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Musk, Diskussionkultur und Threads: Sind Soziale Netzwerke am Ende?

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneMusk, Diskussionkultur und Threads
Sind Soziale Netzwerke am Ende?

Die Idee klang super: Menschen auf der ganzen Welt können sich miteinander vernetzen, Inhalte austauschen, diskutieren. Soziale Netzwerke ermöglichten - gegen Preisgabe einiger Daten - das, wovon die Wissenschaft immer schon gesprochen hatte. Die Welt als lokales Dorf. Was Mark Zuckerberg lostrat, das eroberte rasch die Welt. Und es veränderte unsere Gesellschaft komplett. Soziale Netzwerke haben Vorteile und Nachteile, aber sie sind in die Jahre gekommen.

Vielleicht ist es auch an der Zeit, sich von ihnen zu verabschieden?

Die Lobeshymnen, die auf Elon Musk gesungen wurden, waren voller Harmonie und Anbetung. Elon Musik. Tesla. Der Heiligenschein konnte vorher nicht groß genug sein. Ein Genie, der Mann. Allerdings: Als Musk ankündige Twitter kaufen zu wollen, war einiges Stirnrunzeln zu sehen. Was will Musik mit Twitter? Twitter war nie richtig profitabel. Rasch stellte sich raus, dass Musk das darum ging gewisse „Miss-Stände“ bei Twitter zu beheben. Unter anderem betraf das seine Auffassung der Redefreiheit. Laut Musk würde Twitter unter seiner Führung durchaus überlegen, Trumps deaktivierten Account wieder zu genehmigen.  Trump hatte sich zwar auf seine Plattform „Truth Social“ verzogen, aber war damit aus der Öffentlichkeit weitestgehend verschwunden. 

Das Hin und Her im Vorfeld jedenfalls hätten Drehbuchschreibende einer Seifen-Oper nicht besser hinbekommen können. Musk gebärdete sich wie eine zickige Diva. Ja, generell wolle er ja schon Twitter kaufen, aber wollten die von Twitter das denn auch? Nein, moment, Musk stellt Bedingungen. Will er doch nicht? Doch, er will schon, aber jetzt halt nur unter einer anderen Bedingung. Letzten Endes einigte man sich, Musk übernahm und mit Twitter ging es dann bergab. Man kommt da auch aktuell nicht unbedingt hinterher mit dem, was Musk anstellt. Verifizierte Twitter-Haken? Käuflich! Sogenannte „freie Meinungsäußerung“, die extremen Rechten eine Stimme gibt? Natürlich. Eine Begrenzung für das Lesen von Tweets? Ja, aber auch nur temporär, weil man Bots und böse Buben von Twitter entfernen wollte. Ob das Limit wieder aufgehoben wurde ist momentan nicht klar - und für Institutionen wie Polizei und Feuerwehr absolut unmöglich. Wer gerade eine aktuelle Meldung über einen Bombenfund absetzen möchte, scheitert eventuell daran, dass er zuviele Tweets gelesen habe - wo genau das Limit liegt, das ist auch nicht so ganz bekannt.

Hass und Hetze allerdings gab es schon vorher auf Twitter. Auf Facebook. Auf Instagram. Sogar auf LinkedIn. Nachdem man dachte, dass die Pflicht einen Nutzernamen dazu führen würde, dass die Diskussionen gepflegt und höflich vor sich gehen - abgesehen davon, dass man Pseudonyme nutzen kann wie Poli Zist - war das nicht der Fall. Wenn Menschen eine Meinung haben, dass stehen sie auch zu dieser. Selbst, wenn sie beleidigend, hasserfüllt und hetzerisch ist. Denn schließlich sind Meinungen ja von der Meinungsfreiheit geschützt. Was im Prinzip stimmt, aber natürlich gehen persönliche Beleidigungen oder Verleumdungen ebenso wenig wie der Gebrauch von Symbolen des Nazi-Regimes. Dabei war gerade Twitter doch zu Beginn der 2000er der Inbegriff des Flausches. Was daran lag, dass die Nerds und Geeks als Erstes den Dienst entdeckten. Eine beleidigender Umgang hatte sofort drastische Konsequenzen zur Folge: DEN BLOCKIERBUTTON! Heutzutage kann man über die Dramatik der frühen Tage nur lächeln. Da sich Geschichte wiederholt, kann man das Ganze jetzt nochmal bei Threads bewundern.

Soziale Netzwerke versprachen einen Meinungsaustausch über die Grenzen der Komfortzonen hinweg. Sie konnten das Versprechen aber nicht einhalten, denn sie werden von Menschen genutzt. Menschen lernen nicht, wie man so diskutiert, dass man höflich und respektvoll miteinander umgeht. Eigentlich sollten Schulen das leisten, besonders der Politikunterricht. Aber wenn Stunden permanent ausfallen … dann orientieren sich Menschen an dem, was sie jeden Abend im Fernsehen seit Sabine Christiansen zu sehen bekommen: An der Talkshow. Die Talkshow funktioniert nach der Devise: Je lauter ich meine Meinung in den Raum brülle, desto wichtiger und besser ist es. Das überträgt sich in die Sozialen Netzwerke und führt, weil auch die Betreiber von Sozialen Netzwerken die Meinungsfreiheit hochhalten, aber selbst dann nicht unbedingt eingreifen, wenn über die Stränge gezogen wird, zu einer Abgestumpftheit in der Kommunikation.

Zu einer gewissen Ermüdung, denn wenn man wirklich einmal diskutieren möchte, Wissensgewinn erwerben möchte und immer wieder auf das dumpfe Dröhnen der Meinungsmacher*innen trifft - dann ermüdet man. Und je mehr man Emotionen anstachelt, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt man. Auch das ist anstrengend. Nutzer*innen werden inaktiv, verlassen gar die Plattformen und ziehen sich in ihre eignen Blasen - Foren, Messenger-Dienste - komplett zurück. Dass sie eigentlich nur ein Soziales Netzwerk gegen das Andere austauschen fällt ihnen gar nicht mal so auf. Beweist aber nicht der Ansturm auf Threads, dass Soziale Netzwerke nicht am Ende sind? Vorerst vielleicht, aber Threads startet mit anderen Voraussetzungen, ist eine Bastion für Diejenigen, die von Twitter definitiv die Nase voll haben. Aber als Google-Plus erschien, hieß es auch: Dies sei das neue, bessere Netzwerk. „Ich ziehe um“ wurde getönt. Am Ende hatte Facebook keinen wesentlichen Wegzug zu verzeichnen. Google-Plus war nicht der Facebook-Killer, Threads wird auch nicht der Twitterkiller werden oder sein. Wer Threads nutzt, nutzte vorher eher Instagram. Die meisten Nutzer von Instagram aber werden wohl kaum Twitter genutzt haben - für sie ist Threads Instagram mit Texten. Den aktuellen Aufschwung wird Eins beobachten müssen.

Sicherlich: Soziale Netzwerke sind in die Jahre gekommen. Ein gewisser Abnutzungseffekt ist eingetreten. Das ist aber kein Beweis dafür, dass Soziale Netzwerke an sich in die Dämmerungsphase ihres Lebens eingetreten sind. Sicherlich sind die Erwartungen enttäuscht worden. Aber sind sie das nicht schon Beginn des Cyberspaces? Also als das Internet noch als Cyberspace bezeichnet wurde? 1997 wurde das sogenannte Cyberpunk-Manifest veröffentlicht: A Cyberpunk Manifest - man sollte allerdings nicht unbedingt an William Gibson denken

Die hochgesteckten Erwartungen - das Gute kommt von der Technologie, Freiheit der Information, Cryptographie als Waffe … All das ist nicht so eingetreten, wie man es sich dachte. Vielleicht wäre das wirklich eine ideale Gesellschaft geworden. Oder zumindest eine Gesellschaft in der man gerne hätte leben wollen. Es ist anders gekommen. Das Internet sieht heute anders aus. Ob es besser oder schlechter ist - das kann nur Der- und Diejenige vergleichen, die 1997 die erste selbstprogrammierte HTML-Seite ins Netz stellte.

Netzwerke kommen und Netzwerke gehen. Die eigentlichen Funktionalitäten aber entsprechen dem Grundbedürfnis des Menschen nach Kommunikation. Soziale Netzwerke werden sich ändern. Sie werden anders sein in der Zukunft. Und vor allem: Was da wirklich noch kommt, wissen wir alle nicht. Keine hat Facebook damals vorausgesagt. Ebensowenig wie den Erfolg von Instagram. Natürlich wird irgendwann mal etwas Neues erfunden werden - die Verlagerung des Sozialen Netzwerkes in die Virtuelle Realität wird es wohl kaum sein. Aber wenn es kommt, dann werden wir wohl vor allem Eines sein. Überrascht.

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