Thiemeyer, Thomas: Die Stadt der Regenfresser – Chroniken der Weltensucher Band 1

Thiemeyer, Thomas: Die Stadt der Regenfresser – Chroniken der Weltensucher Band 1Die Stadt der Regenfresser
Chroniken der Weltensucher 1
von Thomas Thiemeyer
Loewe Hardcover
erschienen: Herbst 2009 (Deutschland)
448 Seite; 16,90 €
ISBN: 978-3785565742

Loewe

Mit »Die Stadt der Regenfresser«, dem Auftaktband der phantastischen Abenteuerreihe »Chroniken der Weltensucher«, wagt sich Thomas Thiemeyer, seines Zeichens Autor von Mystery-Bestsellern wie »Medusa« und »Nebra«, an den nicht immer leicht zu meisternden Bereich der All-Age-Romane.

Ein „Spagat zwischen Jugend- und Erwachsenenliteratur“ soll sein neustes Werk sein, wie im Nachwort des Buchs zu lesen ist.


Ohne Zweifel ein hochgestecktes Ziel, an dem schon so mancher Autor kläglich gescheitert ist. Nicht so Thiemeyer. »Die Stadt der Regenfresser« ist ein aufregender Abenteuerroman geworden, der Alt wie Jung gleichermaßen zu begeistern weiß.

Die Geschichte beginnt ganz unspektakulär im Berlin des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Hier trifft der Leser zum ersten Mal auf Oskar Wegener, den Helden der Geschichte. Wobei die Umschreibung „Held“ vielleicht ein wenig übertrieben ist: Zu Anfang des Romans ist Oskar nichts weiter als ein ganz gewöhnlicher Straßenjunge, der gerade im Begriff ist, einen reichen Herrn zu bestehlen.

Der trickreiche Raubzug gelingt, doch viel Freude hat Oskar nicht an seiner Beute. Ehe er sich versieht, hat ihn sein Opfer gestellt. Statt ihn allerdings der Polizei auszuliefern, macht ihm der Fremde, der sich als Carl-Friedrich Humboldt, illegitimer Sohn des berühmten Entdeckers Alexander von Humboldt, vorstellt, ein unglaubliches Angebot: Als eine Art „Mädchen für alles“ soll Oskar den wagemutigen Forscher auf seiner nächsten Reise begleiten.

Begeistert von der Aussicht, ein faszinierendes Abenteuer zu erleben, willigt der Junge ein. So kommt es, dass er schon bald Seite an Seite mit Humboldt, seiner Nichte Charlotte und der Voodoo-Priesterin Eliza eine Reise in den südamerikanischen Dschungel antritt. Hier stößt der ungewöhnliche Expeditionstrupp auf ein geheimnisvolles Volk, das seit Jahrhunderten im Verborgenen lebt und einige unglaubliche Erfindungen gemacht hat – und auf den unmenschlichen Feind dieses Volkes, dem es sich zu stellen gilt ...

Eigentlich hatte ich es schon aufgegeben, nach vernünftigen Abenteuerromanen Ausschau zu halten. So sehr mich die Werke von Arthur Conan Doyle oder Jules Verne auch begeistert haben, so wenig konnten mich moderne Machwerke bislang in ihren Bann ziehen. Doch die Zeit des vergeblichen Suchens ist vorbei; mit »Die Stadt der Regenfresser« ist endlich wieder ein Roman erschienen, der tatsächlich das bietet, was man von ihm erwartet: ein spannendes, höchst unterhaltsames und bis zum Schluss hin fesselndes Abenteuer.

Bevor ich mich gleich im Lob verliere, sollte ich vielleicht eine Sache anmerken, die vor allem erwachsene Leser interessieren dürfte: Man merkt dem Roman an, dass er sich in erster Linie an ein jüngeres Publikum richtet. Die Ausgestaltung der Handlung etwa fällt stets deutlich gemäßigter aus, als es die jeweilige Szene zu Beginn vermuten lässt. Duelle und mysteriöse Urwaldvölker sind zwar vorhanden, doch erfolgt deren Schilderung unblutig und ohne übertriebene Gewaltdarstellungen (was allerdings äußerst angenehm ist, wie ich finde). Auch die Protagonisten des Romans sind sehr einfach gehalten; wirklich originell oder markig charakterisiert ist keine der auftauchenden Figuren.

Das ändert allerdings nichts an der simplen Tatsache, dass der Roman auch erwachsenen Lesern ungeheuer viel Spaß macht.

Um bei den Protagonisten zu bleiben: Obwohl die einzelnen Personen recht einfach gezeichnet sind, hat Thiemeyer ein illustres und äußerst sympathisches Figurenensemble entworfen, das den Roman wunderbar trägt. Geradezu genial ist dabei, dass der Roman völlig ohne wahre Schurken auskommt. Ein Fakt, den man in der modernen Spannungsliteratur, wo Autoren in neun von zehn Fällen die Handlung in hochdramatischen Showdowns zwischen dem Helden und dem Oberfiesling kulminieren lassen, nur sehr, sehr selten findet. Wunderbar, dass sich Thiemeyer hier gegen gängige Konventionen entschieden hat!

Was die Handlung angeht, so nimmt sich die Geschichte einer Vielzahl klassischer Abenteuermotive an. Von dem ungewöhnlichen Expeditionstrupp, der in ein fremdes, schwer zugängliches Land aufbricht, bis hin zur Hängebrücke über die Schlucht, DEM klassischen Abenteuermotiv schlechthin, ist hier so manch bekannter Aspekt vertreten. Thiemeyer würfelt diese Motive aber auf ganz eigene Art und Weise zusammen, gestaltet sie anders aus, als man das aus klassischen Abenteuern kennt, und vermischt das Ganze mit einer Vielzahl eigenständiger Ideen. Ergebnis dieser Arbeit ist eine packende Erzählung, die reich ist an erstaunlichen Wundern und spannenden Momenten. Die Geschichte ist temporeich inszeniert, mit einer guten Portion phantastischer Elemente garniert und verfügt über eine äußerst stimmungsvolle Atmosphäre, die einen mühelos eintauchen lässt ins abenteuerliche Geschehen.

Das Gefühl, mit jeder Seite etwas Neues zu entdecken, das Gefühl, unmittelbar einem ganz großen Abenteuer beizuwohnen – Jules Vernes und Arthur Conan Doyle verstanden es vorzüglich, genau dies in ihren Romanen hervorzurufen. Mit »Die Stadt der Regenfresser« befindet sich Thomas Thiemeyer unmittelbar in der Tradition der beiden Großmeister, schafft er es doch, mit seinem Roman beim Leser eben jenes wunderbare Gefühl hervorzurufen, das die Lektüre von Romanen wie »Die verlorene Welt« oder »20.000 Meilen unter den Meeren« so packend gemacht hat. »Die Stadt der Regenfresser« ist zweifelsohne etwas einfacher gestrickt wie besagte Werke. Doch wenn es einen Roman gibt, der von sich behaupten kann, den Geist der großen Klassiker der Abenteuerliteratur wieder aufleben zu lassen, dann ist es zweifelsohne der Auftaktband der »Chroniken der Weltensucher«.

Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle die fantastische Aufmachung des Buchs. Das wunderbar gestaltete Cover ist äußerst ansprechend und lädt geradezu dazu ein, den Roman doch mal zur Hand zu nehmen. Im Innern des Buchs erwartet den Lesern dann eine eindrucksvolle Windkarte der Erde sowie ein kurzweiliges Sachregister. Hier haben sich die Verantwortlichen wirklich Mühe gegeben. Respekt!

Ob Jugendlicher oder Erwachsener: Thiemeyers neuster Roman – ein in sich geschlossenes Werk, das aber eine Fortsetzung mühelos möglich macht –  ist ein Buch, das man lesen sollte, egal, wie alt man ist. Wer klassische Abenteuergeschichten vor exotischer Kulisse liebt, der wird an »Die Stadt der Regenfresser« nicht vorbeikommen.

Unterhaltsam, abenteuerlich und fesselnd bis zum Schluss – ganz großes Kino, wie man so schön sagt. Da kann die Fortsetzung kommen!

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