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Alte neue Fakten zum ALTEN Was man über DER ALTE noch weiß (Teil 2)

Der Alte: Erwin Kösters FälleAlte neue Fakten zum ALTEN
Was man über DER ALTE noch weiß (2/2)

Wer den ALTEN im ZDF von früh auf - also der ersten Folge kennt – der weiß einiges zu berichten. Die Figur ist alles andere als universell oder blass. DER ALTE ist von der Konzeption her im Jahre 1977 eine ganz und gar ungewöhnliche Krimiserie gewesen, die eine Revolution im TV darstellte. Seinerzeit kannte man nur den Kommissar (Erik Ode) und Derrick (Horst Tappert), sowie einige wenige Tatort-Kommissare, die aber immer irgendwie außer Konkurrenz liefen.

Für den Kommissar suchte man nun einen geeigneten Nachfolger, als dieser nach 97 Folgen das Handtuch warf.

Ohne K in Namen kein Glück mehr
Walter Kreye erkrankte schwer und wurde aus der Rolle gezwungen. Nach „nur“ 43 Folgen schied er sang- und klanglos aus. Jan-Gregor Kremp übernahm. Frau Porsche vollzog bald darauf auch weitere Änderungen. Pierre Sanoussi-Bliss und Markus Böttcher wurden aus der Serie „heraus geschrieben“. Man setzte Stephanie Stumph und Ludwig Blochegger ein. Zusammen mit Kremp wurde das Team des ALTEN damit deutlich verjüngt. Nur Michael Ande blieb. Doch nach nur wenigen Folgen an Kremps Seite verkündete er auch seinen Abschied. Zum einen hätte er selbst schon den ALTEN spielen können – was längst verdient gewesen wäre. Zum anderen gehörte Ande auch bereits zu jenen „Polizisten“, die die Pensionsgrenze in Wahrheit schon längst etwas überschritten hätten. Ande passte da nicht mehr so ganz rein in das neue Team. Er wirkte wie ein Fremdkörper und war doch der einzig Vertraute in der Reihe. Die einzige Konstante. Irgendwie hat er vielleicht selbst gemerkt, dass die alte Zeit eben endlich vorbei ist.

Doch zurück zum alten ALTEN und damit zu Lowitz, der in seiner Rolle und wegen der Handlungen zu Beginn viel Kritik seitens der Journalisten einstecken musste. Zu unrealistisch sei der Krimi, die Methoden des Köster gar unglaubwürdig. Lowitz betonte immer wieder, dass er auf Drehbücher keinen Einfluss habe und vieles natürlich der Dramaturgie geschuldet war. Vor allem die dritte Folge „Der Alte schlägt zweimal zu“ war im Kreuzfeuer der Kritik. Dass man einen Mörder mit Tricks wie einer Stimmenimitation überführt und dies dann auch noch verwertbar für den Staatsanwalt ist schien zu sehr an den Haaren herbeigezogen. Auch das es zur Wahrheitsfindung nötig ist, dass Köster seinen Untergebenen Heymann (Michael Ande) mit einer Verdächtigen ins Bett schickt um sie auszuhorchen, schien den wahren Ordnungshütern wenige rein Dorn im Auge als den Journalisten.

„… schließlich wirft die Kritik ja auch dem ersten Geiger in einem Orchester nicht vor, dass ihr die Sinfonie missfällt. Der Geiger spielt die Noten und weiter nichts. Dass ich die Noten richtig spiele, ist mir von Zürich bis Hamburg und von München bis Berlin bei den ersten Folgen bestätigt worden. Es ist meine Überzeugung, dass ich die Rolle des Kommissars Köster sympathisch gestalte; dieser Kommissar hat Humor, hat Phantasie und er ist beileibe nicht dumm. Ich kann diese Rolle umso lieber spielen, als ich ein Bewunderer der Arbeit der Polizei bin. Ich weiß darum, wie schwer sie ist. Und ich bin mit meinem Produzenten, Helmut Ringelmann, darin einig, dass es niemals unsere Absicht ist, die Polizei zu diskreditieren und herabzusetzen…“ (4)

Schließlich pochte auch Lowitz und Ringelmann auf die künstlerische Freiheit. Und so verstummten die Kritiker allmählich auch im Angesicht der stetig wachsenden Einschaltquoten.

Wie sagte Schauspielkollge Michael Maien neulich auf Facebook über Lowitz (sie spielten beim ALTEN zusammen):

"Beinahe 20 Jahre her, dass uns Lowitz( Lo) verlassen hat. Kein Bequemer, aber ein Echter." (5)

Bedauerliches Missgeschick – die dritte Folge
Das Drehbuch zur dritten Folge von DER ALTE schrieb damals José Giovanni, der auch Regie führte. Ringelmann bat seinen Freund bei der Serie mitzumachen und brachte damit etwas französisches Flair in den Krimi. Durch die massive Kritik an der Folge wurden zwei weitere Drehbücher von Giovanni nicht mehr realisiert. Dabei gilt als Filmemacher von Weltruf und drehte mit Alain Delon, Lino Ventura, Jean Gabin u.a. Er verfasste Drehbuch zum Film „Der Clan der Sizilianer“ und die literarische Vorlage zum Krimi „Das Loch“. Bei zukünftigen Wiederholungen wurde diese Folge dann lange nicht mehr gezeigt. Ins Ausland wurde die dritte Folge nie exportiert, weswegen dort die Anzahl von 100 Köster-Folgen auf 99 reduziert ist. Dabei gab es auch andere Folgen, die in sich fehlerhaft oder unlogisch waren. Spätere Folgen wie „Der Zigeuner“, die man als bedenklich eingestufte wurden ebenfalls von einigen ausländischen Sendeanstalten (wie dem ORF) nicht gezeigt oder bei Wiederholungen ausgelassen.

Waltz „tötet“ Köster
Doch DER ALTE lief und lief bis er in Folge 100 erschossen wurde. Wieder so ein Kapitel für sich. Der erste Fernsehkommissar, der im Dienst getötet wird und somit ausscheidet. Eine naheliegende Option. Dabei hätte er aufgrund seines Alters auch ganz einfach in Rente gehen können. Über die Gründe von Kösters Ausscheiden wurde viel geschrieben. Er soll keine Lust mehr gehabt haben auf die Serienrolle und auf Fernsehen im Allgemeinen. Grob gesagt stimmt das. Doch nun kam heraus, dass es ihm auch einfach zu viel wurde. Krimis werden oft nachts gedreht, oft im Winter und bei Kälte und Nässe. Lowitz wurde das anstrengend. Oft stand man stundenlang irgendwo in der Kälte bis man zu seinem Einsatz am Set kam. Er war über 70 und aus dem Alter raus. Also musste ein Ende her. So wurde er zunächst angeschossen in einer Szene am Bootshaus. Der Schütze wurde von Christoph Waltz gespielt. 1985 war das und damals war es einer seiner ersten Rollen. Waltz wurde erst viel später bekanntlich Oscar-Preisträger durch Filme von Quentin Tarantino und Superschurke gegen James Bond („Spectre“). Aber sollte Köster in der ersten Drehbuchversion wirklich sterben? Diese Frage geistert unter den Fans. Cutterin Sigrid Gräwert wusste auf Facebook in der Gruppe „Freundeskreis DER ALTE“ zu berichten, dass Waltz während des Drehs gar nicht wusste, dass er Kösters Mörder wird. Tatsächlich laufen die letzten so ab:

Köster wird angeschossen. Im Krankenhaus ist er augenscheinlich wieder ganz fit und spricht mir seinen Kollegen. Er bedankt sich. Dann spricht er mit dem Schützen der Kugel, die ihn traf (Christoph Waltz). Der entschuldigt sich bei ihm. Alles sieht so aus, als hätte Köster das alles gut überstanden und sei auf dem Weg der Genesung. Erst in einer Schlussszene erfahren Kösters Leute, dass ihr Chef in der Nacht verstorben ist. Damit endet der 100. Fall.

Es kann durchaus sein, dass die letzte Szene nachträglich gedreht wurde und man sich eine andere Option für Kösters Ausscheiden offenließ. Doch das ist Spekulation. Möglicherweise wurde die Szene aber auch zuerst gedreht und stand nicht in Waltz seinem Drehbuch-Auszug. Wie auch immer. Nun begann die Phase Kress. In der war Heymann wieder mit dabei. Aber Brenner schied in der 101. Folge aus. Auch Meyer Zwo und Löwinger, wie zwei weitere Assistenten hießen, gingen bald. Dafür wurden Henry Johnson und Riedmann eingeführt. Johnson war in der Tat eine Neuerung. Ein farbiger Polizist war in der Tat mal wieder Neues und ungewöhnliches im TV. Wieder ging der DER ALTE neue Wege.

Unrühmliche Schlagzeilen und Nachfolge-Gerüchte
Die unrühmlichen Schlagzeilen, die der alte in letzter Zeit wegen des „Rausschmisses“ von Bliss und Böttcher erfuhr waren vergleichsweise groß gegen das Gemecker der Handlungen von frühen Folgen. Die dritte Folge von José Giovanni kann man als ärgerliches Missgeschick bezeichnen. Und dennoch. Eine Krimiserie, die auch mal andere Wege geht und weniger linear wie z.B. Derrick ist, eckt an. So produzierte DER ALTE oft Schlagzeichen. Sei es Charly Mohammed Huber wegen angeblich rassistischer Anfeindungen die Serie verließ oder als Kreye wegen Krankheit gefeuert wurde. Auch das schnelle Heraustrennen der Figuren Riedmann und Richter gehört dazu.  

Die Nachfolge von Lowitz sollte Gerüchten zufolge eigentlich Armin Müller-Stahl übernehmen. Doch Müller-Stahl hatte ein Hemmnis. Er wollte einfach keine Serienfiguren spielen. Schon den „Schwarzwaldklinik“-Professor Brinkmann lehnte er deswegen dankend ab. Klausjürgen Wussow war dann die zweite Wahl. So erinnerte sich Ringelmann an Rolf Schimpf, mit dem er schon die Familienserie „Mensch Bachmann“ produzierte. Die ersten Folgen mit Kress glichen vom Stil noch den von Köster. Doch alsbald wurden die Krimis konventioneller. Der typische Mörder des Monats wurde ermittelt. Whodunits in ihrer fast klassischen Form, bestimmten in der Hauptsache das Bild von der Reihe. Inzwischen wie gesagt ist alles Massenware.

Pierre Sanoussi-Bliss war jedenfalls überzeugt:

Unter Ringelmann wäre das keinesfalls passiert. Warum auch? Es gibt keinen Grund, ein Gewinnerteam, welches in 107 Ländern läuft und über das sich niemand beschwert hat, auseinander zu reißen. Coca-Cola ändert seine Rezeptur ja auch nicht. (…) Inzwischen ist eine Generation am Ruder, für die teilweise "Betriebsklima" etwas ist, was aus der Klimaanlage kommt. (6)

Dieser Tage dachte ich zurück an die allererste Folge „Die Dienstreise“, die am Ostermontag 1977 über die Bildschirme flimmerte. Ein 90minütiger Pilotfilm. An dem Tag befand ich mich mit meiner Mutter (seit 3 Tagen) auf einer Reise in die damalige DDR – Verwandtenbesuch. Als wir am Abend zurückkehrten lief DER ALTE auch in unserem Wohnzimmer.

Was wurden aus den Alten?
Siegfried Lowitz: Er spielte auch danach noch Fernsehrollen. Zum Beispiel neben Uschi Glas in der SAT1-Serie „Anna-Maria – Eine Frau geht ihren Weg“. 1999 starb Lowitz, den Freunde nur Lo nannten an den Folgen einer Blutanämie.

Rolf Schimpf: Er lebt heute in einem Seniorenheim in München.


Walter Kreye: Er hat sich von seiner Krebserkrankung erholt und spielt wieder in TV-Serien.


Michael Ande: lebt mit Familie zurückgezogen am Schliersee.


Wolfgang Zerlett (Meyer Zwo): Seit den 90er Jahren nicht mehr im TV in Erscheinung getreten.

Henning Schlüter (Millinger): Speilte nach DER ALTE noch unzählige Filme und Serien sowie Hörspielrollen. Er verstarb 2000.

Charles (Charly) Muhamed Huber (eigentlich Karl-Heinz Huber): ist bayrischer CDU-Politiker und engagiert sich für Afrika. Er ist der Neffe des ehemaligen Präsidenten Senegals und Philosophen Léopold Sédar Senghor. Er ist Ehrenkommissar der bayrischen Polizei.

Pierre Sanoussi-Bliss: spielt wieder Theater und dreht selbstproduzierte Spielfilme. Außerdem veröffentlichte er Buch und Hörbuch seiner Kindergeschichte „Der Nix“.

Markus Böttcher: Er klagte gegen seine Kündigung bei DER ALTE und verlor in allen Instanzen. Zusammen mit seinem Schauspielerkollegen Charles M. Huber gründete er den Entwicklungshilfeverein Afrika Direkt e.V.
Ulf-Jürgen Söhmisch: Er speilte den Polizeiarzt in vielen Folgen DER ALTE und auch einige Male bei Derrick. Er starb 2016.

Jan Hendriks (eigentl. Heinz Joachim Hinz): Er spielte nach seinem letzten Einsatz bei DER ALTE (1986) nicht mehr in Film und TV. 1991 verstarb er.

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Quellen:
Krimiserien (Website)
Interviews von Ingo Löchel und G. Walt mit Pierre Sanoussi-Bliss
Freundeskreis DER ALTE, Facebook.

(4) = Siegfried Lowitz (Gong 21/1977)
(5) = Michael Maien
(6) = Pierre Sanoussi-Bliss

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