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Geister

Schrott auf DVD und BluRayGeister

Was ist ein schlechter Film? Nun, diese Betrachtung ist sehr subjektiv, denn es liegt immer im Empfinden des Zuschauers.

Filme die ich schlecht finde muss ein anderer nicht zwangsläufig auch so ansehen. Für mich sind zum Beispiel die weitaus meisten der heutigen A-Filme schlecht. Da wird es manch einen Leser geben, der nun die Stirn runzelt und ein Fragezeichen über dem Kopf trägt.

Schemen an den Wänden, wehende Schleier, schlechtes Wetter. Diese Begleiterscheinungen machen den klassischen Gespensterfilm aus. Nun, heutzutage ist es schwer damit noch zu punkten. Die Filmemacher umgehen diese Erwartungshaltung, die den modernen Betrachter in Tiefschlaf versetzt. So habe ich mal drei Filme herausgesucht, die zwar klassische Elemente enthalten aber dennoch das gegenwärtige Pubikum erreichen können. Na ja, bei dem letzten Ding bin ich mir doch nicht so sicher.

BeneathBeneath (2007)
(Beneath)
Regie: Dagen Merrill, mit Nora Zehetner, Brenna O'Brien, Carly Pope, Don S. Davis, Beatrice Zeilinger, Matthew Zettle, Jessica Amlee
Ein Horrorfilm des Musiksenders MTV? In den 90er Jahren begann man dort eigene Spielfilme zu produzieren. Natürlich handelte es sich im Wesentlichen um Musikfilme. Überraschend folgten aber recht schnell Filme anderer Genres. Das Bemerkenswerte dabei ist, dass es sich trotz geringer Budgets oft nicht um die schlechtesten Vertreter ihrer Art handelt. Man setzt nicht so sehr auf Stars sondern nutzt eher unbekannte Talente, die meistens nur ein paar TV-Auftritte hinter sich haben. Nora Zehetner, die hier die Hauptrolle bekleidet, wurde leider nie richtig bekannt, spielte längere Gastrollen in EVERWOOD, HEROES oder GREY'S ANATOMY, sowie in einer Reihe von Fernsehfilmen.

Wie irgendein Kritiker richtig schrieb, sei es wohltuend, in Zeiten des "Torture Porns" einen klassischen "Mystery Thriller" zu sehen. Kaum zu glauben, dass ein Sender, der auf Jugendliche fixiert ist, einen solch hoffnungslos altmodischen Film produziert.

Christy (Nora Zehetner) kehrt nach Jahren wieder nach Hause zurück. Sie verlor einst ihre ältere Schwester Vanessa (Carly Pope) durch einen Autounfall, den sie verursachte. Sie trifft auf John (Matthew Settle), den Ehemann der Schwester, sowie Amy (Jessica Amlee), seine Tochter. Da Christy seit jenem Vorfall von damals psychische Probleme hat, ist sie nicht sehr willkommen in der Heimat. Schnell beginnt sie Fragen zu stellen. Vanessa war damals aus dem brennenden Wrack gerettet worden, bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Einige Zeit später starb sie jedoch. Christy kommt aufgrund ihrer Visionen und Albträume zu dem Schluss, dass Vanessa lebendig begraben wurde. Sie findet zudem heraus, dass John eine Affäre mit der behandelnden Krankenschwester begann. Amy erzählt etwas von einer dunklen Gestalt im Haus. Christy folgt allen Hinweisen und findet doch nichts heraus, wird von den Menschen für verrückt gehalten. In ihrer Verzweiflung bricht sie in das Mausoleum der Familie ein und öffnet den Sarg ihrer Schwester. Doch darin liegt nicht Vanessa ...

Das Ende verrate ich mal nicht, denn es ist ein guter und konsequenter Plottwist, auch wenn er nicht neu ist. Aber was ist schon neu? Die alten Schauerfilme, sagen wir mal aus den 30er und 40er Jahren, haben alles abgegrast. So geht es BENEATH darum, die Geschichte originell zu erzählen. Hinzu kommt ein exzellentes Casting. Nora Zehetner ist eine junge Darstellerin, die schon rein optisch einem dieser alten Schwarzweiß-Filme entsprungen sein könnte. Das gesamte Ensemble ist fein ausgesucht und spielt ausgezeichnet.

Auch besitzt der Film ein wundervolles Setting. Wir wandern mit Christy durch ein verwinkeltes Haus, durch unheimliche Gänge und Verliese, über einen Friedhof in ein Mausoleum. Das ist spannend, besonders wenn man sich mit den Vorbildern ein wenig auskennt. Spinnweben gibt es aber keine. Letztlich wollte man das wohl nicht übertreiben. Ein wenig unpassend sind einige Schockmomente, die vor allem laut untermalt werden. Das wirkt sich negativ auf die ruhige Atmosphäre aus, die der Film aufbaut und ansonsten bis zum Ende halten kann. Man mag es ihm verzeihen, denn es geschieht nicht zu oft und ist dann wohl doch einem jugendlicheren Publikum geschuldet.

Ich will nicht verhehlen, dass es auch eine Reihe von negativen Meinungen gibt, die zum Teil nicht ganz daneben liegen. Natürlich sind die Hauptdarsteller alle jung, das ist wohl der Produktion durch MTV geschuldet. Natürlich gibt es einige Unlogiken, aber welcher Film kann davon frei gesprochen werden? Für mich war/ist die Atmosphäre entscheidend und davon besitzt der Film sehr viel, sodass er manchen Filmen noch etwas davon spenden könnte.

Ein Zufall. Ich habe die DVD in einem Paket auf dem Flohmarkt erstanden. Letztlich war er der beste Film darin, obwohl ich ihn überhaupt nicht auf der Rechnung hatte. Man muss allerdings einen Sinn und ein Gefühl für die alten Gruselfilme besitzen, dann kann der Film bestens unterhalten.

Der eisige TodDer eisige Tod (2014)
(Wind Chill)
Regie: Gregory Jacobs, mit Emily Blunt, Ashton Holmes, Martin Donovan, Ned Bellamy, Ian A. Wallace, Donny Lucas

Bewegen wir uns mal finanziell ein paar Stufen höher und wenden uns einem Film zu, der von George Clooney als Executive Producer betreut wurde. Eigentlich gehört er damit nicht unbedingt in jene Welt, in der ich mich mit diesen Artikeln bewege. Es ist mir jedoch ein Anliegen auf diesen Film aufmerksam zu machen, der ebenso wie jener oben besprochene in einer Zeit entstand, in der alle Leute nur nach Blut und Gewalt gierten.

Genau das war aber der Grund diesem Projekt grünes Licht zu geben. Die Stupidität, mit der nach den Erfolgen von SAW und HOSTEL Horrorfilme gedreht wurden, forderte eine Innovation heraus. Natürlich konnte man das Genre nicht neu erfinden, aber man wollte die Zuschauer daran erinnern, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. Ich wurde erst kürzlich auf ihn aufmerksam als ich auf einen Trailer stieß. Da ich Filme mag die im Schnee spielen, gab ich ihm eine Chance.

Es gibt keine Rollennamen, denn ganz bewusst wollte man es zeitlos halten und eine Identifikation für Jedermann schaffen. Eine junge Frau (Emily Blunt) sucht eine Möglichkeit nach Hause zu kommen, um dort die Weihnachtstage zu verbringen. So nutzt sie die Mitfahrgelegenheit bei einem jungen Mann (Ashton Holmes). Sie kennen sich nicht und sind einander auch nicht sonderlich sympathisch. Irgendwo in der Abgeschiedenheit, in einer völlig zugeschneiten Gegend, werden sie von der Straße gedrängt und bleiben liegen. Das führt zunächst zum Streit. Der Junge ist schließlich bereit Hilfe zu holen, kehrt aber alsbald wieder um. Gestalten laufen plötzlich in der Gegend herum, doch sie entziehen sich dem Paar. Als ein Polizist auftaucht glauben sie an Rettung, doch er entpuppt sich als Trugbild, das aber immer wieder erscheint um sie zu quälen (nicht körperlich). Schließlich erscheint aber doch ein Rettungswagen. Der Junge ist inzwischen tot. Der Wagen wird nach kurzer Strecke ebenfalls von der Straße gedrängt, der Fahrer stirbt. Die Frau erreicht zu Fuß eine Tankstelle.

Gibt es Erklärungen für das Ganze? Nur bedingt. Wir werden irgendwann gewahr, dass die seltsamen Gestalten alle Opfer dieser Straße sind. Es begann wohl in den 50'ern, da der Polizist hier ein paar Leute umbrachte und dann selber von der Straße gedrängt wurde und in den Flammen umkam. So genau erfahren wir es nicht, aber das ist auch nicht wichtig. Es geht dem Film um die Situation und die Schaffung einer Atmosphäre, was ihm zweifellos exzellent gelingt.

Um so etwas dem Betrachter näher bringen zu können bedarf es guter Schauspieler und eines spannenden Sets. Zwei junge Menschen in einem Auto, der ganze Film wird praktisch nur von Emily Blunt und Ashton Holmes getragen. Beide machen das außerordentlich gut. Sie schaffen glaubwürdige und nachvollziehbare Personen, sodass es dem Zuschauer gelingt in das Geschehen einzutauchen. Unterstützt werden sie dabei von einer unaufgeregten Kamera- und Schnittarbeit. Es geht nicht um Action oder vordergründigen Horror, auch wenn die eine oder andere Szene manchmal leicht plakativ wirkt. Das ist zu verzeihen, denn trotzdem stellt sie sich in die Gesamtwirkung eines Films, den ich hier einmal uneingeschränkt empfehlen möchte.

DevouredDevoured (2012)
(Devoured)
Regie: Greg Olliver, mit Marta Milans, Kara Jackson, Bruno Gunn, Tyler Hollinger, Luis Harris, Sal Rendino, David Conley
Die Herangehensweise an den Stoff ist immer von wichtiger Bedeutung. Dieser Film besitzt eine ungewöhnliche Art des Erzählens und doch ist er im Grunde ein ganz gewöhnlicher Horrorfilm. Das Thema ist nicht neu. Gleichwohl, und das ist das Entscheidende heutzutage, bringt er es auf eine nicht gewohnte Art dar. 2012 hergestellt und lediglich auf einigen Festivals gezeigt, erlebte der Film seine Premiere erst 2014. Es war offenbar nicht leicht Verleiher für diesen Film zu finden, der auf den ersten Blick so gar nicht in das Schema passen will.

Regisseur Greg Olliver ist eigentlich Dokumentarfilmer, speziell in Sachen Musik. So hat er unter anderen die essentielle Doku LEMMY (2010) über den leider Ende 2015 verstorbenen "Motörhead"-Frontmann Lemmy Kilmister gedreht. DEVOURED ist erst sein zweiter Spielfilm und bis heute geblieben. Er drehte lediglich zehn Jahre zuvor eine TV-Komödie.

Lourdes (Marta Milans) ist eine junge Frau aus Mexiko, die illegal nach New York kommt um Geld zu verdienen. Ihr Sohn Oliver (Luis Harris) ist schwer krank und die Operation kostet mehr als die Familie besitzt. Sie verdingt sich als Putzfrau in einem französischen Restaurant. Ihr einziger Halt sind die täglichen Anrufe zuhause. Auf der Arbeit erledigt sie ihren Job, obgleich sie von der Chefin (Kara Jackson) ständig schikaniert wird. Nach und nach beginnt sie zu zweifeln. Männer stellen ihr nach und fordern sexuelle Handlungen. Gegen Bezahlung lässt sie sich manchmal darauf ein. So bekommt sie zwar schneller das Geld zusammen, fällt jedoch teilweise in Depressionen. Zudem hat sie das Gefühl, dass es in dem Restaurant spukt. Zunächst nur kleine Vorkommnisse, wie etwa plötzlich verschlossene Türen oder verrückende Messer, später auch deutliche Merkmale wie Geisterscheinungen deuten drauf hin. An ihrem letzten Abend vor der Abreise nach Hause eskaliert das Geschehen. Sie wird von manifestierten Geistern verfolgt. Auf der Flucht stürzt sie eine Treppe hinunter und bricht sich das Genick.

Oh ja, so einfach könnte es sein. In einer Prologsequenz, die am Ende noch einmal gezeigt und weitergeführt wird, findet die Polizei ihre Leiche. Eigentlich scheint der Anfang ein dramaturgischer Fehler, denn so wissen wir worauf es hinaus läuft. Weit gefehlt, denn das Ende liefert doch einen beachtlichen Plottwist, den ich hier besser nicht verrate. Vielleicht gibt es ja doch den einen oder anderen Leser, der sich das Ding irgendwann mal anschauen will.

Das Problem wie gleichzeitig das Interessante daran ist, dass man in der ersten Dreiviertelstunde nicht das Gefühl bekommt einen Horrorfilm zu sehen. Eigentlich scheinen wir uns in das Arthaus-Kino verirrt zu haben. Lourdes putzt, nimmt das Geld entgegen und spart es in einem kleinen Karton. Hin und wieder schickt sie ein Bündel nach Hause. Sie spricht mit ihrem Sohn am Telefon oder sitzt mit ihm imaginär zusammen. Ihre Freizeit verbringt sie allein und gönnt sich aus finanziellen Gründen nichts. Das Ganze wird ruhig, ja fast statisch erzählt und irgendwann stellt man sich die Frage, was der Film eigentlich will. Umso mehr überrascht es, wenn er nach etwa fünfzig Minuten anzieht und das Geschehen in eine völlig andere Richtung treibt. All das, was vorher passiert ist, scheint nun belanglos zu werden und doch kehren wir nach dem Tod der Frau dorthin zurück. Um das zu erklären müsste ich jetzt spoilern, tue ich aber nicht. Natürlich ist die Auflösung des kleinen Geister- und Verwirrspiels nicht neu. Man hat einen derartigen Twist auch schon in anderen Filmen erlebt.

Sämtliche Darsteller sind aus dem Fernsehen rekrutiert, haben dort aber schon jeweils eine längere Liste an Auftritten zu verzeichnen. Nun, im Prinzip braucht es nur die Hauptdarstellerin, denn alle anderen Charaktere sind so selten zu sehen, dass man auch Leute von der Straße hätte engagieren können. Marta Milans, gebürtige Spanierin und damit authentisch für die Rolle der Lourdes, macht ihre Sache gut. Sie bleibt meistens stumm und vermittelt ihre Gefühle über Augen und Lippen, weitere Mimik bleibt allerdings aus. Es ist schon wichtig, dass man sich in sie hinein versetzen kann um ihre Reaktionen zu verstehen. Das Ende kann dem Zuschauer allerdings arg zusetzen, wenn er sich zu sehr mit ihr identifiziert.

Der Film ist zumindest für mich eine kleine Überraschung. Die meisten Filme, die von Billiglabels herausgebracht werden, entsprechen auch dem Vertreiber. DEVOURED ist eine Low-Budget-Produktion und kaum für ein Major-Label geeignet. Er bietet wenige Schauwerte und ist ob seiner blassen und kalten Farbgebung beinahe depressiv zu nennen. Das Tempo ist langsam, fast einschläfernd, aber gerade deshalb sehr suggestiv. Definitiv kein Partyfilm. Man braucht Sitzfleisch für das Ding, aber wenn man sich darauf einlassen kann, dann erwartet den Betrachter ein recht ungewöhnlicher Horrorfilm.

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