Meyer, Kai: Herrin der Lüge

Herrin der LügeHerrin der Lüge
von Kai Meyer
Bastei-Lübbe Taschenbuch
erschienen: 2008 (Taschenbuch); 2006 (Original)
828 Seiten; 9,95 €
ISBN: 978-3-404-15891-1

Bastei-Lübbe

Europa im Jahr 1210. Die junge Gauklerin Saga besitzt eine einzigartige Gabe: Sie ist eine Meisterin der Lüge. Mühelos kann sie jeden Mann und jede Frau glauben machen, was sie ihren Gegenüber glauben machen will.

Diese Fähigkeit will sich Gräfin Violante von Lerch für ihre Zwecke zunutze machen. Die Adlige möchte um jeden Preis ins Heilige Land ziehen, um dort ihren verschollenen Gatten zu suchen.

Dazu, das weiß sie nur zu genau, ist sie auf die Hilfe der Kirche und der Ritterorden, die im Morgenland Männer und Festungen besitzen, angewiesen. Hilfe, die sie so ohne Weiteres kaum bekommt.

Um ihr Ziel zu erreichen, schmiedet Violante daher einen ungeheuerlichen Plan. Sie möchte einen Kreuzzug der Jungfrauen ins Leben rufen – und Saga soll ihr dabei helfen. Als vermeintliche Prophetin, die die Stimme Maria Magdalenas vernimmt, soll Saga mit Hilfe ihrer Gabe junge Frauen dazu bringen, sich der Reise ins Heilige Land anzuschließen.

Dies ist der Beginn einer Pilgerreise, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Mehr als 5000 Mädchen und Frauen machen sich auf Richtung Jerusalem, nicht ahnend, welch furchtbare Gefahren sie auf dem Weg dorthin erwarten ...

Ganz wie sein Bestseller »Das Buch von Eden« ist auch Kai Meyers rund 800 Seiten starke Erzählung »Herrin der Lüge« eine Mischung aus Fantasy- und historischem Roman, wobei die phantastischen Aspekte eine zwar wichtige, letzten Endes aber doch nur eine Nebenrolle spielen. Mit dem zuerst genannten Werk kann der Roman über den Kreuzzug der Jungfrauen – den es übrigens niemals gegeben hat und der einzig auf die Vorstellungskraft des Autors zurückgeht – zwar nicht mithalten. Freunde historischer Romane, die einer kleinen Portion Phantastik nicht abgeneigt sind, kommen aber auch bei »Herrin der Lüge« voll auf ihre Kosten.

Einmal mehr stellt Meyer unter Beweis, dass er ein herausragender Erzähler ist. Die 800 Seiten rasen nur so am Leser vorüber, weshalb das Buch sich überraschend schnell (viel zu schnell) seinem Ende nähert. Die Handlung ist spannend und abwechslungsreich in Szene gesetzt, die Geschichte in gewohnt erstklassiger Manier geschrieben.

Im Fokus des Romans stehen einmal mehr die Protagonisten, die von Meyer samt und sonders lebendig gezeichnet wurden und den Leser schnell für sich einnehmen. Man sollte allerdings erwähnen, dass es sich in Bezug auf das Figurenensemble bemerkbar macht, dass Meyer einen historischen und keinen phantastischen Roman schreibt. Die Möglichkeiten, die ihm zur Ausgestaltung der einzelnen Personen zur Verfügung stehen, sind deutlich begrenzt. Den einzigartigen Charakteren aus seinen Jugendbuch-Reihen (wie etwa der »Merle-«Trilogie) können sie zu keiner Zeit das Wasser reichen.

Ähnlich sieht es auch bezüglich der Schauplätze aus, an die es die Protagonisten verschlägt. Was die Darstellung der jeweiligen Settings an sich anbelangt, gibt es im Grunde nichts zu kritisieren. Meyer versteht es hervorragend, die verschiedenen Orte glaubhaft und atmosphärisch dicht zu schildern. Da er allerdings gezwungen ist, sich im Großen und Ganzen an reale Gegebenheiten zu halten, ist es ihm nicht vergönnt, sein schriftstellerisches Talent voll auszuspielen und derart außergewöhnliche Schauplätze zu schaffen, wie er es bei besagten Jungendromanen immer wieder vollbringt.

Da schreibt ein Autor ein spannendes, höchst unterhaltsames Buch, und dann hat der Rezensent doch etwas zu kritisieren. Es ist wohl der Fluch des Erfolgs, der hier zum Tragen kommt. Wer wie ich schon verschiedene Romane von Meyer gelesen hat und verwöhnt ist von einmaligen Sagas wie der »Merle-« oder der »Wolkenvolk-«Trilogie, dem wird »Herrin der Lüge« einfach ein wenig blasser erscheinen als andere Werke des Autors.

Das darf aber in gar keinem Fall darüber hinwegtäuschen, dass Meyer mit »Herrin der Lüge« ein bewegender Roman gelungen ist, der den Leser eintauchen lässt in ein Abenteuer, wie er es so bestimmt noch nicht gesehen bzw. gelesen hat. Wer charakterbetonte historische Romane mag, der wird diesen Roman genießen – und sich am Ende trotz der Beteuerung des Autors, einen Kreuzzug der Jungfrauen habe es niemals gegeben, fragen, ob nicht doch mehr als nur ein Körnchen Wahrheit hinter der Pilgerreise steht, so plastisch, ja, lebendig ist die beschwerliche Reise der jungen Frauen und Mädchen in Worte gefasst.

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