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Achtung, Vergangenheit: Der Umgang mit problematischen Szenen in alten Filmen

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneAchtung, Vergangenheit
Der Umgang mit problematischen Szenen in alten Filmen

Wer Disneys Original-Dumbo in der Zeichentrickvariante beim Streaming-Dienst anklickt, wer sich „Aristocats“ anschauen möchte oder wer die alten Tom-und-Jerry-Kurzgeschichten von Warner Brothers auf den Schirm holt, den erwartet vor dem Genuss ein Hinweis. Bei „Tom und Jerry“ ist es Whoopi Goldberg persönlich, bei Disney ist es eine Texttafel. Was darauf steht? Dass heutzutage manche Szenen in diesen Filmen nicht mehr passend wirken könnten.

Bei älteren „Tom und Jerry“-Kurzgeschichten haben wir die schwarze Haushälterin, deren Darstellung durchaus problematisch ist. Bei „Dumbo“ sind die Raben durchaus als Stereotypen zu sehen, die chinesischen Katzen in „Aristocats“ sind ebenfalls leicht rassistisch angehaucht. Müssen diese Warnungen denn nun sein?

Ist es nicht etwas übertrieben, wenn jetzt der WDR sogar bei alten „Schimanski“-Folgen einen Hinweis vorab einblendet, in dem die Filme „zeitgeschichtliche Darstellung“ eingeordnet werden? Was ist denn so Schlimmes an Schimanski dran? Außer der ungehobelten Ausdrucksweise, der Gewalt und den Darstellungen von türkischen Mitbürgern … Oh. Stimmt. Sowas wie „Kanake“ oder „Spaghettifresser“ war ja in den 80gern als Sprachmittel nicht ungebräuchlich. Allerdings müsste ich jetzt wirklich nochmal alle vom WDR mit dem Hinweis versehenen Folgen anschauen, um feststellen zu können, was an den „Schimanski“-Folgen nun so problematisch ist. Manche Bewohner meiner Stadt, die Schimanski als Heiligen glorifiziert, wird sich sowieso darüber entrüsten. Also über den Warnhinweis. Das sei ja völlig unnötig.

Wie soll man aber mit problematischen Szenen umgehen? Bei problematischen Filmen wie „Jud Süss“ oder „Song of the South“ ist das einfacher: Diese werden einfach nicht mehr der breiten Öffentlichkeit gezeigt. Über diese Filme ist allerdings dann auch genügend wissenschaftliches Material vorhanden, das genau erklärt, warum und wieso diese ganzen Filme problematisch sind. Im Rahmen eines Filmseminars, mit kritischen Anmerkungen versehen, kann man durchaus noch Einiges aus „Jud Süss“ herausholen - etwa, wie perfide die Nazis hier bestimmte Einstellungen und Figuren genutzt haben, um gegen die Juden Propaganda zu betreiben. Ebenfalls kann man an der Figur des Onkel Remus in „Song of the South“ - Disney übrigens - die durchaus rassistischen Tendenzen herausarbeiten. Es sind hier nicht die einzelnen Szenen, die problematisch sind, es ist hier die Gesamtaussage des Films, die zu bedenken ist. Daher könnte man auch nicht einfach eine Schnittfassung erstellen und Onkel Remus komplett aus dem Film rausschneiden - was übrig bliebe, wäre wohl eine unverständliche Anordnung von Trickfilmszenen.

Das ist bei „Aristocats“ ja nun nicht der Fall. Da geht es um einen bösen Butler und niedliche Katzen, die sich unversehens auf der Straße wiederfinden. Es ist halt nur einzelnen Szene mit den chinesischen Langhaar-Katzen, die problematisch ist, weil sie - wenn auch nicht direkt offensichtlich - fremdenfeindliche Vorurteile bedient. Würde man die Szene rausschneiden, würde sich der Film an sich nicht unbedingt groß ändern. Vermutlich würde man es kaum bemerken. Ebenso könnte man die anderen Szenen aus den Filmen herausschneiden. Problem gelöst? Eher nicht so ganz. Denn dann stände der Vorwurf der Zensur im Raum. Abgesehen von dem der Cancel Culture. Zudem: Dürfen wir wirklich so radikal in das eingreifen, was in der Vergangenheit erstellt wurde? Wenn wir eine zensierte Version in den Archiven belassen würden, würden wir ja nicht mehr über das reden, was in diesen Szenen problematisch ist. Das Bewußtsein für diese Thematiken würde dann ja nach und nach verschwinden - wenn jemand nämlich die zensierte Fassung in 30 Jahren anschaut, wird er kaum um die Debatten darum wissen und es auch nicht nachschlagen.

Deswegen war ich persönlich auch nicht erfreut, als etwas Ähnliches „Pippi Langstrumpf“ passierte - sicherlich ist der Begriff „Negerkönig“ problematisch, aber dass man daraus einen „Südseekönig“ gemacht hat, hat die Debatte um den Begriff des Wortes „Neger“ in Kinderbüchern generell nun halt ersterben lassen. Müssen wir da wirklich demnächst eine historische-kritische Ausgabe kaufen, um in den Genuss des Originals zu kommen? Hätte es nicht gereicht, ein Sternchen anzufügen, eine Erklärung als Fussnote zu formulieren und zu sagen: „Liebe Erwachsene, diskutiert bitte mit euren Kindern darüber, warum man diesen Begriff nicht mehr nennen darf - im weiteren Verlauf des Buches nehmen wir dann den Südseekönig stattdessen.“? Und müsste man dann nicht in der Serie und den Filmen dann auch eine Warnung einblenden? Das wird allerdings nicht gemacht. Ebenfalls haben wir beim „Jim Knopf“ in der Augsburger Puppenkiste noch den Begriff des „Negerbabys“. Sagt Frau Waas ganz deutlich Im Buch haben wir auch das mittlerweile geglättet. Allerdings hätte man auch hier sicherlich einen anderen Weg finden können. Bei Christine Nöstlingers Büchern, die sehr österreichische Vokabeln beinhalten, gab es immer einen Anhang, in dem sowas wie „Vogerlsalat“ erklärt wurde. Wie gesagt: Eine erklärende Fussnote für die Kinder, warum man das Wort nicht mehr sagt, wäre sicherlich eine Option gewesen.

Und so sehr natürlich auch diese Einblendungen oder Erklärungen gut gemeint sind - bei „Dumbo“ kann ich nicht erwarten, dass Kinder diese Texttafel schon lesen können. Ebenfalls werden Kinder Whoopie Goldberg nicht unbedingt verstehen, wenn sie erklärt, warum die schwarze Haushälterin halt ein Problem ist. Schön, „Schimanski“-Krimis wird sich wohl kein Grundschulkind anschauen … Wobei … Jedenfalls: Diese Warnungen richten sich an die Eltern. Ich glaube nicht, dass Eltern sich jetzt unbedingt das nächste Fachbuch zum Thema Rassismus schnappen, wenn da so eine Warnung auftaucht. Oder mit den Kindern darüber reden. Aber genau das wäre ja wichtig. Mit den Kindern darüber reden, was Rassismus ist, was Antisemitismus und warum das ein Problem sein kann.

Das genau wäre also unsere Aufgabe als Erwachsene in einer demokratischen Gesellschaft. Ich fürchte nur, dass die Wenigsten sich wirklich an diese Aufgabe warnen. Entweder weil sie meinen, Zeichentrickfilme seien per se eher harmlose Kinderunterhaltung - bis sie den Kleinen mal „Felidae“ oder „Unten am Fluss“ vorsetzen - oder weil sie sich für diese Dinge gar nicht interessieren. Schlimmer noch natürlich: Sie sind längst schon in den Denkmustern der Rechten gefangen. Dass diese Menge keine sehr kleine ist, das haben wir bei der letzten Wahl ja an den blauen Wahlkreisen mehr als deutlich gesehen. Von daher: Ja, über solche vorgeschalteten Warnungen kann man sich aufregen. Sollte man sich auch. Also positiv. 

Kommentare  

#1 matthias 2021-12-10 11:22
Ob Filme oder Romanhefte: Ich erinnerte mich an die legendäre Romanheftserie SEEWÖLFE. Hier war eine der Hauptfiguren ein sehr sympatischer Mann aus Afrika, welcher oft als herkulischer N**** bezeichnet wurde.
Das geht natürlich gar nicht!
Damit niemand denkt, dass ich "in den Denkmustern der Rechten" gefangen bin, habe ich die 760 Hefte Nazizeug sofort in der Papiersammlung entsorgt.

Als nächstes werde ich mir die alten Jerry Cotton Hefte (1.A) vornehmen ...
#2 matthias 2021-12-10 11:39
Hab eben noch meine recht große DVD-Sammlung von Western mit John Wayne entsorgt. Da werden die indigenen Ureinwohner Amerikas doch tatsächlich als "Indianer" bezeichnet!
Nee also!
DVD's in die Tonne, welche aber schon mit den Seewölfen mehr als gefüllt ist.
Nazizeug eben.
#3 Guido 2021-12-10 12:20
DVDs gehören nicht in die Tonne sondern zum Recyclinghof! Die Hüllen bitte in den gelben Sack, und das Papier (!) zu den Romanheften!
#4 matthias 2021-12-10 12:59
zitiere Guido:
DVDs gehören nicht in die Tonne sondern zum Recyclinghof! Die Hüllen bitte in den gelben Sack, und das Papier (!) zu den Romanheften!

Nee Guido, ist schon klar! Der Begriff "Tonne" ist nicht so wörtlich zu nehmen. Die Hefte sind auf dem Recycling-Hof und die DVD's noch im Waschhaus, wo sie dann auseinander genommen und rohstoffgerecht sortiert entsorgt werden.

Aber hoffentlich fallen die 760 Seewölfe-Hefte nicht irgend jemanden in die Hände! Nicht auszudenken wäre dass! Ich hätte vorher die Stellen schwärzen sollen. Aber bei 760 Heften...

Ich habe jetzt mal die Jerry Cotton Hefte 1 bis 20 (1.Auflage) kontrolliert. Nicht bei jedem Heft fand ich auf die Schnelle fragwürdige Redeweisen, jedoch bei vielen. Aber - falls ich was übersehen habe - in die "Tonne" damit!
Alles alter und nicht mehr zeitgemäßer Ballast!

Ach je, da habe ich doch noch eine fast vollständige ROLF TORRING Sammlung! Und JÖRN FARROW, und, und, und!
#5 Max 2021-12-11 17:39
Dass Filme um problematische Szenen gekürzt werden, ist ja nichts neues.

Diese Szene aus "Diamantenfieber" fehlt bei TV- Ausstrahlungen regelmäßig ganz oder teilweise:

www.youtube.com/watch?v=0PPiWTk12Ws

Hat zwar nichts mit Rassismus zu tun, war aber wohl schon den 1990ern zu klischeehaft.

Wobei übrigens selbst das "deutsche Original" gekürzt ist

www.youtube.com/watch?v=k5e5GjnyMHI
#6 Ganthet 2021-12-11 22:02
Ich habe ein psychiatrisches Fachbuch aus der Kauserzeit. Dort werden Menschen mit einer Intelligenzminderung und geistig Behinderte ganz selbstverständlich "Idioten" genannt. Ist das heute noch ok?
#7 Ganthet 2021-12-11 22:06
Nicht Kauserzeit, sondern Kaiserzeit

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