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Albernheiten um einen Humoristen - »Frei nach Mark Twain«

Frei nach Mark TwainAlbernheiten um einen Humoristen
»Frei nach Mark Twain«

Weltbekannt und noch immer gerne gelesen sind die Abenteuerromane um „Tom Sawyer und Huckleberry Finn“, die der als Samuel Langhorne Clemens geborene amerikanische Schriftsteller Mark Twain erstmals 1876 veröffentlichte. Viele der anderen Arbeiten Twains waren von bissiger Gesellschaftskritik und humoristischen Anspielungen geprägt, von denen man in der deutschen Fernsehserie „Frei nach Mark Twain“ allerdings nicht mehr viel erkennen kann.

Frei nach Mark TwainIm Jahr 1971 wurde die dreizehnteilige Serie „Frei nach Mark Twain“ erstmals im Vorabendprogramm des Zweiten Deutschen Fernsehens ausgestrahlt und scheint seitdem komplett in der Versenkung verschwunden zu sein. Angesichts der renommierten Starbesetzung sicherlich recht ungewöhnlich, aber Nostalgiker haben nun durch die Veröffentlichung bei „Pidax Serien-Klassiker“ die Möglichkeit, diese Rarität neu oder wieder zu entdecken. Der Berliner Autor Dieter Gasper, der auch für die ebenfalls in den 1970er Jahren entstandenen Serien „Wir 13 sind 17“ und „Suchen Sie Dr. Suk!“ die Drehbücher verfasste, hatte in den dreizehn Episoden einzelne Geschichten Mark Twains als Vorlage genommen und diese mit dem Autoren selbst als Hauptfigur umgesetzt. Für die Inszenierung zeichnete Franz Marischka (1918-2009) verantwortlich, Sohn des Regisseurs und Schauspielers Hubert Marischka und Bruder des auch international erfolgreichen Regisseurs und Schauspielers Georg Marischka. Franz indes war in den 1960er Jahren als Regisseur von harmlosen Schlager- und Kriminalfilmen bekannt geworden, die auch heute noch mitunter wiederholt werden. Ende der 1960er Jahre sattelte er im Zuge der sexuellen Revolution allerdings auf Sexkomödien wie „Der Mann mit dem goldenen Pinsel“ oder „Abarten der körperlichen Liebe“ um, und schuf in den 1970er Jahren mit den „Lass jucken Kumpel“- und den „Liebesgrüße aus der Lederhos’n“-Reihen einige der kommerziell erfolgreichsten Filme der immer beliebteren Sexfilmwelle in der Bundesrepublik.

Frei nach Mark TwainSamuel Langhorne Clemens (Helmut Förnbacher) arbeitet als Buchhalter im Maklerbüro des Griechen Mr. Dropulus (Walter Jokisch), fühlt sich aber zu Größerem berufen. Gemeinsam mit seinem besten Freund Dicky Fairchild (Uwe Friedrichsen) unternimmt Sam die abenteuerlichsten Versuche, in der großen weiten Welt Fuß zu fassen. So kommt es zu einer Audienz bei Millionär Frederick Vanderbilt (Eric Pohlmann), einer Reise nach Europa, wo sich Sam als bildender Künstler versucht, oder einem Spießrutenlauf durch die amerikanischen Ministerien, um ein rechtmäßiges Erbe anzutreten, das den Vorbesitzern in Clemens‘ Familie bislang nur wenig Freude eingebracht hatte. Die Naivität und Gutmütigkeit, mit der sich Sam dabei immer wieder von Schmarotzer Dicky über den Tisch ziehen lässt, ist eines der wiederkehrenden Elemente der Serie. In der fünften Episode verliebt sich Sam bei einer London-Reise in die bezaubernde Portia Miller (Uta Sax), die er daraufhin heiratet und die die Mutter seiner beiden Kinder Lynda (Dina Nowka) und Tommy (Dirk Reichert) wird. Auch als Familienvater kommt Sam allerdings immer wieder in gehörige Scherereien, bei denen er auch des Öfteren mit dem amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln (Werner Cartano) zusammentrifft.

Frei nach Mark TwainDie Intentionen hinter „Frei nach Mark Twain“ mögen ja vielleicht ganz löblich gewesen sein, immerhin glänzt die Serie mit gelungenen Kostümen und Außenaufnahmen in Südeuropa, das wie bei den alten Karl-May-Verfilmungen als Wilder Westen herhalten musste. Aber Franz Marischkas Inszenierung ist dermaßen überdreht und albern, dass man sich das Ergebnis heute als Erwachsener nur schwerlich mit Genuss ansehen kann. Ständig grimassieren die Darsteller wie wild, hetzen sich wiederholt durch die Zimmer oder sind im Zeitraffer zu sehen, was den aus Stummfilmkomödien bekannten Slapstickeffekt unterstreichen soll. Ganz selten nur schimmert tatsächlich ein wenig von der Ironie durch, für die Mark Twains Texte häufig gelobt wurden. Am gelungensten ist fraglos die Episode „Das Versuchskaninchen“ umgesetzt, dessen Grundidee man beispielsweise auch aus dem Filmklassiker „Sein größter Bluff“ kennt, der auf der Twain-Kurzgeschichte „The Million Pound Bank Note“ basiert. Interessant ist die mitunter ungewöhnliche Wahl der Schauspieler der Serie, denn Billy Mo („Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut“), Mona Baptiste („Das Mädchen aus der Mambo-Bar“), Martin Jente (Butler Herr Martin in „Einer wird gewinnen“) oder Peter Frankenfeld (Moderator von „Vergißmeinnicht“ und „Musik ist Trumpf“) waren ansonsten in deutschen Fernsehserien eher selten zu Gast. Die Episode „Ein Eldlutsch-Opfel“ bietet darüber hinaus ein letztes Wiedersehen mit den beiden Komikurgesteinen Hubert von Meyerinck und Bum Krüger, die beide zum Zeitpunkt der Erstausstrahlung bereits verstorben waren. Die DVD-Erstveröffentlichung bietet ein akzeptables, mitunter etwas verwaschenes Bild (im Vollbildformat 1,33:1) und einen gut verständlichen deutschen Originalton (in Dolby Digital 2.0). Extras sind keine vorhanden.

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