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Angriff oder Verteidigung? - »Die Kuba-Krise 1962«

Die Kuba-Krise 1962Angriff oder Verteidigung?
»Die Kuba-Krise 1962«

An vierzehn Tagen im Oktober 1962 stand die Welt so nah am Rande eines neuen Weltkrieges wie niemals zuvor. Die Sowjetunion hatte auf der kommunistischen Insel Kuba vor der Küste der USA Mittelstreckenraketen stationiert, die den US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy in Gewissenskonflikte stürzten. Das Dokumentarspiel „Die Kuba-Krise 1962“ rekonstruiert die damaligen Debatten hinter verschlossenen Türen.

Die Kuba-Krise 1962Der für das Zweite Deutsche Fernsehen von Rudolf Nussgruber („Ich war Cicero“) inszenierte Film basiert auf einem Drehbuch des Hörfunk- und Fernsehjournalisten Peter von Zahn (1913-2001), den ältere Semester noch gut kennen dürften. Der zunächst für den NWDR tätige Journalist erlangte bundesweite Popularität als Auslandskorrespondent in den USA, der mit seiner Radiosendung „Aus der neuen Welt“ und schließlich ab 1955 mit der Fernsehsendung „Bilder aus der neuen Welt“ seine Expertise für die mächtigste Nation der Welt unter Beweis stellte. Peter von Zahn wurde kurze Zeit später Geschäftsführer der Windrose Film- und Fernsehproduktions GmbH, die nicht nur das überaus populäre Nachrichtenfernsehmagazin „Weltspiegel“ ins Leben rief, sondern mit Hilfe von Dokumentarspielen auch eingängig und anschaulich versuchte, politische Gegebenheiten auf fiktionalisierte Weise an ein großes Publikum zu bringen. „Die Kuba-Krise 1962“ ist eine solche Produktion, die 1969 die damals erst sieben Jahre zurückliegenden Ereignisse anschaulich aufbereitete.

Die Kuba-Krise 1962Das Fiasko der Schweinebucht-Affäre 1961 beschädigte nicht nur den internationalen Ruf der damals noch recht jungen US-Regierung unter John F. Kennedy, sondern führte auch zu einer Verschärfung der Konflikte in der Karibik. US-Luftbildspezialisten entdeckten am 14. Oktober 1962, dass die Sowjetunion auf der Insel eine größere Anzahl Mittelstreckenraketen in Stellung brachte. Innerhalb kürzester Zeit wurde ein aus zehn Experten bestehendes Exekutivkomitee zusammengestellt, das die prekäre Lage diskutieren und den Präsidenten mit Expertisen zum weiteren Vorgehen versorgen sollte. Neben JFKs jüngerem Bruder Robert Kennedy (Helmut Förnbacher), dem damaligen Finanzminister, gehörten dem Ausschuss Außenminister Dean Rusk (Werner Kreindl), Verteidigungsminister Robert McNamara (Hanns Ernst Jäger), Admiral George Anderson (Hans Schellbach), General Maxwell Taylor (Hans Daniel), CIA-Chef John McCone (Herbert Tiede), Sicherheitsberater McGeorge Bundy (Hellmut Lange), Diplomat Llewellyn Thompson (Hans Paetsch), Adlai Stevenson (Konrad Georg), US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, sowie der ehemalige US-Außenminister Dean Acheson (Ernst Fritz Fürbringer) an. Letzterer zeigte sich bei den Diskussionen rasch als Befürworter eines Luftangriffs auf die sowjetischen Stützpunkte auf Kuba, während die anderen Gesprächsteilnehmer noch bemüht darum waren, den Konflikt auf diplomatische Weise beizulegen.

Die Kuba-Krise 1962„Die Kuba Krise 1962“ ist ein exzellentes Beispiel, wie man Geschichte transparent und verständlich machen kann. Obwohl es in der Natur der Sache liegt, dass in den anderthalb Stunden fast permanent in einem einzigen Raum geredet wird, ist die Inszenierung äußerst abwechslungsreich ausgefallen und weiß auch dokumentarische Aufnahmen gekonnt in die Spielhandlung zu integrieren. John F. Kennedy kommt dabei lediglich in Archivmaterial vor, in der einzigen Spielszene, in der er dabei ist, sieht man nur den Rücken eines Darstellers zur Kamera und hört Kennedys Kommentare über eine Erzählstimme aus dem Off. Das hilft aber höchstens noch dabei, den Authentizitätsgehalt des Gezeigten zu unterstreichen. Rudolf Nussgrubers Inszenierung ist fesselnd und stramm geraten, sein frühes Beispiel eines Dokumentarspiels braucht sich nicht hinter neueren Werken eines Heinrich Breloer, Horst Königstein oder Hans-Christoph Blumenberg zu verstecken. Die DVD-Erstveröffentlichung des Films bietet ein gutes Schwarz-Weiß-Bild (im Vollbildformat 1,33:1) sowie einen gut verständlichen deutschen Originalton (in Dolby Digital 2.0). Extras sind keine mit aufgespielt.


Kommentare  

#1 Laurin 2020-08-08 00:58
Nun ja, ob damit damals der "internationale Ruf der noch recht jungen US-Regierung unter J.F. Kennedy" beschädigte wurde, sei mal dahin gestellt. Denn der sogenannte "gute Ruf" wurde schon im Vorfeld durch die Politik der USA selbst beschädigt.
Wesentlich richtiger ist, dass die USA damals die Welt an den Rand eines alles vernichtenden Atomkrieg geführt hatten. Die Stationierung der sowjetischen Mittelstreckenraketen erfolgte nämlich als direkte Reaktion der Sowjetunion auf die Stationierung der US-Mittelstreckenraketen vom Typ Jupiter auf einem Nato-Stützpunkt in der Türkei. Also direkt vor der Nase der Sowjetunion.
Die PGM-19 Jupiter war dabei eine atomare Mittelstreckenrakete mit einer Reichweite von 2410 km und wurde von Wernher von Braun auf der Grundlage der V1 und V2 Raketen entwickelt, die das Deutsche Reich im Zweiten Weltkrieg gegen England einsetzte. Im Ernstfall hätte die Sowjetunion über keine Reaktionszeit verfügt, was dazu führte, den aggressiven Spieß der USA umzudrehen und als Reaktion sowjetische Mittelstreckenraketen auf Kuba zu stationieren.
Ich hoffe also mal, dass dies ebenfalls in dem Film thematisiert wird. Wenn nicht, so hat der Film das etwas üble Geschmäckle einer unterschwelligen wie einseitigen Propaganda gehabt. Denn ohne die einseitige und recht aggressive Stationierungspolitik der USA in der Türkei wäre es vielleicht auch nicht zu dieser Gegenreaktion und damit der Kuba-Kriese gekommen. Der "Gewissenskonflikt von J.F. Kennedy" hätte jedenfalls schon weit vorher wegen der eigenen militärischen Politik aufkommen müssen.
Zumindest wäre ich aber mit einem Lob hinsichtlich solcher damaligen Filme bzw. Fernsehspiele vorsichtig, wenn sie durchaus zutreffende geschichtliche Begebenheiten aus der Gesamtproblematik herausreißen und eventuell so aber ein recht einseitiges wie auch falsches Bild liefern.
#2 Frank Brenner 2020-08-08 11:11
Hallo Laurin,
danke für Deinen profunden Kommentar. Der Film ist aber keineswegs einseitig, auch die Jupiter-Raketen in der Türkei werden mehrfach erwähnt. Es ist zwar ein Film, der die Ereignisse aus Sicht der Amerikaner schildert, aber in deren Reihen durch die verschiedenen Repräsentanten durchaus differenziert ist.
#3 Laurin 2020-08-08 13:27
@ Frank Brenner:
Alles klar, wie ersichtlich kenne ich diesen Film ja nicht persönlich und bin daher gerade bei solchen Filmen auch immer etwas vorsichtig. Zu schnell kann da durchaus richtiges trotzdem recht einseitig geschildert werden.
Wenn das in diesem Fall nicht zutrifft, will ich aber auch nichts gesagt haben. ;-)

Für Interessierte sei hier noch gesagt, dass bei den Verhandlungen nach der Kuba-Krise die USA die Jupiter-Mittelstreckenraketen aus der Türkei und Italien (dort wurde das Waffensystem nämlich ebenfalls stationiert) wieder abgezogen hatte.
#4 Falk 2020-08-10 08:23
Die ZDF-Dokumentarspiele der späten sechziger und frühen siebziger Jahre hatten bei ihrer Erstsendung nicht immer die besten Kritiken. Schulfunk im Fernsehen etwa war ein häufig vorgebrachter Vorwurf, sollte heißen: bieder, textlastig, langweilig.
Ich fand diese Vorwürfe schon immer unberechtigt und begrüße es, dass Pidax nun einige dieser Filme veröffentlicht. Neben der „” gibt es z.B. den Zweiteiler „Maximilian von Mexiko” mit Michael Heltau als Maximilian und Siegfried Wischnewski als Napoleon III. Schon diese Namen zeigen, dass immer mit den besten und renommiertesten Darstellern gearbeitet wurde. Vieles wartet noch in den Archiven auf eine Veröffentlichung, etwa das thematisch zu „Maximilian” passende Dokumentarspiel „Die mexikanische Revolution” mit Erik Schumann als Emiliano Zapata und Horst Niendorf als Pancho Villa, ebenfalls ein Zweiteiler.
Ein hochinteressanter Fünfteiler (!) ist „Bürgerkrieg in Russland” mit F. G. Backhaus als Trotzki und Hubert Suschka als Stalin. Interessant wären auch „Der irische Freiheitskampf” mit Karl-Michael Vogler als Eamon de Valera oder „Carl Schurz” mit Christian Rode als Abraham Lincoln und Udo Vioff als (deutschstämmiger) US-Innenminister Carl Schurz. Gute Erinnerungen habe ich auch an „Finden sie Livingstone!” mit Bert Fortell als Henry Morton Stanley. Und dies sind nur die Titel an die ich mich spontan erinnere. Für Material ist also gesorgt.

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