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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit James Pierson Beckwourth?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit James Pierson Beckwourth?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 26. April 1798 wurde eine der spektakulärsten Gestalten des amerikanischen Pelzhandels geboren: JAMES PIERSON BECKWOURTH.

Er ging als Mountain Man, Pelzhändler und Entdecker in dieses abenteuerliche Kapitel amerikanischer Geschichte ein. Sein Vater war der weiße englisch-irisch-stämmige Adelige und Plantagenbesitzer Sir Jennings Beckwith im Frederick County, Virginia, seine Mutter eine schwarze Sklavin. Sein Vater sorgte dafür, dass er als Junge eine Lehre als Schmied antreten konnte. Um 1809 ging James mit seiner Mutter und 12 Geschwistern nach St. Louis, dem damaligen Tor zum amerikanischen Westen. Hier besuchte er 4 Jahre lang eine Schule – das war in jener Zeit ungewöhnlich, weil jegliche schulische Bildung für farbige Menschen bei Strafe verboten war. Offenbar hatte sein Vater gute Beziehungen. 1824 veranlasste Sir Beckwith seine offizielle Freilassung vom Status des Sklaven. Warum und wann James seinen Namen von „Beckwith“ zu „Beckwourth“ veränderte, ist unbekannt. Noch im selben Jahr bewarb der junge Mann sich bei William Ashleys berühmter „Rocky Mountain Fur Company“, aus der einige der bedeutendsten Mountain Men der amerikanischen Geschichte hervorgingen. Er hatte richtig erkannt, dass seine Hautfarbe ihn in den Südstaaten immer zu einem Menschen zweiter Klasse machen würde, während er im Fernen Westen in der multiethnischen Gesellschaft des Pelzhandels Gleicher unter Gleichen war. Als Verantwortlicher für die Packtiere zog er mit einer Ashley-Expedition in die Rocky Mountains und profilierte sich schnell als respektierte Führungsgestalt; ein geschickter Trapper und Mountain Man, ein furchtloser Kämpfer, der allen Gefahren der Wildnis mit Umsicht, Selbstvertrauen und Entschlossenheit begegnete, und ein eloquenter und fantasievoller Erzähler von Lagerfeuergeschichten. Er wurde zu einer lebenden Legende, der Jim Bridger, Kit Carson und Jedediah Smith kannte. Es war der Trapper Caleb Greenwood, der 1825 auf dem großen Trapper-Rendezvous am Green River die Geschichte aufbrachte, das Beckwourth in Wirklichkeit der Sohn eines Crow-Häuptlings war, der als Baby von den Cheyenne geraubt und als Sklave an die Weißen verkauft wurde. Da Beckwourth schon damals gern indianische Kleidung trug, erhielt diese Story Glaubwürdigkeit. Beckwourth selbst nahm sie auf und erfand immer neue Versionen. Danach war er von Crow-Indianern gefangen worden, während er auf Pelzjagd war. Ein Häuptling wollte in ihm seinen verlorenen Sohn wiedererkannt haben, also wurde er unter dem Namen „Bloody Arm“ in den Stamm aufgenommen. Er heiratete die Tochter eines anderen Häuptlings. Am Ende hatte er mehrere Frauen und zeugte mit diesen zahlreiche Kinder (das ist tatsächlich belegt.). In den folgenden 9 Jahren wuchs er zum Krieger und zum Häuptling des „Dog Clans“ heran. Er leitete mehrere Kriegszüge gegen andere Stämme und gegen Weiße. Dabei arbeitete er weiter als unabhängiger Trapper und verkaufte seine Pelze an die „Missouri Fur Company“ und an die „American Fur Company“.

Das alles stand später in einem Buch: “The Life and Adventures of James P. Beckwourth: Mountaineer, Scout and Pioneer, and Chief of the Crow Nation of Indians”. Manches entsprach der Realität, manches war Fantasie.

Es ist keine Frage, das weite Teile dieser „Biografie“ frei erfunden waren, aber inzwischen haben Historiker sich eingehend mit dem Werk beschäftigt und festgestellt, das es auch eine Menge Wahrheit enthält und einen grundlegenden Einblick in die Sozialgeschichte des Pelzhandels, das tägliche Leben in Indianerdörfern und das Leben der Trapper und Mountain Men gibt – eine exklusive, kleine Gesellschaft von kaum 3.000 Männern, die die frühe Geschichte des amerikanischen Westens nachhaltig beeinflusst haben. Für die Bürgerrechtsbewegung im 20. Jh. wurde Beckwourth eine Art Ikone als einer der prominenten Pioniere mit dunkler Haut. Nicht ganz zu Unrecht.

1837 kehrte Beckwourth nach St. Louis zurück. Es war die Zeit des Umbruchs: Der Pelzhandel hatte die besten Jahre hinter sich. Die Rendezvous in den Rockies gingen zu Ende. Die Biberpreise fielen. Beckwourth meldete sich freiwillig zur Armee und diente als Wagenmeister im Zweiten Seminolenkrieg in Florida – nicht als militärischer Kurier, wie er behauptete. Danach arbeitete er als Indianerhändler mit den Cheyenne. 1840 war er in Fort Bent (Süd-Colorado) beschäftigt, dann war er unabhängiger Händler in der Region der heutigen Stadt Pueblo. 1844 pendelte er auf dem „Old Spanish Trail“ zwischen dem Arkansas River und Kalifornien, bis der Krieg zwischen den USA und Mexiko begann. Beckwourth stahl regelmäßig Pferde von mexikanischen Ranchos, diente als Kurier der Armee und war an der Unterwerfung der sogenannten „Taos-Rebellion“ beteiligt, der sein alter Arbeitgeber, Charles Bent, zum Opfer fiel.

Nach der Entdeckung des Goldes in Kalifornien, zog Beckwourth in das Gebiet von Sonoma und Sacramento, eröffnete einen kleinen Generalstore und später einen Saloon. Er verdingte sich als Berufsspieler und legte 1850 einen leichtgängigen Wagenweg über die Sierra Nevada an, der noch heute als „Beckwourth Pass“ bekannt ist. Danach steckte er eine Ranch ab, errichtete einen Handelsposten und ein Hotel im heutigen „Sierra Valley“. Im Winter 1854-55 übernachtete hier der Richter Thomas D. Bonner, der sich in den langen kalten Nächten mit Beckwourth unterhielt und die Geschichten aufschrieb, die der Trapper ihm erzählte. Er notierte sie so, wie Beckwourth sprach; das machte sie glaubwürdig und interessant. Hinzu kamen Schilderungen über Praktiken im Indianerhandel, die beschämend für Regierungsbehörden waren. Beckwourth schilderte auch das manchmal dilettantische Verhalten von Armeeoffizieren, die den Westen und die Indianer nicht kannten. 1856 erschien das Buch über sein Leben. Er sollte die Hälfte der Einkünfte erhalten, bekam aber tatsächlich nie einen einzigen Cent.

1859 ließ Beckwourth sich in Denver nieder, arbeitete zunächst als Store-Verkäufer und wurde zum örtlichen Indianeragenten ernannt. 1864 heuerte Colonel John Chivington, der Kommandant der 3. Colorado-Kavallerie, ihn als Scout für einen Feldzug an. Diese Kampagne endete mit dem grauenvollen Massaker am Sand Creek an friedlichen Cheyenne im November 1864. Beckwourth war Augenzeuge. Danach verbannten die Cheyenne ihn als Händler aus ihren Lagern.

1866 fand Beckwourth erneut eine Anstellung als Scout bei der Armee in Fort Laramie und Fort Phil Kearny in Red Clouds Krieg.

Es war am 29. Oktober 1866 (manche Quellen sagen 1867), dass Beckwourth eine Armeekolonne zu einem Dorf der Crow in Montana anführte, als er plötzlich von schweren Kopfschmerzen und Nasenbluten befallen wurde. Im Dorf der Crow starb er. Man vermutet heute stark erhöhten Blutdruck.

William Byers, der Herausgeber der „Rocky Mountain News“, der sich als Freund von Beckwourth bezeichnete, behauptete, die Crow hätten ihn vergiftet. Das darf den Legenden um Beckwourth zugeordnet werden.

Beckwourth wurde nach Sitte der Crow auf einem Totengerüst unweit von Laramie (Wyoming) beigesetzt.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die kommende Ausgabe

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