Oh, meine Götter, Teil 2: Von wilden Hirten und griechischen Archetypen

Oh, meine Götter!Teil 2:
Von wilden Hirten und griechischen Archetypen

Wer trug eigentlich „Eulen nach Athen“?

Wurde Sisyphus je mit seiner Arbeit fertig? Und kam der Götterbote auch immer ausgerechnet dann, wenn der Empfänger gerade leider nicht Zuhause war?

Kleine Ausflüge in das Reich der griechischen Mythologie.

Gustav Schwab: Sagen des klassischen AltertumsAls die Generation von Menschen, die Prometheus geschaffen hat, schon längst verstorben ist, haust auf Erden das eherne Menschengeschlecht. Waren die ersten Menschen noch den Göttern ähnlich und in Einklang mit der Natur, sind die ehernen Menschen nicht so fromm und friedlich. Sie sind grausam und gewalttätig und befassen sich hauptsächlich mit Krieg und Streit. Daher stammt auch der Name „ehernes Menschengeschlecht“: die Waffen dieser Menschen sind aus Erz gefertigt, denn Eisen gibt es noch nicht. Wenn jemand von den Ehernen verstirbt (was meißtens im Kampf geschieht und nicht wie bei vorherigen Generationen in friedlichem Schlaf), landet er in der ewigen Nacht der Unterwelt.

Als nun diese nicht sonderlich sympathischen Gesellen auf der Erde leben, hört auch Zeus davon, wie schlecht die Menschen sich da tief unter ihm benehmen. Da man ja aber nicht einfach alles glauben soll, was einem so zu Ohren kommt, will Zeus sich das Ganze selber anschauen, und steigt zur Erde hinab. Dort angekommen muss er feststellen, dass es auf der Erde noch schlechter steht als in den übelsten Gerüchten behauptet. Einer der Menschen hat einen ganz besonders schlimmen Ruf: Lykaon, der König der Arkadier, einem ungehobelten Hirtenvolk.

Zu Lykaon und seinem Volk begibt sich Zeus also, und zeigt den Arkadiern erstmal ein bisschen was von seinen göttlichen Fähigkeiten, um sich Respekt zu verschaffen. Die Arkadier fallen staunend auf die Knie, König Lykaon jedoch nicht. Er ist wenig beeindruckt von Zeus´ Vorstellung, und sagt seinem Volk, er wolle erstmal prüfen, ob da nun wirklich ein Gott zu ihm gekommen sei oder nur ein Mensch. Eigentlich hat Lykaon aber einen ganz anderen Plan: Wenn der ungebetene Gast nachts eingeschlafen ist, will er ihn im Schlaf umbringen. Sicher ist sicher.

Aber zu einem Mordversuch soll es gar nicht erst kommen. Bevor Zeus sich schlafen legt, setzt ihm Lykaon eine geschlachtete und gebratene Geisel vor. Das durchschaut der Donnergott natürlich sofort und ist, wie nicht anders zu erwarten, alles andere als angetan. Lykaon hätte sich lieber zweimal überlegen sollen, wen er da verärgert, denn der wütende Zeus verbrennt zuerst die Burg des Akadierkönigs und verwandelt den fliehenden König dann in einen blutdurstigen Wolf.

Nun hat Zeus genug von seinem unerfreulichen Erdenbesuch und kehrt zum Olymp zurück. In einem schnell einberufenen Götterrat ist man sich einig: So geht es nicht weiter mit den Erdbewohnern. Zeus möchte am liebsten Blitze hinab schicken und den ganzen Haufen einfach ausrotten, aber niemand kann genau sagen, ob das nicht ernsthafte Folgen hat und so die ganze Weltachse Feuer fängt. Also beschließen die Götter, dass es sicherer und ebenso effektiv ist, die Erde zu fluten. Zeus sperrt den Nordwind und alle anderen Winde, die vorher die Wolken verscheucht haben, in einer Höhle ein. Schon bald geht eine gewaltige Regenflut auf die Erde nieder. Auch Poseidon leistet seinen Beitrag und sorgt für Hochwasser in allen Flüssen und Seen, sodass bald die ganze Erde nur noch eine einzige Wasserfläche ist. Die Menschen ertrinken, all ihre Häuser und Bauten werden zerstört.

Na, das kommt einem doch irgendwie bekannt vor mit der göttlichen Flut und der Auslöschung der Menschheit. Genau wie in der biblischen Geschichte werden auch im alten Griechenland nicht alle Menschen getötet, sondern zwei Glückliche überleben, die sich retten können. Prometheus´ Sohn Deukalion und seine Frau Pyrrha haben sich auf einem Schiff, dass Prometheus ihnen gebaut hatte, in Sicherheit bringen können. Verzweifelt versuchen die beiden, die Spitze des Parnassos zu erreichen, denn die ist das letzte Fleckchen Erde, das noch aus den Fluten herausragt.

Als Zeus nun diese beiden gottesfürchtigen und guten Menschen um ihr Leben kämpfen sieht, hat er ein Einsehen und schickt den Nordwind wieder herbei. Die Wolken werden weggeblasen, die Erde wieder getrocknet. Auch Poseidon legt seinen Dreizack nieder und die Meere bekommen wieder Ufer. Deukalion und Pyrrha können sich über das Ende der Flut allerdings nicht richtig freuen. Alles ist verwüstet und sie sind die einzigen Überlebenden. Hätte Deukalion doch nur seinen Vater gefragt, wie der das damals mit dem Erdklumpen und der Erschaffung des Menschen gemacht hat!

Vor einem halb zerstörten Altar der Göttin Themis sinkt das Ehepaar zu Boden, und beide beginnen zu weinen und zu klagen. Themis gilt als die Göttin der Ordnung und Gerechtigkeit und ist neben Kronos eine weitere Vertreterin der Titanen, also auch ein Kind von Uranos und der Urmutter Gaia. Mit ihrem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn kann Themis den Schmerz von Deukalion und Pyrrha nicht mit ansehen, und so ist vor dem schlammübersäten Altar plötzlich ihre göttliche Stimme zu hören. Sie rät den beiden, ihre Häupter zu umschleiern, die gegürteten Glieder zu lösen und die Gebeine der Mutter hinter sich zu werfen.

Ja, das hinterlässt auch Deukalion und Pyrrha erstmal ratlos. Was soll denn dieser seltsame Götterrat bedeuten? Doch nach einigem Rätseln weiß Deukalion, ganz der Sohn seines klugen Vaters, die Lösung: mit den Gebeinen der Mutter, so denkt Deukalion, müssen Steine gemeint sein, schließlich ist die Erde die Mutter aller und die Knochen der Erde sind doch Steine...

Immer noch etwas misstrauisch aber ohne echte Alternativen verschleiert Deukalion sein Haupt, nimmt seinen Gürtel ab und wirft ein paar Steine über seine Schulter. Und tatsächlich, aus den Steinen formen sich menschliche Körper. Die Steine, die Deukalion wirft, werden zu Männern und aus Pyrrhas Steinen werden Frauen. So kann Deukalion wie sein Vater vor ihm die Erde erneut mit Menschen bevölkern.

Mehr dazu in:  »Sagen des klassischen Altertums« (1838-1840) von Gustav Schwab

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