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... Janet und Chris Morris über das Schreiben, Verlegen, Pferde, »Heroes in Hell« und Tempus Thales

Janet und Chris Morris ... Janet und Chris Morris ...
... über das Schreiben, Verlegen, Pferde, »Heroes in Hell« und - natürlich -Tempus Thales

to the English Original Janet Morris war in den Achtzigern und frühen Neunzigern eine der führenden Autorinnen von SF und Fantasy. Doch sie unterbrach ihre Schriftstellerkarriere für strategische Forschungen und eine Firma für nicht-tödliche Waffen.

Ende 2011 kehrte sie mit dem Roman THE SACRED BAND zurück und nun schreibt sie wieder zusammen mit ihrem Mann. Grund genug, das Ehepaar Morris zu befragen ...


The Sacred BandZauberspiegel: Moin Janet, du hast das Schreiben aufgegeben, um eine eigene Firma zu gründen und für die Regierung zu arbeiten. Aber was hat Dich dazu getrieben den schönsten Traumberuf der Welt dafür aufzugeben, den des Schriftstellers? Was hat dich nach so langer Pause wieder zum Schreiben gebracht?
Janet Morris: Wenn man Romane schreibt, kann man sich nie sicher sein, ob deine Arbeit die Welt zum Besseren hin beeinflusst. So habe wir damit begonnen, ein Konzept für nichttödliche Waffen zu entwickeln, haben die angrenzenden Technologie uns näher angeschaut, und haben mit der internationalen „Defense Intellectual Community“, dem Kongress, dem DOD und verschiedenen MODs gearbeitet, um die Schaffung nichttödlicher Waffenprogramme zu betreuen und zu  realisieren. Als ein direktes Ergebnis dieser Arbeit wurden die nichttödlichen Waffensysteme bei Kampfflugzeugen eingeführt, und diese Techniken haben im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts Leben bewahrt und retten auch noch heute Leben. Dies war und ist eine wichtige Arbeit, die weitergehen muss. Das Schreiben von Romanen war ein Weg um die Ereignisse der Welt zu beeinflussen, aber die Veränderungen der Kultur geschehen nicht mehr so einfach durch Romane wie dies vielleicht am Ende des 20. Jahrhunderts der Fall war. Der Aufbau unserer Welten und das Schreiben unserer Romane hat uns klar gezeigt, dass der nächste Schritt der westlichen Zivilisation der Einsatz des Nichttödlichen war: Ein neues Leitprinzip, aufkommende Projekte so lebensbewahrend wie möglich zu machen, und diese Technologie könnte dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen. Jetzt ist die Grundlagenarbeit bei den NLW getan: Die nichttödlichen Möglichkeiten und Technologien werden zunehmend mehr eingesetzt, und es gibt Aufgaben, die eine Ausweitung des Einsatzes notwendig machen. Dies macht eine nationale und dann internationale Nichttötungs-Politik unverzichtbar. Wir arbeiten noch immer in diesem Bereich der Verteidigung, das Potenzial dieses Konzeptes ist noch nicht voll ausgereizt, dennoch haben wir jetzt Zeit dafür, wieder Romane zu schreiben. Und es gibt neue Dinge, die wir zu sagen haben, die man besser in Romanen als in politischen Büchern sagen kann, denn in der Prosa kann man direkter über die menschlichen Dinge sein. Auch das Verlegen selbst hat sich verbessert, und wir haben jetzt mehr Kontrolle darüber wie unsere Bücher herausgebracht werden, über die Produktion – Druckgröße, Cover und Papier – und wie unsere Bücher präsentiert werden.
Chris Morris: Als wir in den späten 80’ern eine Auszeit vom Schreiben von Romanen nahmen, fragten die Herausgeber nach Material, das in ihre engen Sichtweisen von Fantasy und Science Fiction passten, und fragten nach so dummen Dingen wie „Blut auf jeder Seite“. Zur gleichen Zeit wurden unsere Hightech-Thriller (einige davon haben wir unter Pseudonym geschrieben) von Lesern aus dem Kreis der Armee ernsthaft und positiv aufgenommen und zeigten uns, dass wir vielleicht für die falsche Zielgruppe schrieben. Wir haben nie aufgehört zu schreiben, wir fanden nur einfach eine Leserschaft, die das, was wir vermitteln wollten, aufmerksamer aufnahmen und damit umgingen. Wir halfen dem Militär dabei sein Denken den Sicherheitsthemen der Zeit nach dem Kalten Krieg anzupassen, und konnten so unseren Lebensunterhalt besser bestreiten als durch das Schreiben. Was uns „zurück“ zum Schreiben gebracht hat, waren die Veränderungen im Verlegerbereich, die die Frustration über den traditionellen langamtigen Prozess des Verlagsapperates und die lästigen und schädlichen Einflüsse inkompetenter Lektoren ausgemerzt haben. Endlich können wir einfach nur eine Geschichte erzählen. Mit der Musik ist es das Gleiche.

Zauberspiegel: In deiner schriftstellerischen Karriere hast Du oft mit anderen zusammengearbeitet, Deinen Mann Chris, C. J. Cherryh und anderen. Da gibt man doch die Alleinherrschaft über seine Figuren auf und muss sie sich teilen, kann nicht seine volle Kreativität entfalten (oder doch?).
Was hat dich also immer wieder in die Zusammenarbeit mit anderen geführt? Wie verteilt sich zum Beispiel zwischen Dir und Chris die Arbeit?

Janet Morris: Wenn man allein schreibt, hat der Autor die volle Kontrolle. Und gemeinsam mit der Kontrolle kommen alle die blinden Flecke des Autoren: Die Handlung und die Geschichte werden von einer einzelnen Person bestimmt. Dies ist oft die richtige Wahl. Aber anders als  bei einem Bühnenautoren wie Shakespeare oder antiken Poeten wie Homer, können die meisten Autoren nicht hören, wie ihre Worte laut gesprochen klingen, um ihre Geschichte dann zu verändern, damit sie besser „funktioniert“. In der Zusammenarbeit mit Chris Morris kann ich von der anderen Stimme profitieren, und einem anderen Geist, der die Geschichte verbessert. Chris und ich haben einen Prozess, in dem jede entworfene Zeile laut gelesen und die Geschichte dann entsprechend nachbearbeitet wird. Ganz allgemein bedeutet das gemeinsame Schreiben, die Ideen und Forderungen anderer Menschen einzuarbeiten; dies führt zu lebensechteren Twists in der Handlung und bereichert die Perspektive. Im gemeinsamen Schreiben mit Christ Morris sprechen wir beim Abendessen und dem Abend selbst über die Geschichten und tauschen Ideen aus.  Ich schreibe den ersten Entwurf auf der Grundlage der Diskussion und der Ideen, die bei uns beiden aufkommen. Er liest jede Zeile des Erstentwurfs laut vor. Er ist ein brillanter Lektor mit einem Verständnis für das große Ganze, das die Geschichte auf dem rechten Weg hält. Wir nehmen die Veränderungen an dem Entwurf gemeinsam vor, während er vorliest. Ich übernehme meistens das Tippen, aber wir können nicht sagen, wer welche Idee hatte. Wir teilen alles, bis auf das Tippen. Wir haben unregelmäßig Kontakt mit anderen Autoren wie CJ Cherryh, aber wir haben ein Grundsatzverständnis für die Charaktere und Ziele der anderen. CJ und ich beispielsweise sind uns darüber einig, dass die Charaktere in einem bestimmten Abschnitt erreichen wollen; ich sage ihr, was sie meiner Meinung nach tun müsse, sie sagt mir was sie von mir braucht, und was sie tun wird. Und die Charaktere erledigen den Rest.
Chris Morris: Janet ist ein geborener Geschichtenerzähler. Sie hat das Gen. Sie ist ein Künstler des Eintauchens. Sie schreibt nicht nur einfach ein Expose. Janet „geht“ tatsächlich dorthin in ihren Charakteren, Personen, Erfahrungen und zeichnet das, was diese erleben, so „wie es geschah“; der Ablauf ist nur im Rückblick vorhersagbar, ein Artefakt einer realen Erfahrung, die miteinander verwoben werden. Sie sagte schon öfter, dass ihr Blick in diesen Momenten 360° beträgt. Sie sagt auch, dass sie dazu in der Lage ist, etwa die Hälfte dieser totalen Erfahrung mit zurück zu bringen. Mitarbeiter, mich selbst eingeschlossen, reisen mit dieser Welle mit, je nachdem wie sie dies können, und verringern dabei kaum ihren Einfluss. In der Tat ist das Netto-Ergebnis von Janets Talent die Einbindung, dass sie alle – Charaktere, Mitwirkende, Zuhörer und sich selbst – an Plätze mitnimmt, zu denen wir nur auf diese Weise kommen.

Zauberspiegel: Auch Deine Mitarbeit an der Thieves World zeigt, dass Du Kooperationen immer aufgeschlossen bist. Erzähl doch bitte einmal, wie Du dazugekommen bist. Wie lief die Zusammenarbeiten mit den Herausgebern und den anderen Autoren?
Janet Morris: Bob Asprin sah mich auf einer Convention und fragte mich, ob ich etwas für Thieves’ World® schreiben würde. Er sagte, Thieves’ World® wäre die Achselhöhle des Universums, und er wollte eine mutige Geschichte von mir. Er sagte, wir könnten einen Charakter eines anderen Autoren verwenden, aber wir dürften ihn nicht umbringen. Der erste Band der Thieves’ World® erschien, ich habe es gelesen. Bob und ich waren uns darüber einig, dass ich eine Geschichte für den zweiten Band „Tales from the Vulgar Unicorn“ versuchen würde. Ich sagte, ich hätte Charaktere von einer Kurzgeschichte, die ich zwar geschrieben, aber bisher noch nicht bei Verlagen angeboten hatte. Und ich berichtete von dem Ort namens Meridian, den ich erfunden hatte. Bob Asprin stimmte zu, dass ich diese Charaktere und den Ort einbringen, und sie mein Eigentum bleiben würden. Zu Beginn dachte ich, ich würde einfach nur die Geschichte “An End to Dreaming” mit Cime und Askalon in Meridian umschreiben (später von Stuart Schiff in “Whispers“ veröffentlicht, und im Buch “Tempus“, das in Deutschland bei Bastei Lübbe) erschienen ist.
Dann aber tauchte Tempus vor meinem inneren Auge auf. Ich habe eine völlig neue Geschichte für Bob begonnen, “Vashanka’s Minion” (die auch später in dem Buch „Tempus“ bei Bastei Lübbe erschienen ist). Die Geschichte handelt von Tempus und der Sanctuary®, dem Gott der Plünderung und Brandschatzung, Vashanka, der von Zeit zu Zeit den Körper von Tempus teilte. Viele antike Könige wurden die „Lieblinge der Sturmgötter“ genannt, und bei Tempus war Vashanka einer dieser Sturmgötter, und Tempus war der Liebling dieses Gottes. In “Vashanka’s Minion” reitet Tempus aus dem Dock hinaus, wo Askelon von Bord eines Schiffes ging. Tempus sagte „Askelon, verschwinde aus meiner Geschichte“. Also habe ich Askelon heraus genommen und habe ihn für später aufgespart; ich habe Aspect, den Erzmagier, ersetzt, ich habe diese Seite umgeschrieben und habe weiter gemacht. Wann immer ein Charakter damit anfängt dir die Geschichte zu erzählen, dann muss der Autor zuhören. Cime, die „Schwester“ von Tempus taucht später in der Geschichte auf. Bob sagte, ihm gefiel die Geschichte „Vashanka’s Minon“ sehr. Dann schrieb Lynn Abbey eine Geschichte, in der sie Tempus in einer rituellen Paarung benutztte; Bob fragte, ob er eine Geschichte schreiben könne, in der Tempus von einem Vivisezierer gefangen genommen wird; ich bat Andy Offutt darum, Tempus aus dem Griff des Vivisezierers zu befreien, und so begann die Zusammenarbeit ganz natürlich. Zunächst war die Zusammenarbeit zwischen Autoren und Herausgebern einfach; später wurde es wetteifernd und manchmal sogar angespannt. In Thieves’ World® endete es damit, dass die Autoren ihre Charaktere vor denen der anderen beschützten. Dies ist die Natur des Geschichtenerzählens und die Spannung produziert manchmal sehr gute Geschichten, und einige innovative Handlungsstränge geschehen, wenn Autoren versuchen, in ihren Geschichten Dinge zu tun, die andere Autoren oder deren Autoren herausfordern. Ich fand, das war ein riesen Spaß.
Chris Morris: Ich bin erst später offiziell in das Projekt der Thieves World® eingestiegen. Es war mit der Geschichte „What Women Do Best“, bei der ich Co-Autor war. Janet bestand darauf, dass ich für meine Arbeit entsprechend gewürdigt werde. Dies war die erste offizielle von mir und Janet gemeinsam geschriebene Geschichte, die veröffentlicht wurde. Später, fast zum Ende von  Thieves’ World® hin, habe ich auch eine Einzelgeschichte geschrieben.

Lawyers in HellZauberspiegel: Was dürfen sich insbesondere deutsche Leser unter „Heroes in Hell“ vorstellen? Worum geht es da. Kannst Du uns was darüber erzählen?
Janet Morris: Heroes in Hell (HIH) ist eine Buchserie im Stil einer Shared-World und basiert auf der Annahme, dass jede Vorstellung der Menschen über die Hölle tatsächlich wahr sind und irgendwo in der Mannigfaltigkeit der Hölle existieren: Charaktere aller Zeiten und Mythen sind zusammen in der Hölle. Alle Höllen der Menschheit und alle Fürsten der Hölle und Götter der Höllen sind real. Wenn die Verdammten in der Hölle erneut sterben, werden sie in der Hölle auf dem Tisch des Undertakers. Ihre Bestrafung wird ihren Sünden entsprechen. Keiner denkt, er würde in die Hölle gehören. Hölle hat eine riesige Bürokratie, Dämonen, gefallene Engel und verdammte Seelen jeder Form. Einige haben die Hölle zu komfortabel gemacht. Im neuesten Band, Lawyers in Hell (Anwälte in der Hölle), schickt der Himmel einige Auditoren hinunter in die Hölle um sicher zu stellen, dass das Unrecht auch angemessen verwaltet wird. Die Höllen-Serie hat bisher eine Geschichte veröffentlicht, die einen Hugo gewonnen hat, und zwei Mal wurden Geschichten für den Nebula nominiert. Sie haben sich über die Jahre hin gut verkauft, obwohl sie lange nicht nachgedruckt wurden. Viele Leute haben mich nach neuen HIH-Geschichten und Anthologien gefragt. So entschieden wir, dass wir neue Geschichten machen wollen, mit neuen Autoren und mit Hellions-Veteranen aus den alten Serien.
Der erste Band der neuen HIH-Bücher „Lawyers in Hell“ besteht aus 22 Geschichte von Hellions-Veteranen und neuen Autoren und geht am 15. Juli 2011 als Hardcover, Taschenbuch und E-Book in den Handel.
Für deutsche Leser, die ein feines Gespür für schwarzen Humor und Ironie haben, und die eine enge Verbindung zu ihrem Erbe haben, ist die Hölle, wie sie es erwarten würden: Die Krieger bekämpfen sich, die Diebe stehlen, die Betrüger betrügen, und nicht einmal die weitgreifende Bürokratie der Hölle kann mit den neuen Sünden mithalten, die täglich in der Hölle begangen werden. Wir haben viele Höllen, darunter die antike Hel oder Helheim der deutschen Tradition. In der Hölle haben wir antike und moderne Höllen und Menschen – die Alten Toten und die Neuen Toten: Helden und Gauner, und, am Wichtigsten, Überlebende.
Und wir hoffen auf bessere Tage, auf eine Befreiung aus der Hölle, auf die Wiedervereinigung mit unseren Geliebten. Es gibt einige, die nach Vergebung suchen, und andere, die versprochen haben, sich aus eigener Kraft vom teuflischen zu reinigen und einen Weg in den Himmel zu finden. Und es gibt eine “Get Out of Hell Free Card”, irgendwo, die genutzt werden kann, um aus der Hölle heraus zu kommen, wenn man sie denn finden kann…
Chris Morris: Theologisches Chaos durchdringt die gegenwärtige Gesellschaft, die das, was sie vorgibt zu vereinigen, trennen. Trotzdem, Themen philosophischer und religiöser Bedeutung verdienen es, in einem Konstrukt eines Systems untersucht zu werden, in dem es nicht nur einen „richtigen“ Glauben gibt. Heroes in Hell tragen einen in ein vielfältiges Leben nach dem Tod: Alle Höllen, die nie von einem Menschen einen Namen erhalten haben, ebenso wie Hel, fordern Fragen nach Bestrafung und Leid – verdient und/oder unverdient – das Empfindungsvermögen heraus. Heroes in Hell ist eine Umwelt, in der man die Kämpfe der Verdammten erforschen kann, für die Schwächen und Marotten der Persönlichkeit selbst-erzeugte Plagen und Qualen bleiben. Klingt das irgendwie bekannt?

Zauberspiegel: Wie ist das Konzept der Hölle in dieser Serie? Sind auch andere Unterwelten wie die Hel oder der Hades dort vertreten?
Janet Morris: Zum Konzept der Hölle: Heroes in Hell (HIH) ist der Serientitel meiner ersten Buchserie, die 1986 bei Baen Books veröffentlicht wurde. Sie bestand aus einer Anzahl von Anthologien und Geschichten, die inzwischen erschienen sind (dreizehn mit dem neuen Lawyers in Hell). Ich wollte, dass jeder Band für sich steht, und die Abenteuer von Menschen aus allen Zeiten enthält, die zusammen in die Hölle geworfen werden. Ich wollte nicht, dass die Leser die früheren Bände lesen müssen, um den aktuellen Band zu verstehen. Ich wollte nicht, dass ein einzelner Autor zu machtvoll wird, oder eine einzelne Handlungslinie dominiert. HIH war meine Idee, wie man das Konzept der Shared-World verbessern könnte: Wir wollten in einer vorgegebenen Örtlichkeit schreiben: Der Hölle. Die Hölle IST das größte Shared-Universe der Menschheitsgeschichte. Unsere Hölle könnte jede Hölle enthalten, die jemals von Menschen erdacht wurde, mit Ebenen und parallelen Dimensionen, die durchdringbar sind. Die Geographie und Zeit der Hölle sind fließend, die oberste Ebene der Landmasse hat allerdings in etwa die Größe von Australien. Da allein 186 Millionen Menschen durch Kriege im 20. Jahrhundert ums Leben gekommen sind, muss die Hölle gewaltig sein. Also haben wir sie gewaltig groß gemacht. Seelen aus der ganzen Geschichte und Mythologie können überall in der Hölle zusammen kommen. Und das tun sie, um dort lustige und erschreckende Abenteuer aller Art zu erleben. Einige Autoren haben durchgängige Charaktere, wie beispielsweise Satan, der in jedem Band auftaucht. Und einige Charaktere tauchen nur einmal auf und verschwinden in den Tiefen der Hölle.
In den Höllen des Universums von Heroes in Hell, ist jede Hölle zugänglich: Wir haben New Hell, unseren Schmelztiegel, wo jedes Mitglied jeder Kultur erwachen kann. Wir haben auf Niflheim, Hel, Hades, Diyu, Arali, Gehenna, Sheol, Jahannam, sowie jede andere Hölle:  Die Autoren können über eine bestimmte Region der Hölle schreiben, oder sie können Charaktere aus der einen Hölle haben, die andere besuchen. Jedoch müssen alle historisch oder mythologisch korrekt sein.
 Chris Morris: Ja, die Hölle ist ein Universum mit vielen verschiedenen Stockwerken mit der Größe etwa von Australien, wohin jeder kommt, der eines der Hunderte von Geboten gebrochen hat. Alle Unterwelten existieren hier, überlappen sich und überschneiden sich in interessanter Weise.

Zauberspiegel: Im Juli 2011 kommt Lawyers in Hell heraus. Ist das eine Wiederauferstehung oder ein Neustart? Was muss ich mir als unbedarfter Leser unter Lawyers in Hell vorstellen? „Boston Legal with the Devil”?
Janet Morris: Bei Lawyers in Hell wird man von Satan gegrüßt, der es sich erlaubt, vom New Hell Sunday Times Magazine interviewt zu werden. Man wird sich selbst dann unter den Fürsten der Hölle wieder – und Auditoren des Himmels, die in die Hölle hinab gesandt werden, um sicher zu stellen, dass die Hölle wirklich höllisch ist. Dann benutzt man einen der höllischen Aufzüge. Danach besucht man die römische Enklave in New Hell, wo die Allermächtigsten sich treffen, so wie Julius Cäsar, Hatshepsut, Dante und Machiavelli. Und von hier aus geht es in einer wirbelwindartigen Tour vieler Höllen und vieler Verdammten, die versuchen, ihre höllischen Körper und Seelen zusammen zu halten, und den schrecklichen Auditoren des Himmels zu entgehen.
Chris Morris: Lawyers in Hell ist eine Wiederaufnahme der Serie Heroes in Hell, die von Janet Morris geschaffen wurde. Die Seelen aller Äras werden versammelt, um ihre Karrieren unter den wachsamen Augen seiner Satanic Majesty (HSM) und aller anderen Götter und Fürsten der Hölle aus der Menschengeschichte und Mythologie. Die gesammelte Hölle wartet.

Zauberspiegel: Ihr habt für Lawyers in Hell eine ganze Reihe Autoren versammelt (darunter auch Scott Oden und John Manning, die beide für den Zauberspiegel international schreiben). Wie habt ihr diese Autoren gesucht und gefunden? Wo und wie koordiniert ihr diese Zusammenarbeit?
Janet Morris: Der Buchtitel “Lawyers in Hell” wurde von Ed Mckeown, einer unserer Hell Autoren vorgeschlagen. Es basiert auf einer Anmerkung von mir, die ich auf der Heroes in Hell Seite gemacht habe.
Ich habe den neuen Roman, "The Sacred Band" und "The Sacred Band of Stepsons", auf Facebook publik gemacht, also schien die Idee von mehr Ausgaben in der Hell-Reihe eine gute Idee.
Ich habe drei meiner Lieblingsautoren von der ursprünglichen Hell-Reihe, CJ Cherryh, Nancy Asire und Michael Armstrong angerufen, und gefragt, ob sie zu einer neuen Serie Hell-Geschichten beitragen würden.
Sie sagten „Hell yes.“ Mit Hilfe von Ed McKeown und Rich Groller schufen wir ein „geheimes“ Arbeitsumfeld auf Facebook, die „Lawyers in Hell Arbeitsgruppe“, und legten Regeln für Teilnahme fest.  Es sprach sich schnell herum. Wir hatten von der Facebook Gruppe "The Sacred Band" Rekruten angeworben, und dort fanden wir Larry Atchley, Jr., Sarah Hulcy und John Manning.
Den Autoren wurden erklärt, dass sie andere Autoren nominieren können, die sie unter uns haben möchten. Unsere Gewohnheit war immer, ein oder zwei vorher unveröffentlichte Autoren in jeder Hell Ausgabe zu haben, und wir haben einige davon in „Lawyers in Hell“. Als sich Michael Z. Williamson uns anschloss, schlug er einen neuen Autor vor, Leo Champion, und und andere Autoren schlugen noch wietere Autoren vor. Unsere Hellions - jene Leute die eine Hell Geschichte beitragen - brachten uns neue angehende Hellions, und die Autorengruppe für Hell breitete sich immer weiter aus.
Wir koordinieren die Autoren durch das Posten von Inhaltsangaben, Geschichteauszügen, Figurenlisten und eine Autoren-Chat-Gruppe, all diese wird von unser Gruppenmuse, Sarah Hulcy, geleitet. Wir haben viele Hintergrunddokumente.  Wir genehmigen eine kurze Synopse und eine Liste der Figuren, und die Autoren posten Proben von ihrer Arbeit. Wenn andere Autoren Probleme sehen oder Vorschläge haben, hört jeder darauf. Bis jetzt haben wir nur drei Geschichten zurückgewiesen, und diese waren von Leuten, die abgeneigt waren, sich die Zeit zu nehmen, die Regeln von unserer Hölle zu lernen. Die Autorengruppe ist eine feste und kooperative Gruppe und das Resultat ist „Lawyers in Hell“, die uns sehr gut gefallen hat.
Chris Morris: Freunde (und Feinde) der Freunde (und der Feinde) sind meistens durch Facebook eingeführt worden, die uns auch als Koordinationswerkzeug gedient haben.

Zauberspiegel: Was ist der nächste Schritt in der Hölle?
Janet Morris: Die nächste Hell-Ausgabe, wo viele Geschichten bereits eingereicht worden sind, ist “Adventurers in Hell,” die Ausgabe danach ist “Visionaries in Hell,” und danach kommt “Swashbucklers in Hell,” und so weiter. Einige Autoren haben bereits Geschichten für viele dieser Ausgaben geschrieben, einige fangen gerade erst an. Erst vor kurzem haben sich zwei deutsche Autoren unseren Reihen angeschlossen, und wir hoffen, Geschichten von ihnen in “Adventurers in Hell” zu bekommen. Der Stichtag für “Adventurers” ist 1. Oktober 2011.
Chris Morris: “Adventurers in Hell” ist jetzt voll unterwegs, Ponce de Leon und Lysicles, Alexander, Solomon, Andromeda, sowie auch der Babylonischer Pestgott Erra und seine sieben, verkörperten Waffen, plus jede Menge moderner Persönlichkeiten. Am Anfang von “Lawyers” fragten wir, ob die Hölle nicht der gebürtige Lebensraum einer alten und eingeborenen Rasse sein könnte. Die Antwort war die Einleitung von Kur und Eshi von Ki-Gal, die Gegend, das die Gebiete von Infernity umgibt (die legendären Höllen).  Die Kigali sind so was wie „Hauswarte“ der Hölle und präsidieren über seine Grenzen. Sie bieten Zugang und begleiten Besucher nach und von den Reichen der Verdammten.

Zauberspiegel: Das Comeback von Janet und Chris Morris war aber ein Tempus-Roman. The Sacred Band. Warum habt ihr euch für das erste Buch nach so langer Zeit ausgerechnet ihn ausgesucht?
Janet Morris: Tempus und seine Heilige Truppe sind meine Lieblingsfiguren. Was Tempus sagt, wie er die Welt sieht und was er glaubt, sind für mich sehr wichtig. Sein Ethos und Standpunkt sind meiner Erfahrung nach einzigartig. Tempus hat mich vom Anfang an, und jetzt wieder, gewählt um seine Geschichten zu erzählen.
Er ist eine völlig verwirklichte Anwesenheit, die auf die eine oder andere Weise über 30 Jahre bei mir gewesen ist, seit seiner ersten Geschichte 1980: Nach so vielen Jahren flüsterte er in mein Ohr, dass er noch einen Roman wünschte, und das woüber und wo. Und als ich zuerst nicht zuhörte, wurde das Flüstern noch hartnäckiger.  Wenn Tempus spricht, ist es besser zu befolgen was er es sagt. Und noch einmal war ich im nahen Kontakt mit Tempus, und seiner Heiligen Truppe: Niko, Critias und Straton, Randal und Cime und Jihan und die Anderen ... Ihr Ethos, Kraft und Entschlossenheit haben mich einfach überwältigt. Meine ganze Freude und Interesse für sie und Beziehung mit ihnen kamen zurück, und wir waren auf dem Weg in diesem Abenteuer, das der Roman “The Sacred Band” wurde.
Tempus betrachtet die Welt von einen exklusiven Standpunkt. Er sieht alle menschlichen Schwächen und alle Schwächen von ihren Göttern.  Er holt mich in jeden Moment hinein und erlaubt es mir, mich der natürlichen Welt in ihrem ursprünglichsten Sinne anzuschließen. Wie Niko, obwohl er es nie zugeben würde, liebt Tempus die Welt und alles in ihr; seine Wut ist gegen die Unvollkommenheiten der Menschheit gerichtet, dennoch schätzt er die Leben seiner Leute über alles.
Er ist die scharfsinnigste Figur, die ich je gehabt habe. Was er über das Leben sagt und wie wir durch es steuern, führt hinein zum Wesentlichen der Führungskunst angesichts der Wirklichkeit. Er ist genau so relevant in der modernen Welt wie auch in der alten Welt. Manchmal ist er Heraklit, manchmal ist er eins mit Enlil, dem Sturmgott der alten Zeiten; aber er ist immer ganz und gar er selbst, und sieht selbst die Welt als das, was sie ist, aber er versteckt sich niemals davor. Er liebt das Leben mit einer Heftigkeit, die sogar seinen alten Geist überwindet. Sein Standpunkt ist sein eigener, einzigartig in meiner Erfahrung in der Welt und in der Literatur. Ich bekomme Kraft von ihm, dass ich auf keine andere Weise bekommen kann. Wenn ich ihm schreibe, bin ich ermächtigt wie ich zu keiner anderen Zeit.
Chris Morris: Tempus ist zeitlos (daher der Name) und immer präsent, manchmal aufdringlich. Um so älter wir werden, wird seine Perspektive immer mehr intuitiv und seine Beobachtungen immer mehr relevant für die moderne Zeit. Kurz gesagt, es ist jetzt seine Zeit, und er - und wir - wissen es.

Zauberspiegel: Tempus und Conan of Cimmeria haben etwas gemeinsam. Beide lassen sich nicht schildern, sondern führen dem Autor die Feder. Wie ist es mit einem solchen selbständigen Charakter zu arbeiten?
Janet Morris: Arbeiten mit Tempus ist anstrengend, aber spannender als das Schreiben auf andere Weise. Obwohl ich die Natur jedes seiner Abenteuer kenne, weiß ich oft nicht, was die Auflösung von einigen seiner Konflikte ist. Somit ist es sehr aufregend für mich, mit ihm zu arbeiten. Er drängt sich durch die Abenteuer, und ich folge und probiere mitzuhalten, so gut ich kann. Die Erfahrung seiner Realität ist komplett für mich und ich versuche, das mit dem Leser zu teilen. Ich gehe, wohin er geht, ich kann diese Welt komplett sehen, fühlen, hören, riechen, schmecken, und 360 Grad sehen. Es besteht kein Zweifel, wer seine Geschichten steuert: er tut es. Manchmal ist, was er denkt oder tut oder sagt, anders, als es moderne Menschen denken, tun oder sagen würden, aber das macht ihn einzigartig.
Chris Morris: Robert Asprin hat einmal Janet gefragt, warum ihr Figuren "so groß sein müssen?" So eine vollwertige Persönlichkeit, die begeistert darauf wartet alles zu tun, ist ein Segen für einen Schriftsteller. Verfolgt man solchen Figuren für eine Weile, dann trainiert man diese Qualitäten in anderen Figuren zu erkennen, bis die gesamte Konzeption der Charakterisierung wächst und Vorteile erziehlt.

Zauberspiegel: Tempus hat seine Wurzeln im antiken Griechenland? Wo agiert er überall und wie gelangte er in die Thieves World? Wo will er hin? Was hat er noch vor? (Keine Angst, ihn fragen wir auch noch danach)
Janet Morris: Tempus ist sehr mit dem 7. bis 4. Jahrhundert v. Chr. des antiken Griechenland verbunden; das Konzept des Heiligen Trupps, ist eine die von Platon in seinem Symposien diskutiert und von den alten Theben in 379 BCE umgesetzt wurde. Tempus Ideen und Ideale sind im Einklang mit der griechischen Kultur, doch in gewisser Weise ist Tempus auch den alten akkadischen, sumerischen und hethitschen Ideen - durch den Sturmgott Enlil - verbunden.
Tempus kam zu mir in einer Zeit, als ich vor-sokratische Philosophen las und viel Zeit mit dem intellektuellen Abenteuer der Antike verbrachte: er ist tief mit Teilen der Geschichte und Philosophie des Heraklit von Ephesos verbunden. Diese Parallelen beginnen mit ihrer frühen Geschichte, und Tempus verwendet oft Zitate  von Heraklit wie seine eigenen Worte. Sie teilen Epitheta und die Erfahrung: Beide wurden "Der Undeutliche", "Der Rätselmeister", "Der Schwarze" genannt. Tempus sagt in seiner ersten Geschichte, dass der Gott ihn durch ein inter-dimensionales Tor gestoßen hatte, und so kam er in der Welt an, die Sanctuary® enthielt, nachdem der Sturmgott angesucht wurde, ihn vor dem Fluch eines Zauberers zu schützen.
Über der Reihe, die wir “Sacred Band of Stepsons“ nennen, Romane und die Geschichten, wagt sich Tempus weit über die Sanctuary hinaus, aus dem Universum von Thieves' World® und sogar nach New York City. Als Tempus Besitz von Lemuria nahm, ließ er seinen damaligen verstreuten Heiligen Trupp wieder aufleben. Er hat jetzt einen Stützpunkt in Lemuria, von wo aus sich er und sein Trupp an vielen Orten und Zeiten wagen können. Und er baut eine neue, größere Streitmacht für einen nicht genannten Zweck.
Chris Morris: Tempus umfasst die ganze Antike. Seine Begleiterin, Cime, befindet sich in ähnlicher Orientierung in Zeit/Geschichte, ebenso wie Askelon von Meridian. Tempus fühlt sich wohl mit der klassischen griechischen Periode und der Verbesserung von Kriegstechnologie. Er schreibt Paarverbindungen vor, um den Kern seiner Kämpfer zu stärken. Obwohl er zögert, um sein Verhältnis zu Heraklit von Ephesos zu beschreiben, sind Tempus Beobachtungen über das Verhältnis des Menschen zum Unendlichen, genau in der vor-Sokratischen Schule des Denkens zu finden.

Zauberspiegel: Der Name Morris hat mit der SF begonnen und ist dann zur Fantasy gekommen. War da auch mal der Wunsch sich mit einem Thriller oder Horrorroman zu versuchen und fühlen sich Janet und Chris dort wo sie sind so zu Hause, dass es keinen Grund gibt, sich in anderen Genres auszuprobieren?
Janet Morris: Wir haben einige andere Romane geschrieben, außerhalb der SF/Fantasy Tradition. Manchmal unter Pseudonymen, manchmal nicht. Wir haben einen historischen Roman geschrieben, mit dem Titel "I, the Sun" von Janet Morris, und ein Buch mit dem Titel "Warlord", der heute als ein High-Tech-Thriller bezeichnet werden würde. Wir haben mehrere Romane unter Pseudonymen geschrieben. "I, the Sun" ist ein biografischer Roman. Es handelt sich um Suppiluliumas, König des Hethitischen Reiches, in der Zeit der Pharaonen Amarna. Zusammen mit den Tempus Bücher bleibt er ein Liebling von uns, und meine Zeit mit Suppiliumas war vorahnend oder parallel zu der Entwicklung der Tempus.
Chris Morris: Thrillers (High-Tech), ja, Horror Nein. Unsere nicht-sf/Fantasie Romane sind unter anderem "The 40-Minute War", "M.E.D.U.S.A.", "Warlord!" (C&JM), "COBRA" (Daniel Stryker). "Asset in Black" (Casey Prescott) wurde lediglich als „Roman“ veröffentlicht. Janet Morris "I, the Sun" wurde als ein „historischer Roman“ veröffentlicht. Diese waren unsere ersten Versuche, dem SF Ghetto zu entkommen.  "The 40-Minute War" verursachte ein Problem für Baen Books, da es wunderbare Kritiken bekam, aber S&S hat behauptete, es sei nicht SF (trotz des Zeitreise Themas) und S&S hat entschieden, Jim Baen zu bestrafen, für das Überschreiten der Linie in den Mainstream mit den Titeln, die wir für ihn geschrieben haben.
"M.E.D.U.S.A." (1985) sagte die Wiedervereinigung von Deutschland voraus, zur Belustigung des ehemaligen Direktors des Nachrichtendienstes, Ray S. Cline, der uns sagte, unsere Geschichte sei "... ein gutes Seemannsgarn, aber es [die Wiedervereinigung] wird niemals zu unseren Lebzeiten geschehen." Als die Mauer fiel, ließ Ray uns voraussagen, was zunächst geschehen würde, und was die Doktrin die Eindämmung des Kommunismus ersetzen würde. Das war der Anfang unserer Termine als Forschungsleiter und emeritierte Mitglieder an einer Washington-Denkfabrik und des nicht- tödliche Waffen und Verteidigungsgeschäfts.

Janet and her horse ChristineZauberspiegel: Ihr züchtet Pferde. In der Wikipedia heißt es, dass Janet a horse women ist. Blickt man nun auf die Fantasy gibt es unglaubliche Dinge, die Pferde vollbringen. Oder ein Barbar reitet im Lendenschurz ohne Sattel. Was sagt ihr zu solchem Blödsinn? Woher kann man sinnvolles Wissen um Pferde bekommen, so dass einem Autor solche Fehler nicghht mehr unterlaufen? Nur durch den Umgang mit ihnen? Soll man Autoren, die sattelloses Reiten mit nackten Oberschenkeln empfehlen mal so auf ein Pferd setzen?
Janet Morris: In der Fantasie können Pferde manchmal unglaubliche Dinge tun.  In "The Sacred Band of Stepsons"-Reihe, holt Abarsis, der Schlachter-Priester, von Tempus zwei der mythologischen „Tros-Pferde", gezüchtet von Zeus und Tros geschenkt, dem Gründer von Troja. Sie waren ein Trost, nachdem Zeus Ganymed, Tros's Sohn nahm, um sein Geliebter zu sein.
Tros Pferde sollten so schnell sein, dass sie auf Wasser laufen konnten, Diomedes und Odysseus in der Ilias versuchten, sie von den Trojaner zu stehlen. Ein anderer Mythos erzählt von den Stuten von Diomedes; auch Herakles fütterte seine Tros-Pferde mit menschlichen Fleisch.  Achilles Pferde, Xanthus und Balios, konnten die Zukunft sehen. Einige Pferde in der Ilias konnten sprechen, bis die Götter sie stumm machten. Aber diese Schriftsteller kannten und verstanden Pferde.
In der modernen Fantasie können Pferden unmögliche Attribute gegeben werden.  Autoren tun manchmal Sachen mit Pferden, die kein Pferd tun würde oder könnte, selbst wenn sie besonders begabt sind.
Ich reite seitdem ich vier Jahre alt bin, und ich war bei meinem ersten Reitturnier im Alter von fünf Jahren. Ich habe meinen eigenen Pferdestall gereinigt, meine eigenen Pferde gepflegt, meine eigene Pferdezucht betrieben, bin mit Pferden geschwommen und habe Springreiten gemacht.
Ich bin bis zu einem Jahr lang ausschließlich ohne Sattel geritten: Die Reitkunst ist eine lebenslange Studie. Wenn man über Pferde schreiben möchte, würde es gut sein, erst einmal einige zu reiten, eine Trainingstunde zu nehmen, einen Stall oder zwei, zu reinigen, ein Pferd zu pflegen, einen Schwanz zu waschen, eine Züchtung aus der Nähe anzusehen. Wenn man dies nicht machen kann, dann liest man mindestens die alten Experten: Kikkuli, der Hittite-/Mitannian Experte, der uns unser erstes Pferdetrainings-Handbuch gab, über die Ausbildung des Streitwagenpferdes, Xenophon's Buch über den Rat an den Kavallerie-Kommandanten. Lest einige andere Bücher wie „Warhorse“ „Cavalry Operations in Ancient Greece;“ Hippeis Bücher. Ein Buch genannt „Early Riders“.
Das Verhältnis zwischen Pferd und Mann ist alt und ohne Worte. Intellektuelle Verbindungen mit einem Pferd sind ähnlich wie eine Verbindung zur Natur. Pferde mit den Menschen als Partner haben die Entwicklung der Zivilisation angetrieben.
Reiten ohne Sattel: Die Menschen des Altertums taten es, bevor der Sattelgurt und die Auflage erfunden wurde, man kann es auf Wandanstrichen und Schnitzarbeit und frühere Statuen sehen, aber es ist nicht einfach: das Pferd schwitzt, wo man sitzt, und die Haut wird wund und abgehärtet. Der Reiter ohne Sattel hält seine Zehen nach unten, nicht nach oben, wie der Reiter mit Sattel. Er sitzt auch weiter hinten auf dem Pferd. Das Kämpfen vom Pferderücken mit Schwert, Spieß oder Bogen ist ein sehr schwieriges Thema. Viel wurde darüber geschrieben. Ohne Sattel ist Gleichgewicht notwendig. Bevor Steigbügel für die Hebelkraft erfunden wurden, war das Kämpfen und Reittechniken anders als seitdem es Steigbügel gibt.
Wir würden vorschlagen, dass ein Autor, der Pferde in einer Geschichte verwendet, einige grundlegende Sachen versteht: Es verbraucht weniger Kalorien, wenn ein Pferd zu trotten, als es langsam zu galoppieren oder laufen zu lassen. Pferde brauchen Futter und Wasser. Pferde mögen es nicht, einem festen Gegenstand entgegen zulaufen. Pferde gehen, wohin man mit den Augen schaut, Pferde können krank werden und sterben, wenn sie zu hart laufen müssen oder das falsche Futter erhalten, oder zu viel gewässert werden, nachdem sie sich heiß gelaufen haben. Pferde sind lebende Wesen, mit denen wir uns am Besten über unsere Wünsche mit unseren Körpern und nicht mit Wörtern oder Brutalität verständigen. Pferde sind stärker als wir, haben aber zwei grundlegende Modi: Flucht oder Kampf.
Sobald ein Verhältnis zwischen Pferd und Reiter aufgebaut wird, ist dieses Verhältnis lebenslänglich. Pferde haben Fähigkeiten und Persönlichkeiten: Jedes Pferd ist anders, wenn man abhängig von einem Pferd ist, um sein Leben zu retten oder eine Arbeit zu erledigen, ist diese bestimmte Persönlichkeit genauso wichtig, wie die Persönlichkeit jedes menschlichen Verbündeten oder Gegner.
Chris Morris: Die Reitkunst zu meistern ist ein Weg, sich selbst zu meistern. Pferde symbolisieren, unter anderem, den Teil der menschlichen Psyche, die überwältigend und non-verbal sein kann, dramatisch bereichernd oder katastrophal unbeherrschbar - unsere emotionale Natur. Die Bewunderung für die Schönheit der Pferde, die Stärke und ihren Vornehmheit ist universell, vielleicht ein Ergebnis von Äonen der Domestizierng und des Züchtung durch Auswahl beider Spezies. In den Geschichten des Secret Band dienen sie als Kriegsmaschinen, Transportvehikel, und Kampfpartner, die mit ihnen reiten.
Ein Autor, der versucht die Pferde zu porträtieren, sollte erst einmal eigene Erfahrungen mit Pferden machen, den Versuch unternehmen mit ihnen zu interagieren (unter Aufsicht), um hoffentlich zu erfahren, wie erhebend die Verbindung mit ihnen ist, um gewisse Ziele zu erreichen. Pferde sind ausgeprägte Persönlichkeiten und dazu in der Lage, ein ganz bestimmtes Verhalten zu entwickeln, ganz entsprechend ihren menschlichen Gegenüber. Wenn möglich, streiche mit der Hand über das Pferd und mache dir die Ausmaße seines Körpers und seine Umrisse bewusst. 
Wenn man keine Möglichkeit hat, Pferde zu erleben, sollte man bei Youtube.com nach “Doug Sande” suchen, und sich 2 Videos ansehen: ‘Privilege Part 1’ and ‘Privilege Part 2. In diesen Videos reitet Doug einen Hengst, den wir gezüchtet haben (named ‘Privilege’) und erzählt. Er berichtet, was er vom Pferd möchte, während er es reitet. Man sollte auch Stacy Westfalls Videos ansehen, in denen sie ohne Sattel oder Zaumzeug reitet. Ach ja, und man achte auf Stacys Lendenschurz.

Zauberspiegel: Da wir gerade bei Fehlern sind. Da passiert ja allerhand dummes Zeug. Segelschiffe fahren wie Motorboote gegen den Wind aus einer Bucht. Poul Anderson aht einen wunderschönen Aufsatz zum Thema geschrieben. Achtetest Du beim Schreiben darauf, die Fantasy in ein realistisches Umfeld einzubetten und solche Fehler zu meiden?
Janet Morris: Wir versuchen sehr stark, unsere Fiktion so realistisch wie möglich sein zu lassen. Zu diesem Zweck forschen wir ins Detail, und wir nutzen die natürliche Welt sowie die heutige Technologie, ebenso die kulturellen Annahmen der Charaktere, so korrekt wie wir es können. In der Fantasy mögen die Regeln für die physikalische Welt etwas anders sein als in der reinen historischen Romanliteratur oder in modernen Geschichten, aber die Welt sollte immer noch nach den Regeln der Konstruktion funktionieren – vor allem, wenn man die Regeln der Physik, wie sie der moderne Mensch versteht, verändert. Der Mensch der Antike verstand man Physik vollkommen anders als der heutige Mensch, und ihre Welt war auf ihren Annahmen zur Natur des Universums gegründet. Wir versuchen immer, Beobachtung und Logik zu nutzen, um die Geschichte durch das Konstrukt zu steuern. Die lauten Geräusche in Filmen beispielsweise, die man während Schlachten im Weltraum hört, sind einfach unmöglich: Geräusche werden im Vakuum nicht weiter getragen. In einer Geschichte der Thieves’ World beispielsweise stahl ein Autor Tempus Hengst für einen Abend, und steckte ihn mit einer Stute in einen Pferch, und sie paarten sich erfolgreich. Tempus erhielt sein Pferd zurück, und die Stute brachte ein Fohlen zur Welt. Für diesen Erfolg hätte die Rossigkeit der Stute perfekt getimed sein müssen. Pferde sind nicht immer zur Paarung bereit, und wenn sie es nicht sind, werden sie kämpfen, wenn man sie zusammen steckt. Dieser gedankenlose Einsatz der Realität ruinierte die Geschichte für mich. Meine Charaktere haben kulturelle Normen, Gewohnheiten und die physikalische Realität ihrer Welt, die ihr Verhalten formen. Ich achte sehr auf Details, wie die Welt funktioniert, auf das Wetter und die Temperatur, und welche Auswirkung dies auf die Charaktere haben würde. Meine Charaktere erleben, was die natürliche Ordnung erfordert. Ich recherchiere die Technologie der Periode, egal ob es sich um Fantasy handelt oder historisches oder eine Mischung aus beidem (was ich gerne mache, die antike reale Welt mit der antiker Fantasie und manchmal auch moderne mischen). Ich tendiere dazu Fantasy mit der Annahme zu schreiben, dass die Götter für die Menschen jener  Zeit real waren, auch Zauberei schien ihnen real zu sein, und die unterschiedlichen Level der Technologie waren bestimmten Menschen zugänglich. Je realistischer man die Umwelt des Charakters gestaltet – und das Verhalten der anderen Charaktere – desto besser wird die Geschichte sein.
Chris Morris: Wir streben nach Hyper-Realismus, um die Spannung des Unglaubens im Leser zu erzeugen. Als eine Faustformel versuchen wir etwa 90% mehr Details zu wissen, als wir in einer Szene einsetzen. So übermittelt die Erzählung implizit den Schauplatz, ohne den Leser mit überflüssigen Details oder abschweifendem Herumwandern abzulenken. Wir minimieren das ganze Technik-Geplapper. Wir geben nicht an damit, wie viel wir wissen. Das ist langweilig. Wir versuchen nicht, das Buch mit so genannten „neuen“ Theorien in der Wissenschaft in Beziehung zu bringen. Wir machen unsere Hausaufgaben, um sicher zu stellen, dass die Physik passend angewandt wird, und dass das, was geschieht, plausibel und logisch ist. Auch wenn die Geschichte Fantasy ist, haben wir dennoch Regeln für das, was in der Physik der Welt getan werden kann.

Zauberspiegel: Wie siehst Du das Genre Fantasy heute im Vergleich zu dem Zeitpunkt, als Du Dich anderen Aufgaben zugewandt hast und jenem Zeitpunkt als Du Fantasy selbst nur gelesen hast?
Janet Morris: Die Fantasy heute ist den Weg der meisten Romane gegangen: Es ist dabei, sich selbst zu zerstören. Und ein Roman, egal ob Fantasy oder Mystery, historisch oder Horror muss zunächst als gesamter Roman erfolgreich sein: Ein Roman muss heute alle Elemente von Spannung, Tragödie, Romanze, Abenteuer, Komödie und Philosophie – all das muss in einer Geschichte beinhaltet sein, die den Anspruch erhebt, ein Roman zu sein.
Wer einen Roman in einem Genre schreibt, der sollte nicht versuchen, den Autoren aus den Anforderungen der anderen Genres zu befreien. Es ist wichtig, belesen zu sein und gute Fantasyliteratur zu kennen, die mythologische und legendäre Geschichten beinhaltet (beispielsweise von solchen Giganten wie Homer, Hesiod, Virgil, Sophokles, Aristophanes, Shakespeare, Marlowe, Dante, Milton, aber auch moderne wie Kafka). Heute scheinen viele Autoren ihre Verbindung zu dem verloren zu haben, was Fantasy in der menschlichen Seele wichtig macht. Vielleicht lesen diese Autoren nur die erfolgreichen aktuellen Romane aus ihrem Genre: Das Genre ist der Tod der Qualität in Romanen.  Ein Marketingtool, das die Romanliteratur zerstört. Romandichtung sollte in einer sich entwickelnden Gesellschaft der Träger allgemeiner Werte sein. Zu viele Geschichten in der Fantasy sind heutzutage als Geschichten erfolglos. Zum Teil, weil sie von Elementen abhängig sind, die durch andere aktuell moderne Autoren berühmt geworden sind. Entsprechend sind sie auf denkbar schlechteste Weise Derivate. Elfen mit flaumigen Ohren rekrutieren eine unentdeckte Prinzessin, um eine Welt mit einer Hand zu retten. Dies mag gelegentlich kommerziell funktionieren, künstlerisch jedoch funktioniert es eher weniger häufig. Zombies und Vampire zum Beispiel (beide habe ich in meiner Heiligen Truppe und den TW Geschichten sparsam eingesetzt), können die menschlichen Zustände doch nicht erhellen, indem man sie ihnen zuschreibt, wenn nicht ein talentierter Autor sie in einem inspirierten Zusammenhang benutzt. Die menschliche Situation zu erhellen ist genau das, was Fantasy am Besten kann: Frei von politischen Zwängen kann ein Fantasyautor, der talentiert ist und eine breite Palette besitzt, oft mehr über Menschlichkeit und den Kampf sagen als ein Autor, der durch Political Correctness begrenzt wird, oder von den Problemen des Alltags besessen ist.
Chris Morris: Der Roman ist derzeit dabei, sich von den Versuchen der alten Verlagsparadigmen zu befreien, ihn zu zerstören. Der Roman früherer Generationen enthielt Abenteuer, Romantik, Mystery, Komödie, Spannung, Höhenflüge (Fantasy) und Horror – alles in einer (meist epischen) Geschichte. Die übertriebene Bildung von Kategorien, das ständige Herunterbrechen des Erzählens von Geschichten in seine Einzelteile (Genres), hat an der Sehnsucht der Leser, eine vollständige Geschichte zwischen den Buchdeckeln zu lesen – so vollständig wie das, was zwischen ihren Ohren geschieht - einen unermesslichen Schaden angerichtet. Und das alles nur, um den Regalaufstellungen der Buchhandlungen entgegen zu kommen.

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