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Philosophie und der Eine Ring - Der Herr der Ringe und die Philosophie

http://www.zauberspiegel-online.de/images/stories/rezis/ego/bassham_hdr_philosophie_01.jpgPhilosophie und der Eine Ring
Der Herr der Ringe und die Philosophie
 
Der Herr der Ringe ist eine wunderbare Legende , erzählt in der gemeinen Sprache.  Oder er kann als ein Fantasyroman mit Modellcharakter gesehen werden. Der Roman (in Gestalt einer Trilogie) kann als Beides gelesen werden, ohne dass der Leser dazu philosophische Vorkenntnisse und Seminare braucht, um sich blendend zu amüsieren. Daran kann auch dieses Buch in keiner Weise etwas ändern (und zum Glück erheben weder Autoren noch Herausgeber diesen Anspruch, denn das hätte dieses Projekt zur absoluten Dummheit erhoben). 

»Wir sind nicht alt; nur hat jeder inzwischen Aufgaben und Pflichten, die uns keine Zeit mehr für solche Späße lassen«, sagte Kim. »Das bedeutet aber nicht, daß unser Leben zu Ende wäre. Erst wenn wir unsere Pflichten ablegen und dann feststellen, es bleiben nur noch Erinnerungen und sonst nichts, dann sind wir alt. Wir werden Greise, wenn wir keine Aufgaben mehr finden - ob aus freiem Willen übernommen oder vom Schicksal auferlegt.«
»Du hättest auf die philosophische Akademie gehen sollen, Kim«, meinte Fabian. »An dir hätten sie dort ihre Freude gehabt.«
Ein Philosoph hätte für das, was ich eben gesagt habe, mindestens eine halbe Stunde gebraucht«, erklärte Kim, der eine Abneigung gegen jede Art von weitschweifigen Theoretikern besaß - was er im übrigen mit fast allen Bewohnern Elderlands gemeinsam hatte.
»Und sage das mal an der Philosophischen Fakultät, und sie werden dich drei Tage lang nicht mehr gehen lassen, und in dieser Zeit werden sie dir zu erklären versuchen, warum die Gegensätze, die du siehst, in Wirklichkeit gar keine sind, sondern ein und dasselbe, was aber kein gewöhnlicher Denker, sondern eben nur ein Philosoph zu erkennen vermag«, lächelte Fabian.
»Darum hatte ich auch immer meine Axt dabei, wenn ich Schriften dort einsehen wollte«, brummte Burin. »Diesem Doppelargument ist kein Philosoph gewachsen.«

Helmut W. Pesch, Horst von Allwörden "Die Ringe der Macht

Bassham, Gregory / Bronson, Eric (Hg.) - Der Herr der Ringe und die PhilosophieAuf der Homepage des Verlages heißt es: "Eine leicht lesbare Einführung in die grundlegenden Fragestellungen der Philosophie und ein spannender Beitrag zu den vielfältigen Möglichkeiten, wie das beliebteste Buch aller Zeiten gelesen werden kann. Was hat Nietzsches Wille zur Macht mit Frodos Ring zu tun? Wie hängen Augustins Vorstellungen über die Natur des Bösen mit Gandalfs Gedanken über Saruman zusammen?

Wenn ein sterbliches Wesen - zum Beispiel ein Mensch oder ein Hobbit - einen Ring der Macht besäße,würde er sich dann noch für ein moralisches Leben entscheiden? Gregory Bassham und andere akademische Philosophen zeigen, wie sich im »Herrn der Ringe«, dem beliebtesten Buch unserer Zeit, die großen philosophischen Fragen von Platon bis Nietzsche entdecken lassen. Den Leser erwartet eine leicht lesbare und unterhaltsame Einführung in die wichtigsten Themen der Philosophie.

- Bilbos Ring als Symbol für den Zusammenhang von Macht und Moral.
- Saurons finstere Pläne: Technik und Umweltzerstörung als Frage der Ethik.
- Das Auenland und die Suche nach dem Glück als dem »einfachen Leben«
"
 
Ist ein solches Buch denn nun wirklich nötig? Viele Bücher sind nicht nötig, aber sie erscheinen trotzdem. Dieses Buch ist aber zumindest trotz des schwergewichtigen Themas unterhaltend geschrieben. Manche der Philosophen können sich erstaunlich kurz und knapp fassen. Sie krönen sich nicht als Meister des Schachtelsatzes und tarnen ihre Aussagen in Satzungeheuern  (Noch heute verfolgen mich Alpträume aus der Oberstufe, wenn es daran ging Kernsätze von Kant & Co. zu suchen). 
 
Manchmal kann ich aber bei der Lektüre dieses Buches die Erinnerungen an zwei Sendungen des Nachtstudios im ZDF nicht verdrängen. In beiden Sendungen saßen vier Intellektuelle und unterhielten sich zum einen über Laurel & Hardy und zum anderen über Superhelden-Comics. Man wurde jeweils den Eindruck nicht los, dass die Beteilgten nach Ausreden suchten, warum sie als Intellektuelle nun beides goutieren dürften. Ich bin aus dem Lachen einfach nicht heraus gekommen. Da wurde nach Tiefgründigen gefahndet, nach Alibis gesucht - und sie wurden gefunden. Offensichtlich war keiner der Beteiligten in der Lage zuzugeben, dass er sich bei der Lektüre von Superman & Co. oder beim Schauen der Komödien von  Laurel und Hardy amüsiert. Da müssen höhere Motive dahinter stecken. Ein Intellektueller amüsiert sich nicht einfach nur. - Arme Geistesgrößen - Ihnen entgeht was.
 
Eben dieser Eindruck überfällt mich (wenn auch nicht so deutlich) bei der Lektüre dieses Buches. Ein paar der Philosophen scheinen ihre Erkenntnisse als Alibi zu nutzen. Dazu gibt es im Vorwort erhellendes, denn da werden Intellektuelle Beziehungen des Autors zu Hilfe gerufen: "Tolkien selbst war, wie wir alle wissen, Professor für angelsächsische Sprachen in Oxford und nicht Philosoph von Beruf. Doch gehörte er auf seinem Gebiet zu den führenden Wissenschaftlern, und er war eng befreundet mit bedeutenden englischen Intellektuellen wie C. S. Lewis, Owen Barfield, Charles Williams, Neville Coghill und Hugo Dyson." Muss das sein? Der Herr der Ringe und sein Autor brauchen doch keine Leumundszeugen...
 
Dennoch. Das Buch unterhält, liefert spannende Einblicke, dass Tolkien in seine Geschichte handfeste Philosophie unterbrachte. Viele der Autoren bekennen, diese dann auch in Seminaren und Vorlesungen verwendet zu haben. Das beliebteste Buch des 20. Jahrhunderts birgt in sich mehr als nur eine unterhaltende Geschichte, sondern auch tiefschürfende Wahrheiten.

Im Vorwort zum Buch heißt es: "J. R. R. Tolkiens Herr der Ringe ist seit über einem halben Jahrhundert ein phänomenaler literarischer Erfolg. Seit seiner ersten Veröffentlichung in den Jahren 1954 /1955 wurde Tolkiens Fantasy-Epos mehr als fünfzig Millionen Mal verkauft, und in diversen Leserbefragungen wurde es zum besten Buch des 20 . Jahrhunderts gewählt.

Mit Peter Jacksons gigantischen Filminszenierungen des großen Abenteuers gewann die phantastische Geschichte von fröhlichen Hobbits, knurrenden Orks und reizbaren Zauberern Millionen neuer Anhänger. Am Tag vor der Kinopremiere der Zwei Türme in den USA erschien in der New York Post ein ganzseitiger Artikel mit der werben-den Ankündigung auf der Titelseite: »Herr der Ringe für Dummies«. Spielzeugläden sind vollgestopft mit Aragorn-Püppchen, Legolas-Tauschkarten und anderen Herr der Ringe-Fan-Artikeln. Als Parodie kam der Herr der Ringe sogar in South Park vor.

Doch nicht alle Tolkien-Anhänger sind glücklich über diesen plötzlichen Popularitätsschub. Nach der Premiere der Zwei Türme wurden die einschlägigen Websites mit Beschwerden über die oft tiefgreifenden Veränderungen überschwemmt, die auf dem Weg vom Buch zum Film entstanden. Als die Debatten (die teilweise auf Elbisch geführt wurden) sich im Internet immer weiter ausbreiteten, schlug das Alte Imperium zurück. Auf der offiziellen Website des Herrn der Ringe bezeichnete ein langjähriger Beiträger einen Ring-Neuling verächtlich als »kompletten Idioten«, weil der nicht gewusst hatte, dass die Macht eines Zauberers von seinem Stab herrührt.

Um der Sache gerecht zu werden, brauchen wir offenbar mehr als einen »Herrn der Ringe für Dummies«. Was uns fehlt, ist ein »Herr der Ringe für kluge Leute«.

Mit diesem Gedanken haben wir eine auserlesene Gruppe von siebzehn gelehrten Philosophen und anderen Akademikern versammelt (jeder einzelne ein glühender Fan des Herrn der Ringe) und sie gebeten, uns bei der Beantwortung von einigen wesentlichen philosophischen Fragen zu helfen, die durch das Buch und die Filme aufgeworfen werden:

Ist es möglich, Macht zu einem guten Zweck auszuüben, oder ist Macht prinzipiell destruktiv?

Kann der Tod als ein Geschenk angesehen werden?

Erlangen wir mit goldenen Ringen und Drachenschätzen jemals wahres Glück?

Wenn im Wald ein Ent umfällt und niemand es hört, kann man dann überhaupt von einem Geräusch sprechen?
"
 
Keiner der Texte ist dabei wirklich sperrig. Jeder kann ihn lesen und verstehen. Zum Glück muss der Leser nicht mit jedem der Erkenntnisse konform gehen. Manchmal reizte es mich zum Widerspruch und ich bekkene, gern mal mit dem einen oder anderen disputieren zu wollen (zur Not mit Burins zweischneidigem Argument). 
 
Klug finde ich folgenden Hinweis aus dem Vorwort, der auch für den Leser Richtschnur der Lektüre sein sollte: "Das heißt natürlich nicht, dass Tolkien all die verschiedenen Ideen und Theorien, die in diesem Band angesprochen werden, explizit behandelt hat. Unser Hauptziel bestand darin, die philosophische Bedeutung des Herrn der Ringe herauszustellen, und nicht, irgendeine verborgene philosophische Botschaft aufzuspüren."

Genau das sollte es sein. Und es gibt reichlich zu entdecken im Herrn der Ringe. Dieses Buch lädt dazu ein. Ich bin dieser Einladung (trotz einiger Vorbehalte - an denen das ZDF und die Oberstufe Schuld sind, vgl. auch nebenstehendes Zitat) gern gefolgt. Wer will, sollte dem Buch unbedingt eine Chance geben.
 
Und in der Tat: Der Herr der Ringe ist auch anch der Lektüre dieses Buch immer noch eine großartige Fantasygeschichte oder eine Legende in der gemeinen Sprache. Aber einiges liest man dann mit einem wissenden Schmunzeln...
 
Mein Rat: Wer den Herrn der Ringe mag, der findet hier wunderbare Herbstlektüre, die an Bilbos Geburtstag gelesen werden sollte. Und man soll - so man Raucher ist - eine Pfeife entzünden und sich unter die Leselampe setzen. 
 
Der Herr der Ringe und die Philosophie
(The Lord of the Rings and Philosophy)
herausgegeben von Gregory Bassham / Eric Bronson
Aus dem Amerikanischen von Susanne Held
288 Seiten / 19,90 €
ISBN: 978-3-608-93879-1
erscheint am: 31. August 2009

Hobbit Presse / Klett Cotta

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