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... TessQumisha (alias Sabine) über Frauen im Rhodanschen Universum

Bastian Brinkmann... TessQumisha (alias Sabine) ...
... über Frauen im Rhodanschen Universum

Morgen erscheint wieder ein Teil meines Rhodan-Tagebuchs. Dazu schon mal vorab ein Interview.
 
Interessante Interviewpartner erkennt man nicht immer auf den ersten Blick. Na gut, da gibt es die üblichen Verdächtigen, also diejenigen, bei denen es vollkommen offensichtlich ist, warum man mit ihnen über ein bestimmtes Thema reden soll. Autoren fallen etwa in diese Gruppen, ebenso Lektoren, Schauspieler oder Regisseure. 

Doch auf so manchen potentiellen Interviewpartner muss man erst aufmerksam gemacht werden, weil man ihn (oder in diesem Falle sie) ohne fremde Hilfe nie im Leben mit einem interessanten Gesprächsthema in Verbindung bringen würde.

Bestes Beispiel dafür ist mein aktuelles Interview-Opfer. Als mir Sabine (dem ein oder anderen vielleicht auch TessQumisha bekannt; unter diesem PR-verbundenen Namen durchstreift sie alltäglich die unendlichen Weiten des Internet) auf der Frankfurter Buchmesse zum ersten Mal über den Weg lief, ahnte ich noch nicht, hier eine wirklich interessante Gesprächspartnerin gefunden zu haben. Erst Christian Montillon machte mich darauf aufmerksam, dass Sabine mehr war als nur ein weiterer begeisterter Fan, der sich am Perry-Stand mit den  Autoren unterhielt.

Was es damit auf sich hat? Nun, Sabine hat enormen Einfluss auf die Konzeption des aktuellen PRA-Zyklus gehabt. Doch das erzählt sie Euch wohl besser selbst...

Zauberspiegel: Hallo Sabine. Bevor wir zu den Fragen zu PRA kommen: Kannst du uns ein wenig über dich erzählen?
Sabine: Hallo Jochen. Als Frau, die Perry Rhodan liest, scheine ich einer relativ seltenen Spezies anzugehören, aber ansonsten habe ich eine eher typische Fankarriere hinter mir: Mit etwa 15 Jahren habe ich angefangen, PR zu lesen und natürlich auch zu sammeln, mit dem Einstieg ins Berufsleben aber damit  aufgehört und erst vor ein paar Jahren bin ich wieder dazugestoßen. Seit dieser Zeit besuche ich auch den PR-Stammtisch in Mannheim, der sich einmal im Monat trifft und sich über alles Mögliche, nicht nur PR, austauscht. Von dort her kenne ich übrigens auch Christian Montillon, der ab und zu vorbeischaut und ganz tapfer allen Bemühungen ihn auszuquetschen trotzt.

Zauberspiegel: Wie bist du zu PR gekommen?
Sabine: Mein allererster Kontakt zu Science Fiction war die Serie »Raumschiff Enterprise« in den 70ern. Darüber hinaus habe ich immer schon viel gelesen, am liebsten spannende und abenteuerliche Geschichten, und war ständig auf der Suche nach Lesestoff. Ich hatte damals gerade ein paar Dämonenkiller-Hefte gelesen und durchstöberte auf der Suche nach weiteren Heften einen alten Schrank auf dem Speicher. Dämonenkiller-Hefte fand ich keine, dafür entdeckte ich ein paar Perry-Rhodan-Comics und einige Hundert PR-Hefte. Also warf ich einen Blick in die Comics und in den Vorspann der verschiedenen PR-Hefte. Und dann stand ich in der Kälte auf dem Speicher, denn es war November, und fing an zu lesen ... Dämonenkiller war völlig vergessen. Welches Heft oder sogar welchen Zyklus ich als erstes gelesen habe, weiß ich gar nicht mehr. Natürlich fing ich dann an, die Hefte der Erstauflage und der 5. Auflage zu kaufen, die  damals gerade startete. Wie gesagt, mit Beginn der Ausbildung hörte ich mit der PR-Lektüre auf,  und als ich von zu Hause auszog, ließ ich die PR-Sammlung in der Obhut meines Vaters zurück.
Dass ich  wieder in die Serie eingestiegen bin, verdanke ich den netten Leuten des Mannheimer PR-Stammtisches. Denn als mein Vater vor einigen Jahren starb, erbte ich die PR-Sammlung, die inzwischen auf über 2000 Hefte angewachsen war und musste mich entscheiden, was daraus werden sollte. Verkaufen oder aus Nostalgie behalten? Wieder in die Serie einzusteigen, hatte ich gar nicht geplant, aber es interessierte mich doch, was aus der Serie überhaupt geworden war, und so forschte  ich im Internet und stieß über Umwege auf den PR-Stammtisch in meiner Nähe. Also schaute ich dort mal vorbei und fand einen Haufen sympathischer Leute, die meisten davon ungefähr in meinem Alter, die mich sehr herzlich und interessiert aufnahmen. Ich habe mich von Anfang an dort wohl gefühlt und das, obwohl ich zuvor niemanden gekannt hatte! Ein Mitglied des Stammtisches überredete mich dann, mit Heft 2144 in die Erstauflage einzusteigen. Es ging um die Pangalaktischen Statistiker und er war der Meinung, dass das der richtige Zeitpunkt für einen Einstieg sei. Ich bekam eine ausführliche Zusammenfassung der letzten 1400 Bände und kompetente Erklärung aller wichtigen Begriffe, mit denen ich schon längst nichts mehr anfangen konnte und seitdem bin ich wieder dabei ...


Zauberspiegel: Dass deutlich mehr Männer als Frauen PR lesen, ist ja immer wieder Thema in diversen Foren. Was denkst du, warum das so ist? Und was könnte man dagegen tun?
Sabine: Oje, das ist ein schwieriges Thema! Denn es liegt ja wohl daran, dass Technik und die meisten  Naturwissenschaften immer noch eine Männerdomäne sind, in denen sich nur wenige Frauen tummeln und zu der Frauen noch immer schwer Zugang finden. Und deshalb interessieren sich viele Frauen auch nicht für Science Fiction und damit für PR. Ich habe den Eindruck, dass viele PR-Leser in ihrer Jugendzeit in die Serie eingestiegen sind und in diesem Alter ist das vielleicht noch viel extremer ausgeprägt... Da interessieren sich die meisten Mädchen für ganz andere Dinge und bevorzugen eher  romantische Geschichten. So lesen sie ja auch lieber Fantasy als Science Fiction und finden somit gar keinen Einstieg in die Serie.
Zur Frage, was man tun könnte: Möglichst lebendige, vielfältige, interessante Charaktere (weibliche und männliche!) und Charaktere, die sich im Laufe der Geschichte entwickeln und verändern, einbauen, außerdem Geschichten, in denen auch mal das soziale und gesellschaftliche Umfeld eine stärkere Rolle spielt. Es müssen ja nicht gleich immer Liebesgeschichten sein... Welche Auswirkung hat es beispielsweise, dass die Menschen in der PR-Erstauflage 200 Jahre alt werden? Verlängert sich die Jugend- und Ausbildungszeit? Übernehmen sie erst später Verantwortung? Wann bekommen sie Kinder? Hat sich das nach hinten verschoben, so dass sie z.B. erst einen Beruf ausüben, zur Sternenflotte gehen und später noch eine Familie gründen? Solche Fragen interessieren Frauen. Seitenlange Technikbeschreibungen oder Zahlen von Beschleunigungswerten eher weniger. Aber auch die Titelbilder sind wichtig, denn sie tragen zum Image der Serie bei. Frauen mit Ballonbrüsten auf den Titelbildern locken natürlich keine neuen Leserinnen an!


Zauberspiegel: Kommen wir zum eigentlichen Thema, zu PRA. Christian hat mir erzählt, dass du einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die zweite Staffel hattest. Kannst du mir sagen, worum genau es dabei ging?
Sabine: In einer Mail an den Rhodan-Stammtisch fragte Christian nach Wünschen und Anregungen, falls es eine zweite PRA-Staffel geben sollte. Schon als die erste PRA-Staffel erschien, dachte ich an den reichhaltigen Pool von Mutantinnen, die es in der Anfangszeit von PR gab und die bedauerlicherweise im Laufe der Zeit alle ums Leben gebracht wurden. Im Nachhinein betrachtet ein ziemlicher Verlust, denn dadurch ging der  PR-Serie ein Potential an interessanten weiblichen Figuren aus der Anfangszeit verloren. Ich fand es immer schade, dass man mit den Mutantinnen nach den ersten 50 Heften nicht mehr angefangen hat und dass sie schon damals ziemlich in der Versenkung verschwanden! Denn das Thema „Frauen in PR“ wurde schon recht früh auf der LKS diskutiert und ich kam eigentlich erst durch diese damaligen Diskussionen dazu, mir überhaupt Gedanken darüber zu machen. Und so schrieb ich jetzt Christian, dass ich es gut fände, wenn auch mal eine weibliche Mutantin in der Handlung eine Rolle spielte und schlug ihm meine Lieblingsmutantin Betty Toufry vor.

Zauberspiegel: Wieso sollte es gerade Betty Toufry sein, die eine Rolle im »Kristallmond-Zyklus« spielt?
Sabine: Die Vorliebe für Betty Toufry stammt natürlich aus meiner Jugendzeit, als ich den ersten Zyklus „Die Dritte Macht“ las. Sie hat dort zunächst einmal einen recht starken Auftritt, denn sie stößt schon als Sechsjährige zu Perry Rhodan und galt als stärkste der menschlichen Mutanten trotz ihrer Jugend. Ihr Aussehen war völlig irrelevant und wird gar nicht großartig erwähnt - im Gegensatz zu den meisten weiblichen Personen, die in der PR-Serie auftauchen, wie z.B. Mondra Diamond. Betty  Toufry ist wichtig wegen ihrer besonderen Fähigkeiten. Und  aufgrund derer darf sie schon als Kind bzw. Jugendliche bei den Abenteuern mit dabei sein und wird von den Erwachsenen geschätzt. Das war natürlich eine ideale Identifikationsfigur für eine damals gleichaltrige jugendliche Leserin! Ansonsten erfuhr man gar nicht so viel über sie, außer dass sie eher schüchtern und zurückhaltend ist, andererseits wirkt sie trotzdem relativ stark und in sich ruhend. Also keine Überfliegerin oder arrogante Person, sondern sympathisch und nett. Auch ihre traurige Geschichte weckte Sympathie, vor allem dann bei der älter werdenden Leserin, die sich fragt, wie sie damit umgeht und fertig wird.... Es ist vielleicht sogar ganz vorteilhaft, dass viele Figuren in der Anfangszeit der Serie nicht so detailliert geschildert wurden und Raum für eigene Interpretationen offen lassen. Das ist jetzt ein Potential, aus dem man etwas machen kann und ich glaube, Christian hat auch etwas daraus gemacht ...

Zauberspiegel: Nicht nur die Leserschaft von PR besteht hauptsächlich aus Männern, auch das Figurenensemble der Reihe ist vorwiegend männlich. Findest du, es sollte mehr starke Frauengestalten in PR und PRA geben?
Sabine: Klar, auf jeden Fall! Sowohl starke Frauen, als auch ganz normale Frauen! Warum nicht auch mal eine hochbegabte Emotionautin, die als Ausgleich ständig die Männer wechselt? Oder eine Chefin ähnlich wie „M“ im aktuellen »James Bond«? Außer Fee Kellind gibt es bei den jetzigen Schiffsbesatzungen in der Erstauflage in den absoluten Führungspositionen kaum Frauen, sondern sie tun eher in der 2. Reihe oder als Medizinerin, Psychologin etc. Dienst. Oder bei den Wissenschaftlern? Warum nicht mal ein weibliches Genie? Oder dieser Whistler, der ins Stardust-System aufgebrochen ist – warum hat man statt seiner nicht eine Frau genommen? Das hätte ein  interessanter Charakter werden können... Mal eine Frau, die eine Vision hat - und sich nicht gleich in einen Haupthelden verliebt, sondern stattdessen einen ganz unaufregenden, normalen Mann/Freund hat. Wichtig finde ich vor allem auch Vielfalt.

Zauberspiegel: Nachdem es ja nun einmal geklappt hat, würdest du die Handlung von PRA gerne noch einmal ein wenig beeinflussen? Wenn ja, was würde dir da so alles vorschweben (falls du das verraten willst...)?
Sabine: Gerne, klar. Zum einen fände ich es interessant, mehr über den Alltag und die Gesellschaft dieser Frühzeit des Perryversums zu erfahren, die ja nicht so weit von unserer tatsächlichen Zeit entfernt ist. Die Menschheit ist geeint, hat eine ungeheure technische Entwicklung hinter sich – was hatte das für Konsequenzen? Perry und Betty gehen ja auch in PRA recht steif miteinander um, obwohl sie sich seit 200 Jahren kennen - sie verhalten sich irgendwie „altmodisch“, so wie es in den frühen Heften der PR-Serie üblich war, die damit auch ihre Entstehungszeit, nämlich die 60er Jahre spiegeln. Ich finde es ganz gut, dass das beibehalten und nicht einfach an die heutige Zeit angepasst wurde – und man könnte ja ganz offensiv damit umgehen: Die technische Entwicklung (vor allem auf dem Gebiet der Raumfahrt etc.) im Perryversum ist extrem rasant verlaufen, die Menschheit war extrem stark gefordert durch das Auftauchen und die Auseinandersetzung mit Außerirdischen und durch den Zwang zur Einigung. Dafür und vielleicht auch als Ausgleich dazu hat sich die Gesellschaft im Perryversum nicht so rasch und stark verändert  wie in unserer realen (westlichen) Welt, weil ja die ganze Menschheit (und nicht nur der „Westen“) diese Entwicklung durchlaufen musste, sie beeinflusste und außerdem durch die technische Entwicklung, die Bedrohungen von außen, den Aufbau von Kolonien etc. voll beschäftigt war. Das fände ich so ganz spannend und für mich schlüssig und mich würde es interessieren, mehr darüber zu erfahren.
Zum anderen fände ich auch Agenten- oder Krimi-Geschichten spannend – ich erinnere mich noch gut an die Abteilung III. Oder es könnte z.B. auch mal Allan D. Mercant im Vordergrund stehen, und zwar ganz anders als Perry – er ist ja z.B. älter und nicht unbedingt der junge, fitte Held, könnte aber ein interessantes Potential haben. Ein männlicher „M“?

Zauberspiegel: Zum Abschluss noch eine Frage zu PRA: Was erhoffst du dir vom Rest der Staffel (und was würdest du dir für hoffentlich kommende Staffeln wünschen)?
Sabine:Ich erhoffe mir natürlich, dass mir gefällt, was Christian und seine Autoren aus Betty Toufry gemacht haben und dass sie bei den anderen Leserinnen und auch bei den Lesern ebenfalls gut ankommt. Die Idee, ihr eine junge Mutantin mit ähnlichem Schicksal vor die Nase zu setzen, finde ich ganz spannend, so dass ich hoffe, dass sie die Staffel überlebt, uns erhalten bleibt und sich weiter entwickelnd darf. Überhaupt hoffe ich auf farbige und vielfältige Personen in hoffentlich vielen weiteren PRA-Staffeln!

Zauberspiegel: Danke, Sabine, für dieses sehr interessante Interview.


Frauen und PR – ein Thema, das immer wieder heiß diskutiert wird. Bei PRA hat Sabine ja schon dafür gesorgt, dass einige zusätzliche weibliche Charaktere in die Handlung eingebaut werden – mal sehen, ob dieser Artikel dazu beiträgt, den Anteil zentraler weiblicher Figuren auch in der EA zu erhöhen...

 

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