Harrison, Kim - Dead Witch Walking

Cover DEAD WITCH WALKING Dead Witch Walking
»The Hollows« Band I
von Kim Harrison

Mai 2004
416 Seiten, ca. 6,50 €
ISBN-10: 0060572965
ISBN-13: 978-0060572969
Harper Collins USA

»Hex And The City«

Sie überschwemmen den Markt derzeit zuhauf, Romane aus dem Bereich »Urban Fantasy«, oft mit Vampiren als Protagonisten oder Gegenspielern, aber es gibt noch eine weitere Schiene auf der momentan scheinbar alles fährt, was tippen kann: Privatdetektive, angelehnt an den Film Noir und den klassischen, einzelgängerischen Ermittler, zusätzlich gewürzt mit Übernatürlichem.

Auch »Dead Witch Walking« gehört in diese Kategorie. Rachel Morgan ist eine Hexe, die für eine Sonderabteilung der Polizei arbeitet, welche sich ausschließlich mit übernatürlichen Fällen befasst. Das ist in dieser Welt auch nichts ungewöhnliches, denn das Übernatürliche und seine Wesenheiten gehören ins ganz normale Leben und auch wenn die »normalen« Menschen weitestgehend unter sich bleiben, so gibt es doch eine gewisse Vermischung der Kulturen.

Der Roman beginnt damit, dass Rachel, die auf ihrer Arbeitsstelle von Vorgesetzten gemobbed wird, die Brocken hinwirft und sich mit einer Kollegin – zufällig Vampirin – als Privatdetektivin selbstständig macht. Doch den Dienst bei der »Inderland Security« quittiert man nicht einfach und ein Austritt kommt einem Todesurteil gleich...

Im Cincinnatti von Kim Harrisons Roman existiert ein Stadtteil namens »The Hollows«, der weitestgehend den »Inderlandern«, also den Übernatürlichen, vorbehalten ist. Hier zieht man in eine nicht mehr genutzte Kirche und es kann los gehen. Könnte es, aber dazu später mehr.

Im Gegensatz zu Ilona Andrews' Romanen (die ich an anderer Stelle im Zauberspiegel besprochen habe) erhält der Leser eine Einführung, was mit der Welt geschah und warum es zu der im Roman beschriebenen Konstellation kam:
In den 1960ern gab es genetische Experimente – an Tomaten – die außer Kontrolle gerieten und in einer Pandemie einen großen Teil der Weltbevölkerung auslöschten. Die »Paranormalen« traten als Retter in der Not in die Öffentlichkeit und waren in der Lage, eine grundlegende Ordnung wieder herzustellen. Seitdem leben die »Normalen« und die »Übernatürlichen« in einer Art labilen Frieden miteinander. Diejenigen ohne besondere Kräfte beäugen die neuen Mitbewohner zwar immer noch etwas misstrauisch, man erkannt aber ihre Leistungen während der Krise an.
Im Großen und Ganzen ist der Hintergrund unsere heutige Welt plus die Gesellschaft der Übernatürlichen, Harrisons »Hollows«-Reihe ist also ebenso »Urban Fantasy« wie alternative Geschichte.

Nach eigener Aussage legt Kim Harrison viel Wert auf Charakterisierung, dem kann ich uneingeschränkt zustimmen, leider führt das dazu, dass der Plot auf der Strecke bleibt. In weiten Passagen lässt der Roman einen roten Faden vermissen, der schimmert zwar immer wieder mal durch, aber allzu viel Wert wird auf die Beziehung zwischen Rachel und der Vampirin Ivy gelegt, allzu viele kleine Zwischenspiele führen dazu, dass »Dead Witch Walking« trotz aller erzählerischen Stärken inhomogen und zerrissen wirkt.
Ein weiterer Nachteil ist, dass der eigentlich Fall - üblicherweise ein zentraler Punkt in einer Detektivgeschichte – nur am Rande behandelt wird und davon abgesehen nicht besonders glaubwürdig daher kommt. Der Leser hat auch nichts zum Miträtseln, da man ständig mit der Protagonistin auf Augenhöhe ist, was das Wissen angeht. Wenn diese Vorgehensweise gut gemacht ist, dann sorgt das für zusätzliche Spannung beim Leser. Hier jedoch gibt es keine Schlüsse zu ziehen, weil Rachel die immer zügig selbst zieht und dem Leser das Rätseln erspart.

Man verstehe mich nicht falsch: »Dead Witch Walking« ist durchaus kein schlechter Roman, der Erzählstil ist lesbar (wenn auch mindestens in der ersten Hälfte nicht immer flüssig) und auch der Humor kommt durch die flapsigen Sprüche der Heldin – die aus der ich-Perspektive berichtet – nicht zu kurz.
Viele kleine Details aus der Welt der Übernatürlichen werden ebenso eingeflochten, wie Hinweise auf die Geschichte und auch diverse sehr originelle Ideen sind zu finden. Leider übertreibt Harrison hier an diversen Stellen etwas und man kann ganz klar sagen, dass dem Buch mit seinen knapp über 400 Seiten etwas Straffung gut getan hätte. 300 wären auch ausreichend gewesen.

In der zweiten Hälfte nimmt die Handlung Fahrt auf und der Schreibstil wird deutlich flüssiger, so als habe die Autorin in ihre Welt und zu ihren Protagonisten gefunden. Doch auch hier kommt es immer wieder zu Minidramen zwischen den Handlungsträgern, die sich oft aufgesetzt und fehl am Platze anfühlen.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich mir nicht darüber im Klaren bin, ob ich weitere Romane aus der Serie lesen möchte. Zum einen ist das Setting wirklich originell und auch die Hauptcharaktere sind interessant und sympathisch. Auf der anderen Seite brauche ich weder den dauernden »Zickenterror« zwischen Rachel und Ivy, noch unausgegorene Kriminalfälle und zahlreiche lose Enden in einem Roman, der sich als Detektivgeschichte verstehen möchte.

Auch die Welt, der Hintergrund, wird nicht komplett glaubwürdig durchgezogen: Trotz der Pandemie mit ihren zahllosen Toten gibt es zu viel, was wir aus unserer heutigen Welt kennen, darunter Popkultur (wie beispielsweise Star Wars), was nach den Geschehnissen um die Seuche eher unglaubwürdig erscheint, wenn man betrachtet, dass die Menschheit einige Zeit mit Überleben beschäftigt war. Es sollte deutlichere Abweichungen zu unserer Realität geben.

Ich rate niemandem vom Lesen von »Dead Witch Walking« ab, dafür gibt es zu viele wirklich nette Ideen und Charaktere, man muss sich aber auf Inhomogenitäten einlassen können. Vielleicht komme ich auch nur mit dem Stil nicht klar und andere finden großes Gefallen an den Abenteuern, denn in den Vereinigten Staaten scheint die »Hollows«-Reihe bei Lesern wie Kritikern sehr gut angenommen zu werden. Geschmäcker sind halt verschieden. Vielleicht ist es auch einfach nur ein »Frauenbuch«... ;o)

 

Mehr Urban Fantasy im Zauberspiegel:

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