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Die Realität ausklammern - »Oeconomia«

OeconomiaDie Realität ausklammern
»Oeconomia«

Auf der Berlinale 2020 hatte mit „Oeconomia“ ein Dokumentarfilm seine Weltpremiere, der einen kritischen und informativen Blick auf unser derzeitiges kapitalistisches System warf. Die Filmemacherin Carmen Losmann beschäftigte sich mit den Fragen, wie eigentlich Geld entsteht, wie Unternehmen Gewinne erwirtschaften können und inwiefern die Verschuldung von Privatpersonen, Unternehmen und ganzen Staaten zum Aufrechterhalten eines maroden Systems beitragen.

o.k.Carmen Losmann scheint ihre Hassliebe zum kapitalistischen Wirtschaftssystem immer wieder dazu zu bringen, sich mit diesem auf dokumentarische Weise auseinanderzusetzen. Im Jahr 2012 sorgte „Work Hard Play Hard“ für Furore, für den die Filmemacherin u.a. den Grimme-Preis in Empfang nehmen durfte, und in dem die hohlen Phrasen und Allgemeinplätze nicht sonderlich sympathisch wirkender Managertypen kommentarlos für sich stehen gelassen wurden. Eine derartige Selbstentlarvung gibt es nun bei „Oeconomia“ nicht, was zum Teil sicherlich der Tatsache geschuldet sein dürfte, dass sich einige von Losmanns potenziellen Interviewpartnern im Nachhinein nicht damit einverstanden erklärten, im Film mit ihren Ansichten aufzutauchen – oder das Gespräch mit der Regisseurin schon im Vorfeld gänzlich verweigerten.

o.k.Stattdessen steht in diesem Film Carmen Losmanns Suche nach dem Kern des Kapitalismus im Vordergrund, die sie auf geschickte Weise die Struktur des Films bestimmen lässt. Die Filmemacherin interessiert sich dafür, wo das Geld herkommt, und wie es immer wieder dazu eingesetzt wird, Gewinn abzuwerfen, sich also quasi von selbst zu vermehren. So mancher Wirtschafts- und Finanzexperte, den die Filmemacherin mit ihren Fragen zum Thema der Weltwirtschaft konfrontiert, sieht am Ende ganz schön alt aus. Ratlosigkeit angesichts der zahlreichen Paradoxien dieses Systems steht dabei hoch im Kurs. Fakt ist, dass Banken das Geld gar nicht mehr besitzen müssen, das sie privaten und gewerblichen Investoren in Form eines Kredits zur Verfügung stellen. Ohne Kredite und Schuldner funktioniert aber der ganze Kapitalismus nicht mehr, weil nur dadurch neue Investitionen und neues Geld entstehen können. Ein Teufelskreis, der kurz vor der Implosion steht. Dass viele der aktiv an diesem System Beteiligten die Realität in ihrem Arbeitsalltag ganz bewusst ausklammern, ist eine der erschreckenden Erkenntnisse dieses Films. Hier haben sich Wirtschaftsfachleute ein Glaubensgebäude erschaffen, das in nicht allzu ferner Zukunft zwangsläufig kollabieren muss.

o.k.Carmen Losmann hat es auf anschauliche und kurzweilige Weise geschafft, ein überaus komplexes Thema komprimiert darzustellen und auch Laien dabei eindringlich vor Augen zu führen, was hier nicht stimmt und was dringlichst geändert werden muss.

Leider erlaubt es die Laufzeit dieses Films nicht, Alternativvorschläge zu unterbreiten, aber vielleicht ist dazu ja in Losmanns nächstem Film Gelegenheit.

Die DVD-Erstveröffentlichung bietet ein gutes Bild (im Widescreen-Format 1,85:1), und auch der Ton (Deutsch und kurzzeitig Englisch in Dolby Digital 5.1, optional mit deutschen Untertiteln für Hörgeschädigte oder englischen Untertiteln; außerdem steht eine Audiodeskriptionsfassung für Sehbehinderte zur Auswahl) ist überzeugend. Leider sind allerdings keinerlei Bonusmaterialien verfügbar.

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