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... Nicole Schuhmacher über »Sturmträume«, Fantasy, Rollenspiele und wie sie schreibt

Nicole Schuhmacher - seriös ... Nicole Schuhmacher über »Sturmträume«, Fantasy, Rollenspiele und wie sie schreibt

Nicole Schuhmacher hat ihren Erstlingsroman »Sturmträume« bei Heyne vorgelegt. Dabei ist - fast schon gegen den Trend im Genre Fantasy - kein Teenager ála Paolini bei ihrem Debut, sondern eine gestandene Frau mit Lebens- und Lese- und Schreiberfahrung. Schon seit der Sculzeit verfasst sie mehr oder weniger lange Geschichten.

Markus Heitz, ja der mit den Zwergen, versuchte sie schon länger zu überreden, es doch einmal professionell zu versuchen. Es hat nun geklappt und  »Sturmträume« sind auf dem Markt. Da haben wir uns Nicole Schuhmacher doch einmal zum Interview »geschnappt«...


SturmträumeZauberspiegel: Dein Erstling heißt »Sturmträume« und ist bei Heyne erschienen. Eine gemeine Frage dazu: Warum sollte ich, Deiner Meinung nach in eine Buchhandlung gehen, um mir das Buch zuzulegen?
Nicole Schuhmacher: Das soll eine gemeine Frage sein? Es gibt eine ganz einfache Antwort darauf: weil das Buchcover richtig, richtig schön ist *g*. Aber ganz im Ernst, wenn Du Bücher nicht nur kaufst, um sie ins Regal zu stellen, Fantasy magst, die ohne Elfen, Orks und Trolle auskommt und auch mal auf Schwarzweißmalerei verzichten kann, dann solltest Du bei ‚Sturmträume’ zugreifen. Es beinhaltet garantiert keine Figur, die um des Bösen willen böse ist oder sich auch nur für böse hält.

Zauberspiegel: Im Zentrum steht das junge Mädchen Rika mit dem Wunsch, ihren Vater zu rächen. Absichtliches auf den Kopf stellen der Rollenverteilung in der Fantasy?
Nicole Schuhmacher: Ich fand es an dieser Stelle einfach spannender, eine Klosterschülerin mit Buchwissen, aber ohne viel praktische Erfahrung zu entwurzeln und auf die Welt loszulassen als einen kampferfahrenen, reiferen und womöglich noch zynischen Helden. Zudem war ich selbst einmal ein junges Mädchen. Das hat es mir zumindest zu Beginn erleichtert, mich mit Rika auseinanderzusetzen.

Zauberspiegel: Wie siehst und begreifst Du das Genre Fantasy? Was sind Deine Erfahrungen mit dem Genre?
Nicole Schuhmacher: Fantasy für mich ein Genre, in dem auch abseits jeglicher Definitionen alles möglich ist oder zumindest doch sein sollte. Es ermöglicht mir, mich kreativ auszutoben; wenn ich wollte, könnte ich über all das, was mich interessiert, gleichzeitig schreiben. Nur so eine Idee *g*.
Meine ersten Fantasy-Lese-Erfahrungen sammelte ich zu Schulzeiten beim Lesen des Herrn der Ringe; im Anschluss hangelte ich mich durch einige von Robert E. Howards Werken und andere Sword & Sorcery-Titel, nur um wieder zu meinem damaligen Lieblingsgenre (der klassischen SF) zurückzukehren. Dann machte ich Bekanntschaft mit D&D, AD&D und einigen anderen Fantasy-Rollenspielen – mein Bruder hatte mich zum Spielleiten überredet; als ich aber feststellte, dass es auch in diesem Sektor ein Science-Fiction-Angebot gab, wechselte ich flugs dorthin. Seit damals verwischten sich die Grenzen aber immer mehr... und je mehr Genre-Grenzen fielen, desto wüster sahen meine Bücherregale aus. Erst in den letzten Jahren, als Testleserin von Markus Heitz, habe ich wieder verstärkt ‚reine’ Fantasy gelesen.

Zauberspiegel: Woher kommt das Magiekonzept mit einem Schuss Technik? Was hat dafür den Ausschlag gegeben?
Nicole Schuhmacher: Ein Urlaub in der Provence *g*. Ich dachte gerade an einer Geschichte über Naturmagie herum, als wir zeitgleich mit einem beginnenden Unwetter im schönen kleinen Ockerstädtchen Roussillon eintrafen. Als ich so im Nieselregen und bei blauschwarzem Himmel zwischen den roten Häuschen umhertappte, fiel mein Blick auf ein Schaufenster – und aus dem Schaufenster starrte mir eine lebensgroße, historische Schneiderpuppe aus Holz und Metall entgegen. Und in diesem Moment wusste ich, dass in ‚meiner’ Welt außer Elemetarmagie auch Automaten eine wichtige Rolle spielen würden.

Zauberspiegel: Hast Du Vorbilder? Inwieweit findet man Ideen, Klischees und Standards der Fantasy in Sturmträume wieder?
Nicole Schuhmacher: Oh weh, böse Falle! Früher waren meine - literarischen - Vorbilder Isaac Asimov und Robert A. Heinlein, später liebte ich den Stil von George MacDonald Fraser und Mark Bowden. Keiner von ihnen ist ein klassischer Fantasy-Autor...
Die typischen Fantasy-Elemente in ‚Sturmträume’ sind Königreiche, Ritter und Elementarzauber, und die Geschichte an sich ist eine klassische Queste. Was nicht vorkommt, sind Drachen und all die anderen Kreaturen, die ich bereits erwähnt habe... dabei fällt mir gerade ein, dass auch keine Untoten auftauchen. Im Großen und Ganzen dürfte der Einfluss von beinahe 20 Jahren an Video- und Computerspielen stärker gewesen sein als der von fantastischer Literatur.

Zauberspiegel: Die Fantasy ist vom belächelten Sub-Genre der SF zum beherrschenden phantastischen Genre geworden. Vieles wird mit dem Label Fantasy versehen, manches ist nach strikten Theorien noch nicht einmal welche. Dazu kommen jede Menge Marketingbegriffe, die neue Subgenres suggerieren. Wo siehst Du Chancen aber auch Grenzen der Fantasy? Bringt die Überfrachtung ein baldiges Ende des Booms?
Nicole Schuhmacher: Grenzen der Fantasy? Prinzipiell sehe ich keine, denn das Genre an sich ist breit gefächert und birgt viele Möglichkeiten. Sollten sich die augenblicklich großen Trends - Zauberergeschichten frei nach ‚Harry Potter’, romantische Vampirgeschichten a la ‚Biss’ und Bücher über tolkiensche Fantasy-Rassen – einmal totlaufen, gibt es sicher wieder neue. Insofern sehe ich keine imminente Gefahr für das Genre an sich.

Zauberspiegel: Gibt es – frei nach dem Motto: Etwas hat überlebt - eine Fortsetzung von Sturmträume? Kommt der Zyklus? Oder wirst Du Dich anderen, von Sturmträume unabhängigen Projekten zuwenden? – Kurzum was macht Nicole Schuhmacher als Nächstes?
Nicole Schuhmacher: Es gibt eine Fortsetzung von ‚Sturmträume’, auch wenn es nicht daran liegt, dass ‚etwas überlebt’ hat. Ohne zu viel verraten zu wollen bedingt nichtsdestotrotz das Ende des ersten Bandes den Beginn des zweiten. Ein Zyklus wird es aber eher nicht werden. Wenn die Überarbeitung der Fortsetzung abgeschlossen ist, werde ich mir überlegen, ob das abstrus-militärisch-apokalyptische Werk, das ich vor über zehn Jahren begonnen habe und an dem ich sporadisch schreibe, auf alle Zeiten in der elektronischen Schublade bleiben sollte oder nicht.

Zauberspiegel: Wie schreibt Nicole Schuhmacher? Ist sie eine natürliche Erzählerin, die sich an die Tastatur setzt und loslegt und dann, während des Schreibens, die Geschichte entwickelt? Oder aber bereitet sie sich akribisch vor, entwickelt ein Exposé, dem sie strikt folgt? Oder liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte?
Nicole Schuhmacher: Die Wahrheit liegt wie so oft irgendwo in der Mitte. Nicole Schuhmacher hört ein Lied, sieht ein Bild oder nimmt etwas wahr, das sie interessiert; darüber denkt sie ein paar Tage lang nach, ein Charakter entsteht. Dann stellt sie sich Fragen wie: wer ist diese Person, was tut sie hier? Daraus entstehen Szenen, die sie niederschreibt. Wenn es genügend Szenen innerhalb eines bestimmten Zusammenhangs gibt, dann setzt sich Nicole hin und schreibt erst in Stichworten, dann detailliert ein Exposé nieder. Und erst dann beginnt das eigentliche, disziplinierte Schreiben von der ersten bis zur letzten Seite. Natürlich gibt es immer Elemente, die sich während des Schreibens ändern, manchmal sogar verselbständigen...

Zauberspiegel: Du bist wie Markus Heitz, der Dich ja immer wieder versucht hat zu überreden professionell zu schreiben, Rollenspielerin. Hat das irgendwie Einfluss auf Dich gehabt? Und eine Frage, die wir allen Rollen spielenden Autoren stelle: Gab es Stellen im Roman, an denen Du gewürfelt hast?
Nicole Schuhmacher: Dass das jahrelange Rollenspiel-Leiten Auswirkungen auf meine Schreiberei gehabt hat, will ich nicht verleugnen. Zum einen brachte mir das Spielleiten eine gewisse Routine im Entwickeln von Episoden und von Figuren samt ihrer Motivationen. Dann habe ich gelernt, auf die Bedürfnisse der Spieler einzugehen und trotzdem das Heft fest in der Hand zu behalten. Die Illusion freien Willens der Figuren zumindest innerhalb eines gewissen Rahmens aufrechtzuerhalten, das ist für mich auch beim Schreiben wichtig.
Gewürfelt habe ich während des Schreibens nicht, aber wenn ich mir an der einen oder anderen Stelle über die Motivation einer Nebenfigur nicht ganz schlüssig war, habe ich eine Tarotkarte gezogen. Was ich ab und an auch beim Rollenspielen für Nichtspieler-Charaktere getan habe *g*.

Nicole Schuhmacher - nicht ganz so seriös Zauberspiegel: Besten Dank für das Interview.
Nicole Schuhmacher: Es war mir eine Ehre.
 
Wer ist Nicole Schuhmacher?
Nicole Schuhmacher, Jahrgang 1966, ist Diplomsoziologin mit Interessenschwerpunkt Militärsoziologie.
 
Sie schreibt seit ihrer Schulzeit und hat Rezensionen und Kurzgeschichten für diverse Fantastik-Fanzines verfasst.
 
Nicole hätte allerdings niemals daran gedacht, einen eigenen Roman zu veröffentlichen, wenn ihr Rollenspielkollege Markus Heitz sie nicht dazu überredet hätte.
 
Sie lebt und arbeitet im Saarland, ist verheiratet und Mutter eines nicht ganz 6-jährigen Jungen, der (fast) nur Autos im Kopf hat.

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