kommentare  

#1 Toni 2015-08-17 14:55
Wieder ein sehr schöner Artikel.
Man merkt, der Roman hat dir gefallen. Da macht es einem noch mehr Spass was drüber zu schreiben. Kenne ich :-) !!!
Das gleiche galt für Vlcek wahrscheinlich auch - wenn man schon fundiertes Wissen hat.

Das Titelbild von Thole erinnert mich ein wenig an Graf-Zahl aus der Sesamstrasse. Genial dass der Typ direkt aus dem Spiegel aufs Cover zu klettern scheint.
#2 Andreas Decker 2015-08-17 17:54
Danke.

Lol, ja, der Zahl-Vergleich passt :lol:

Bald kommt die Durststrecke mit den Gothics, da wird das mit dem Spaß garantiert weniger. Mal sehen ;-)
#3 Schnabel 2015-08-17 20:07
Die Artikel-Reihe gefällt mir sehr gut. Weiter so...
#4 Thomas Mühlbauer 2015-08-17 21:48
Man fragt sich, was "Graf Zahl" da tatsächlich in den Händen hält oder hielt (ehe die Schere angesetzt wurde).
#5 Harantor 2015-08-17 22:22
Ich möchte mit der Attila the Hun Show antworten (aus Monty Python's Flying Circus): "I want you kids to get a Head." - www.youtube.com/watch?v=X-x6FBuF4JM

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